Wolfgang Huste Polit- Blog

Florida-Wulff. Deutsche Leistungsträger. Von Arnold Schölzel

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Mit dem bisher jüngsten Bundespräsidenten ist eine neue Mentalität ins Schloß Bellevue eingezogen: Wir sind Leistungsträger, also können wir uns alles leisten. Von Wulff stammt der Satz bei »Friedman« in der Debatte über hohe Managergehälter 2008: »Ich finde, wenn jemand zehntausend Jobs sichert und Millionen an Steuern zahlt, gegen den darf man keine Pogromstimmung verbreiten«. Das ist Wulffs – Feriengast von Drückerkolonnenchef Maschmeyer und ProChrist-Evangelikaler – Ein-Punkt-Programm: Aufstieg heißt, die da oben verteidigen, nach unten treten.

In einer Gesellschaft, in der die höchsten Prämien für die Herbeiführung von Massenarbeitslosigkeit und nicht für den Erhalt von Jobs gezahlt werden, sind Sätze wie die Wulffs ein Zynismus, der den der Verhältnisse komplettiert. Wulff repräsentiert eine sogenannte Elite, die Gier für Leistung ausgibt und Gleichgültigkeit gegenüber Verelendung als Sozialpolitik. Es sind Aufsteiger wie er, die den Kampf gegen Armut als Kampf gegen Arme führen und die aus ihrem parasitären Status bei den Betuchten der Republik keinen Hehl machen. Wulff unterzeichnete am 25. März rückwirkend zum Jahresbeginn die sogenannte Hartz-IV-Reform, die jeden Betroffenen mit fünf Euro verhöhnt und das Bundesverfassungsgericht, das eine erhebliche Leistungserhöhung verlangt hatte, gleich mit. Die Nähe zur »guten« Gesellschaft vermarktet er über die einschlägige Presse. Da ist er Vorbild: Wenn der Berliner Justizsenator Michael Braun zurücktritt, weil er das Absahnen und Abzocken etwas übertrieb, dann ändert das nichts am Vertrieb von Schrott­immobilien mit Hilfe williger Notare. Mit dem Skandal, daß nach Aussagen von Verbraucheranwälten allein in Berlin mehrere Dutzend solcher Mitternachtsbeurkunder tätig sind, befassen sich weder Medien noch die aufsichtführende Justiz. Herr Braun, das Kampagnenopfer, kassiert fast 60000 Euro Übergangsgeld – 5000 Euro pro Tag im Amt. Leistung muß sich wieder lohnen. Gesetze sind für diesen Typus, der nun auch in der Linkspartei auftaucht, bestenfalls ein Mittel zum Zweck bei der ganz privaten Umverteilung von unten nach oben: Rechtsförmig muß es aussehen, alles andere regelt der Medienverbund, der einen hoch- oder runterschreibt.

Das hat bei Herrn Guttenberg gut funktioniert, nicht zuletzt, weil die Staatsanwaltschaft zu überraschend flexibler Gesetzesauslegung zugunsten des Betrügers fähig war. Auch das gehört zur »Leistungselite«: Die Justiz hat noch nie die Hand gebissen, die sie füttert. Als »Florida-Wulff« vor zwei Jahren wegen der kostenlosen Sitzplatzhöherstufung beim Flug in die US-Villa seines heimatlichen Millionärsfreundes Geerken befragt wurde, erklärte er im niedersächsischen Landtag: Objektiv liege eine Vorteilsnahme vor, aber nicht subjektiv. Für deutsche Staatsanwälte reicht das. Wird einer aber den »Freunden« da oben zu lästig, kommt der Abstieg sofort.

Quelle: www.jungewelt.de vom 14.12.11

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 14. Dezember 2011 um 15:10 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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Ein Kommentar

  1. Wulff ist Teil der dummdreisten Mischpoke«. Der Bundespräsident gerät wegen dubioser Kontakte zur Geschäftswelt zunehmend ins Zwielicht. Ein Gespräch mit Manfred Sohn. Interview: Peter Wolter

