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Hubers Reformismus. Wiedergewählter IG-Metall-Chef spricht sich für den Euro und flexible Arbeitszeiten aus. Eigentumsfrage hält er für zweitrangig. Von Daniel Behruzi, Karlsruhe

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Berthold Huber bleibt gemäßigt. Das machte der neue und alte IG-Metall-Chef bei seinem »Zukunftsreferat« am Mittwoch in Karlsruhe deutlich. Erneut sprach er sich für den Euro aus, von dem die deutsche Wirtschaft profitiere. Bei einem Pressegespräch deutete Huber an, eine negative Konjunkturentwicklung könne zu einer niedrigeren Forderung bei der anstehenden Metalltarifrunde führen. Zudem plädierte er für flexible Arbeitszeiten und betonte, die Eigentumsfrage sei zweitrangig.

»Wir sind für den Euro, die deutsche Wirtschaft profitiert vom Euro-Raum«, stellte der am Vorabend wiedergewählte Gewerkschaftschef klar. Über 60 Prozent der deutschen Exporte gingen in die EU. Daher sei die europäische Integration eines »unserer« wichtigsten Projekte. Huber sprach sich für »einen echten europäischen Währungsfonds« und einen »europäischen Marshallplan« für die kriselnden Länder Südeuropas aus. Zudem forderte er eine »einheitlich agierende und mit Weisungsrecht ausgestattete Wirtschaftsregierung« für die Europäische Union.
Schwierige Tarifrunde
»Wir sind immer noch mittendrin in einer Banken- und Schuldenkrise, die jederzeit auf die Realwirtschaft durchschlagen kann«, warnte Huber. Staaten drohe der Zusammenbruch, und niemand wisse, wie sich die Auftragslage der Unternehmen weiterentwickeln werde. Auf Pressenachfragen konkretisierte er, daß manche Stahlwerke trotz guter Zahlen im laufenden Jahr bereits vor einer neuerlichen Kurzarbeitswelle stehen könnten. Für den Fall eines erneuten Abgleitens in die Rezession müsse ein neues Interventionsprogramm aufgelegt werden, das über »Zukunftsanleihen« finanziert werden könne. Zudem forderte der IG-Metall-Vorsitzende, die maximale Dauer der Kurzarbeit nicht zu verkürzen, sondern bei 24 Monaten zu belassen. »Wir sollten die Krisenmechanismen, die sich bewährt haben, auf Standby stellen und aktivieren, wenn wir sie brauchen.«

Sollten die pessimistischen Konjunkturszenarien eintreffen, würde die IG Metall bei der im Frühjahr anstehenden Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie in eine schwierige Position geraten. »Wir haben kein Interesse daran, in eine Situation zu kommen wie 2008, als wir mit Vollgas in die Garage fahren mußten«, sagte Huber. Seinerzeit ging die Gewerkschaft mit der vergleichsweise ambitionierten Forderung nach Einkommensverbesserungen von acht Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten in die Verhandlungen. Wegen des – von der IG-Metall-Spitze zunächst ignorierten – Absatzeinbruchs bremste sie plötzlich ab und vereinbarte Lohnerhöhungen von lediglich zweimal 2,1 Prozent bei einer Laufzeit von 18 Monaten. Huber hatte dieses Ergebnis in seinem Rechenschaftsbericht zwar als »guten Tarifabschluß« bezeichnet, kündigte vor dem Hintergrund der Erfahrung von 2008 jedoch an, die Positionen für 2012 möglichst spät zu formulieren. Man werde über die Lohnforderung auf Grundlage der Herbstgutachten der Wirtschaftsinstitute sowie der ökonomischen Lage der Betriebe entscheiden. Demnach würde die IG Metall – so ist zu vermuten – ihr Tarifziel bei schlechter Wirtschaftsentwicklung absenken, obwohl aufgrund der langen Laufzeit des 2008er-Vertrags bei den Beschäftigten enormer Nachholbedarf besteht.
Potentiale des Marktes
Weitere Aussagen, die bei linken Gewerkschaftern Befürchtungen auslösen könnten, betreffen die Arbeitszeit. Bei seinem Referat hatte sich Huber auf die Forderung konzentriert, geleistete Arbeitsstunden dürften nicht verfallen. »Arbeit zum Nulltarif – das darf es nicht geben, das ist eine Enteignung der Beschäftigten.« Geleistete Arbeitszeiten müßten allesamt erfaßt und durch Freizeit oder Geld abgegolten werden. Zur Länge der Arbeitszeiten sagte der Vorsitzende allerdings nichts. Darauf angesprochen, erklärte er gegenüber der Presse, die 35-Stunden-Woche stehe weiterhin im Zentrum. »Aber es muß Schwankungsmöglichkeiten nach oben und unten geben.« Insbesondere »Beschäftigte außerhalb der unmittelbaren Produktion« müßten zum Beispiel bei familiären Bedürfnissen kürzer, bei Projekten aber auch länger arbeiten können. Dieser Punkt sei indes »heftigst umstritten«, räumte Huber ein.

Seine politische Strategie nannte der IG-Metall-Chef »linken Reformismus«. Er sei immer wieder über die »Potentiale des Marktes« erstaunt, von dessen »Exzessen« aber abgestoßen, erzählte er. »Eine Revolution und die Abschaffung des Marktes halte ich deshalb weder für realistisch noch für sinnvoll.« Der zentrale Konflikt sei, ob der Markt die Gesellschaft beherrsche oder diese »die positiven Mechanismen von Märkten« nutze. Es gehe darum, letztere »zu zähmen«. »Die Eigentumsfrage ist dabei nachrangig«, so Huber. Überraschend sind solche Worte aus dem Mund des obersten IG-Metall-Funktionärs nicht. Bemerkenswert ist allerdings, daß er in seinem Referat ausführlich auf das Thema einging. Das könnte man wiederum als Hinweis darauf interpretieren, daß die Diskussion über grundsätzliche Alternativen angesichts der kapitalistischen Dauerkrise auch in der IG Metall wieder stärker geführt wird.

Quelle: www.igmetall-gewerkschaftstag-2011.de

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 13. Oktober 2011 um 13:44 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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