Wenn es darum geht, unliebsame Betriebsräte loszuwerden, sind sich manche Unternehmen für nichts zu schade. So bei der zum dänischen JYSK-Konzern gehörenden Homberger Logistikfirma »Bettenwelt GmbH«. Diese scheiterte am Montag vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) in Frankfurt am Main mit dem Versuch, die Entlassung der Betriebsrätin Tanja Dotzert »wegen Beleidigung« in zweiter Instanz durchzusetzen. Die Beschäftigtenvertreterin hatte während eines Monatsgesprächs mit der Geschäftsleitung das elektronische Zugangskontrollsystem – mit dem die Anwesenheit von Mitarbeitern in bestimmten Räumen erfaßt wurde – als »Stasi-Methode« bezeichnet.
»Das war eine massive Beleidigung, die nicht spontan geäußert wurde«, sagte der Rechtsanwalt des Unternehmens während der mündlichen Verhandlung. »Die Stasi stellt sich dar durch ihre Methoden – und diese Methoden können wir uns alle vorstellen.« Der Betriebsrat hatte die Ablehnung einer fristlosen Kündigung schriftlich mit den Worten begründet: »Ihre unzulässige Verhaltenskontrolle, die uns an die dunkelsten Kapitel der jüngsten deutschen Geschichte erinnern läßt, kann keinen Mitarbeiter dazu verpflichten, ein genaues Protokoll über seine Bewegung am Arbeitsplatz zu führen.« Auf mehrfaches Insistieren hatte Dotzert erläutert, der Satz beziehe sich auf das sogenannte Dritte Reich bzw. die Staatssicherheit der DDR. Dadurch sei das Vertrauensverhältnis gestört, eine Weiterbeschäftigung nicht zumutbar, behauptete der juristische Vertreter des Unternehmens, das die mehr als 670 Filialen des »Dänischen Bettenlagers« beliefert. Der Leiter der Internationalen Logistik der »Bettenwelt GmbH«, Kay S., der sich durch die Äußerungen persönlich beleidigt fühlte, hatte sich selbst nicht zum Erörterungstermin bemüht.
Der Richter zeigte sich von dieser Argumentation allerdings wenig beeindruckt. Man müsse berücksichtigen, daß die Äußerungen »in einer ganz spezifischen Situation« gefallen seien, nämlich im Rahmen eines Monatsgesprächs zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung. Dabei würden sicher des öfteren Dinge gesagt, »die man im Nachhinein bereut«. »Der Zusammenhang war ein nach Ansicht des Betriebsrats rechtswidriges Verhalten des Arbeitgebers«, erinnerte der Richter. Vor diesem Hintergrund bezweifle er, ob die Bemerkungen einen ausreichenden Grund für eine fristlose Kündigung darstellten. Entsprechend klar fiel die am Nachmittag verkündete Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aus: Es wies die Beschwerde des Unternehmens gegen das Urteil des Kasseler Arbeitsgerichts zurück. Beschwerde vor der nächsthöheren Instanz wurde nicht zugelassen, so daß die Kündigung endgültig unwirksam ist.
»Dieses Urteil stärkt das Amt des Betriebsrats«, kommentierte ver.di-Sekretärin Mechthild Middeke die Entscheidung gegenüber junge Welt. »Wir hoffen, daß der Arbeitgeber nun zur Vernunft kommt und die anderen zwei anhängigen Widersprüche zurückzieht.« Außer bei Dotzert hatte das Unternehmen auch im Verfahren gegen zwei weitere Betriebsräte Beschwerde eingelegt. Bernhard Schiederig, ver.di-Landesfachbereichsleiter in Hessen, nannte das Vorgehen der Geschäftsleitung »einen Versuch, unliebsame Kollegen und aktive Gewerkschafter aus dem Betrieb zu drängen«. Seiner Ansicht nach steht dieser in Zusammenhang mit Tarifauseinandersetzungen bei dem Logistikunternehmen. Der Manteltarifvertrag des Groß- und Außenhandels ist zwar allgemeinverbindlich und kommt daher auch bei der »Bettenwelt GmbH« zur Anwendung. Der von ver.di geforderte Lohn- und Gehaltstarif wird vom Management aber konsequent verweigert.
Im Sommer 2009 hatte die 110köpfige Belegschaft – weitere 100 Beschäftigte sind als Leiharbeiter tätig– mit einem einwöchigen Streik für einen Anerkennungstarifvertrag gefordert. Das Unternehmen hob daraufhin zwar die Einkommen an, so daß diese nach Gewerkschaftsangaben nun fast auf dem Niveau des Flächentarifs liegen. »Das ist aber nicht tarifvertraglich abgesichert. Deshalb haben wir die Bettenwelt GmbH in diesem Jahr erneut aufgefordert, Verhandlungen mit uns aufzunehmen«, erklärte Schiederig. Er gehe davon aus, daß sich die Belegschaft erneut an der am 24. Mai beginnenden Tarifauseinandersetzung beteiligen werde. Ver.di fordert hier Lohnerhöhungen von 120 Euro monatlich sowie die Begrenzung und gleiche Bezahlung von Leiharbeit.
Quelle: www.jungewelt.de vom 11.05.11
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