Mit ihrem bereits zweiten Generalstreik in diesem Jahr haben die Beschäftigten in Griechenland das Land am Mittwoch weitgehend lahmgelegt. Der Protest richtete sich sowohl gegen neue als auch gegen die bereits umgesetzten Kürzungen bei Löhnen, Renten und Arbeitsrechten. Nach Angaben der beiden aufrufenden Gewerkschaftsdachverbände GSEE (private Wirtschaft) und ADEDY (öffentlicher Dienst) lag die Teilnahme in Industrie und Staatsdienst zwischen 75 und 100 Prozent. Behörden, Schulen, Universitäten und staatliche Banken blieben geschlossen, die Krankenhäuser nahmen nur Notfälle auf. Rundfunk und Fernsehen brachten keine Nachrichtensendungen, und am heutigen Donnerstag erscheint keine der etwa 20 Tageszeitungen des Landes. Die Schiffe blieben im Hafen, die Züge in den Bahnhöfen und auch der Luftraum war am Nachmittag für vier Stunden durch die Teilnahme der Fluglotsen am Streik gesperrt. Die öffentlichen Nahverkehrsmittel arbeiteten nur, um den Streikenden die Teilnahme an den überall im Land stattfindenden Demonstrationen zu ermöglichen.
Allein in Athen versammelten sich mehrere zehntausend Streikende zu drei verschiedenen Kundgebungen. Die mit Abstand größte führte die kommunistisch orientierte Gewerkschaftsfront PAME durch. Hier erklärte Vassilis Stamoulis zu den verschiedenen auf der Ebene der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) diskutierten Umschuldungsszenarien: »Uns interessieren ihre Sorgen und Differenzen nicht, welches Rezept der Sparmaßnahmen mit den geringsten politischen Kosten umgesetzt werden kann.« Der Vorsitzende der griechischen Gewerkschaft in der Webereibranche unterstrich: »Wir sind daran interessiert, daß es sie so hart wie möglich trifft, denn sie verdüstern unser Leben und das unserer Kinder.«
Auf der Kundgebung der beiden Dachverbände forderte der GSEE-Vorsitzende Giannis Panagopoulos »eine Politik, die die Ungerechtigkeiten behebt, die Lohnabhängigen stärkt und einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und die Schaffung neuer Arbeitsplätze legt«.
Auf der dritten Versammlung, die von Teilen des griechischen Linksbündnisses SYRIZA, der außerparlamentarischen Linken, unabhängigen Gewerkschaften und dem autonomen Spektrum organisiert wurde, gab es keine Reden. »Diese Regierung muß weg, entweder durch Neuwahlen, oder indem sie mit Hubschraubern aus dem Parlament flieht«, erklärte Babis Lambiris im Gespräch mit junge Welt, während autonome Aktivisten aus einem leerstehenden Gebäude ein Transparent abseilten, das »Freiheit für die Gefangenen aus dem gesellschaftlichen und Klassenkrieg« forderte. Für den Aktivisten der griechischen »Front für Solidarität und Umsturz« ist darüber hinaus der Austritt des Landes aus EU, Euro-Zone und NATO Grundvoraussetzung für einen Ausweg seines Landes aus der Krise.
Nach einem Milliardenloch im letzten Jahr sind die Staatseinnahmen Griechenlands auch im Mai weit hinter den geplanten zurückgeblieben. Ein Ende der Krise ist nicht abzusehen, denn die bisherigen Sparmaßnahmen haben die Wirtschaft nur weiter gedrosselt. Um das Land vor einer Pleite zu bewahren, seien weitere 50 bis 60 Milliarden Kredit in den nächsten zwei Jahren nötig, war Anfang der Woche in der internationalen Presse zu lesen. Um an dieses Geld zu gelangen, plant die Regierung in Athen weitere, noch drastischere Einschnitte für die Erwerbstätigen des Landes. Diese haben am Mittwoch eine erste Antwort gegeben.
Quelle: www.jungewelt.de vom 12.05.11
Wir zahlen nicht für Eure Krise!
Der Chefvolkswirt der linken Bundestagsfraktion, Michael Schlecht, erklärte am Mittwoch in einer Pressemitteilung zur Euro-Krise:
Die gescheiterte Griechenland-Rettung ist eine Mahnung für Portugal. Die von der EU verordneten Kürzungspakete haben der griechischen Wirtschaft das Genick gebrochen. Das gleiche Schicksal droht der portugiesischen Wirtschaft, wenn die Staats- und Regierungschefs der EU nicht endlich einen Kurs volkswirtschaftlicher Vernunft einschlagen. Die Kritiker der Griechenland-Hilfen aus den Reihen von Union und FDP proben einen Aufstand der Unanständigen. Immerhin waren sie es, die das Drehbuch für die griechische Tragödie mit verfaßt haben. Den griechischen Ministerpräsident Papandreou bitte ich, dem Druck nach weiteren Maßnahmen gegen seine Bevölkerung nicht nachzugeben.
Wer Europa retten will, muß Hilfen zum Wiederaufbau geben. Wir brauchen einen Marshall-Plan für die Krisenstaaten, finanziert über eine Besteuerung Reicher und Vermögender, zum Beispiel durch Einführung einer Millionärssteuer. Die Zinsforderungen der Kapitalmärkte müssen darüber hinaus beschnitten werden. Die Linke fordert die Einführung von Euro-Bonds sowie die Finanzierung von Staatskrediten über eine Europäische Bank für öffentliche Anleihen, um die Wucherzinsen der Banken zu drücken.
Die Hauptursache der Schuldenkrise in Europa sind die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte in der Euro-Zone. Sie sind vor allem eine Folge der gigantischen Außenhandelsüberschüsse Deutschlands, die sich in den letzten zehn Jahren auf nicht weniger als 1,5 Billionen Euro beliefen. Damit muß Schluß sein. Eine Abkehr von der extremen deutschen Exportorientierung erfordert jedoch einen deutlichen Anstieg der Löhne hierzulande.
Die Linke lehnt es ab, daß die Bevölkerung in den Krisenstaaten und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Deutschland immer wieder für die Banken haften. Eine solche Politik ist brandgefährlich, denn sie wird Rechtspopulisten in Europa nach oben spülen.
Quelle: www.jungewelt.de vom 12.05.11
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