    Manfred Sohn ist Vorsitzender der Linksfraktion im niedersächsischen Landtag

    Bundespräsident Christian Wulff soll in seiner Amtzeit als niedersächsischer Ministerpräsident dem Landtag eine geschäftliche Beziehung verschwiegen haben – was sagt denn die Fraktion der Linkspartei dazu?
    Wulff ist schon seit langem eng mit dem finanziellen und wirtschaftlichen Establishment dieser Republik verwoben. In diesem Fall handelt es sich um einen Kredit über 500000 Euro, den ihm die Gattin eines Unternehmers gegeben hatte. Zu einem Zinssatz von nur vier Prozent! Er redet sich jetzt damit heraus, es sei ein Privatkredit und keine geschäftliche Beziehung gewesen. Diese Begründung sieht Wulff ähnlich – er ist eng verquickt mit dem Establishment dieser Republik. Und als gelernter Jurist ist er immer sorgfältig darauf bedacht, nicht erwischt zu werden, wenn seine Beziehungen zu eng werden.

    Gab es auch andere Beziehungen dieser Art?
    Wulff ist Teil der dummdreisten Mischpoke, die sich in der Politik herauskristallisiert hat. Da gehört es einfach dazu, daß man sich von den wirklich Mächtigen in Fe­rienhäuser oder auf die Privatyacht einladen oder private Flugreisen sponsern läßt. Ich vermute, man kann in dieser Republik gar nichts werden, wenn man nicht bereit ist, Teil dieser Mischpoke zu werden.

    Er war auch Teil des Komplotts, mit dem die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland zerschlagen und teilweise durch diese unseligen Riester- und Rürup-Modelle ersetzt wurde. Dadurch wurden Milliardensummen auf die Konten von Vermögensberatern und privaten Lebensversicherern umgeleitet. Einer der Hauptprofiteure ist der Hannoveraner Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer – ein Duzfreund des Bundespräsidenten. Meine Fraktion hat das im Landtag mit mehreren Kleinen und einer Großen Anfrage thematisiert. Gegen Maschmeyer wird jetzt übrigens in Österreich wegen Betruges ermittelt.

    Inwiefern war Wulff Teil dieses Komplotts?
    Er war damals nicht nur niedersächsischer Ministerpräsident, sondern auch stellvertretender CDU-Vorsitzender. In der Zeit vor und während der Großen Koalition hat er entscheidend mit dazu beigetragen, die gesetzliche Rentenversicherung sturmreif zu schießen.

    Meiner Meinung nach muß er umgehend als Bundespräsident zurücktreten. Das ist schließlich ein Amt, in dem es um die persönliche Integrität geht – und die hat Wulff nie besessen. Aus dieser Affäre kann man sich nicht mehr mit juristischen Spitzfindigkeiten herausreden, wie er es jetzt versucht. Wulff sollte sich selbst die Frage stellen, ob er als Bundespräsident noch tragbar ist.

    Dubiose Kontakte und anrüchige Geschäftsverbindungen scheinen mittlerweile bei vielen Politikern zum Markenzeichen geworden zu sein. Hat sich da ein neuer Politikstil herausgebildet?
    Die politische Kaste in Deutschland zeichnet sich zunehmend durch ihre dreiste Unverschämtheit aus. Im Landtag hatten wir kürzlich den Rücktritt eines CDU-Abgeordneten, der dabei erwischt worden war, daß er über Facebook einer 15jährigen gegenüber sexuell aufdringlich wurde. Der versuchte sich doch tatsächlich damit herauszureden, das sei doch gar nicht justitiabel – er habe sich mit dem Mädchen schließlich nicht verabredet! Er wurde trotzdem von seiner Partei zum Rücktritt gedrängt – sie fürchtete nämlich den Verlust von Wählerstimmen. Vor wenigen Tagen hatte eine andere CDU-Abgeordnete sogar die Stirn, sich in einer Landtagsrede fremdenfeindlich zu äußern. Als ihr deswegen Vorhaltungen gemacht wurden, reagierte sie nur mit einem Schulterzucken.

    Beobachten Sie diesen Politikstil vorwiegend in Niedersachsen?
    Ich fürchte, daß es kein niedersächsisches, sondern ein gesamtdeutsches Phänomen ist. Da braucht man z. B. nur nach Hessen zu schauen, wo Steuerfahnder gemobbt und aus dem Dienst entfernt wurden, weil sie penibel darauf geachtet hatten, daß auch die Reichen ihrer Steuerpflicht nachkommen.

    Quelle: http://www.jungewelt.de ovm 14.12.12

    Comment: Huste – 14. Dezember 2011 @ 15:12

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