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Neue Sündenböcke. Bundesagentur für Arbeit beklagt angeblichen Sozialmißbrauch von Selbständigen. Sie liefert damit neue Argumente für Kürzung der Hilfe bei Existenzgründungen. Von Ralf Wurzbacher

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Die Hetzer gegen vermeintliche Betrüger und »Sozialschmarotzer« haben ein neues Opfer gefunden: den Selbständigen auf Hartz IV. Nach einem aktuellen Zeitungsbericht ist die Zahl derer, die trotz eigenständiger Berufstätigkeit staatliche Unterstützungsleistungen beziehen, in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) vermutet allein aufgrund dieser Tatsache, nicht wenige Betroffene würden sich die Leistungen erschwindeln. Beweise für diese These gibt es bislang nicht. Gleichwohl erwägt BA-Vorstand Heinrich Alt bereits Einschnitte für Existenzgründer.

Es geht um die sogenannten Aufstocker, deren Einkommen aus Erwerbsarbeit nicht existenzsichernd ist. Gerade auf Selbständige trifft dies laut BA-Statistik immer öfter zu. Zwischen 2007 und 2010 habe die Zahl selbständiger Aufstocker um mehr als 50000 auf im Jahresdurchschnitt 125000 zugelegt, berichtete die Süddeutsche Zeitung (SZ) am Dienstag. Im Februar zählte die Nürnberger Behörde demnach knapp 118000 Betroffene. Rund 85000 von ihnen hätten über Einkünfte von unter 400 Euro verfügt, 25000 verdienten bis zu 800 Euro, der Rest etwas mehr.

Der SZ-Artikel ist mit »Arm gerechnet« überschrieben, suggeriert also vorsätzlich betrügerisches Handeln der Betroffenen. Arbeitsvermittler meinen, die Antragsteller könnten ihr Einkommen bei fehlender Bedürftigkeit so »herunterrechnen«, daß sie auf »dem Papier Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt haben«, ohne wirklich auf das Geld angewiesen zu sein. Außer einem vagen Verdacht hat die BA allerdings nichts vorzuweisen. Vorstandsmitglied Alt räumte gegenüber der SZ ein: »Wir haben keinerlei Empirie darüber, ob und wie oft dies vorkommt.« Dennoch findet Alt, man müsse darüber nachdenken, ob sich die Bezugsdauer von Grundsicherungsleistungen für Selbständige zeitlich begrenzen lasse. »Irgendwann muß man schwarze Zahlen schreiben oder – so weh es tut – die Selbständigkeit aufgeben.« Der Steuerzahler könne nicht auf Dauer »eine nicht tragfähige Geschäftsidee mitfinanzieren«.

Das klingt wie ein Verriß des eigenen Schaffens: Die BA hat jahrelang unter dem Schlagwort »Ich-AG« Existenzgründungen in großem Stil gefördert, vielfach aussichtslose Initiativen, die den Bezug von Transferleistungen bestenfalls kurzfristig unterbrachen. Trotzdem ist der sogenannte Existenzgründungszuschuß nachgewiesenermaßen noch eines der erfolgreicheren Förderinstrumente der BA. Doch ausgerechnet diese Maßnahme soll nun nach dem Willen der Bundesregierung drastisch zusammengekürzt werden, wogegen sich bei Arbeitsmarktexperten und selbst im Unternehmerlager Unmut regt.

Gleichwohl lehnte die FDP die Überlegungen von Alt am Dienstag ab. Jeder, der seinen Lebensunterhalt »auch nur teilweise aus eigener Kraft bestreitet, hat die Anerkennung der Gesellschaft verdient«, sagte der Obmann der FDP-Fraktion im Bundestagsausschuß für Arbeit und Soziales, Pascal Kober. Aufstocken sei »nichts Ehrenrühriges«. Persönliche Betreuung helfe indes »deutlich mehr als starre Fristen, nach denen der Regelsatz gekürzt wird«, betonte Kober.

Quelle: www.jungewelt.de vom 15.06.11

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 15. Juni 2011 um 14:32 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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