Nach fünf Tagen Verhandlungen hat man sich in Athen am Donnerstag nachmittag auf den Nachfolger von Ministerpräsident Giorgos Papandreou geeinigt. Loukas Papadimos, im Ausland anglifiziert als Lucas Papademos bestens bekannt, soll bis auf weiteres die Fäden in Griechenland ziehen. Der ehemalige Vizechef der Europäischen Zentralbank gehörte sicherlich zu den Wunschkandidaten sowohl der einheimischen als auch der in Brüssel und Washington herrschenden Eliten. Hatte er sich doch schon zu seiner Amtszeit als Präsident der griechischen Nationalbank lang vor der Krise für eine rigorose Umverteilungspolitik zugunsten des Kapitals eingesetzt.
Erst nachdem sich durch die (nicht ernst gemeinte) Ansetzung einer Volksabstimmung über das Diktat aus Brüssel die politische Krise verschärfte, sei die Opposition endlich mit an den Tisch gezwungen worden, hatte der scheidende Premier unmittelbar vor seinem Rücktritt am Mittwoch erklärt. Tatsächlich wären der Nea Dimokratia Neuwahlen lieber gewesen als die jetzt ausgehandelte, hochtrabend »Regierung zur Nationalen Rettung« genannte Koalition von Brüssels Gnaden. Allen Umfragen zufolge hätte die Nea Dimokratia solche nämlich gewonnen. Die Beteiligung an der Umsetzung des Schuldenschnitts dagegen wird das Credo von Oppositionsführer Antonis Samaras, er wäre der richtige Mann für harte Nachverhandlungen, Lügen strafen.
Wahlen hatte man in Brüssel nicht gewollt. Schnell sollte es gehen, damit »die Finanzmärkte wieder Vertrauen fassen«. Und für alle Fälle stellte EU-Kommissar Olli Rehn den griechischen Stadthaltern bereits am Montag ein Ultimatum. Sowohl die fälligen acht Milliarden der bereits bewilligten Kredite als auch neue Gelder werde es nur geben, wenn der scheidende Ministerpräsident, der neue Premier und der nun eingebundene Oppositionschef sich schriftlich verpflichten, alle bisher getroffenen Übereinkünfte ohne Abstriche zu erfüllen.
Unterschrieben wird diese das Land auf Jahrzehnte bindende Verpflichtung von einer Regierung, die niemand gewählt hat. Sie entstand vielmehr auf maßgebliche Initiative eines Kabinetts, das selbst unter Vorspiegelung falscher Tatsachen an die Macht gekommen war. Er werde den Wirtschaftsmotor des Landes mit moderaten Lohnerhöhungen und Staatsinvestitionen ankurbeln, hatte Papandreou im Wahlkampf 2009 versprochen, um, kaum im Amt, dem Land das brutalste Austeritätsprogramm aufzudrücken, das Griechenland je erlebt hat.
Bis zu einer Rückkehr zur regulären parlamentarischen Demokratie kann nun beliebig viel Zeit vergehen. Denn Papadimos hat die Übernahme des Amtes von der Rücknahme des Wahltermins am 19. Februar nächsten Jahres abhängig gemacht.
Die rechtsextreme Juniorpartnerin der beiden großen bürgerlichen Parteien wird diese Zeit zur Förderung ihrer rassistischen Ziele nutzen. Eine Nichterfüllung der vom Vorsitzenden der LAOS-Partei sogleich aufgestellten Forderung nach Rücknahme des Einbürgerungsgesetzes für Migranten wird Giorgos Karatzaferis dabei sicher nicht in die Opposition treiben. Denn um Wählerstimmen im längst auch in Griechenland in der gesellschaftlichen Mitte angekommenen »rechten Rand« läßt sich aus der »Regierungsverantwortung« heraus besonders erfolgreich werben.
Nur die Kommunistische Partei Griechenlands, KKE, und die Linksallianz SYRIZA sprachen einer Übergangsregierung auch am Donnerstag erneut jede Legitimität ab und forderten sofortige Neuwahlen.
Quelle: www.jungeelt.de vom 11.11.11
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