Wolfgang Huste Polit- Blog

»Zuständige müssen Zivilcourage zeigen«. Auch Bundeskanzlerin Merkel sollte in Dresden mitdemonstrieren. Ein Gespräch mit Gesine Lötzsch Interview: Markus Bernhardt

Tags:

Neofaschisten wollen am 13. Februar erneut in Dresden aufmarschieren, um den Jahrestag der Bombardierung der Stadt durch die Alliierten im Jahr 1945 für ihre Propaganda von einem »Bombenholocaust« auf die Zivilbevölkerung zu mißbrauchen. Werden Sie sich an den Massenblockaden beteiligen, die das Bündnis »Nazifrei – Dresden stellt sich quer!« wieder plant?
Wir sind Zeuge des größten Verfassungsschutzskandals in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Verfassungsschutz hat gezeigt, daß er unsere Verfassung nicht schützt, sondern gefährdet. Er hält die Naziszene mit Steuergeldern am Leben. Gegen die verfassungsfeindliche NPD und ihr terroristisches Umfeld hilft nur das Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger, die friedlich zeigen, daß sie die Nazis weder in Dresden noch in einer anderen Stadt dulden wollen. Ich werde mich in Dresden an den friedlichen Blockaden gegen Nazis beteiligen. Ich bin dabei und weiß, daß viele Mitglieder meiner Partei und auch der anderen demokratischen Parteien in Dresden dabei sind. Ich habe die Kanzlerin gefragt, ob sie sich an der Demonstration in Dresden beteiligt. Eine Antwort steht noch aus. Ich will daran erinnern, daß am 8. November 1992 über 350000 Menschen in Berlin gegen fremdenfeindliche Gewalt auf die Straße gingen. Dabei waren: Richard von Weizsäcker, Rita Süssmuth, Helmut Kohl, mehrere Bundesminister, alle Regierungschefs der Länder – nur die CSU hatte sich verweigert. Es ist an der Zeit, daß wieder einmal die Zuständigen Zivilcourage zeigen.

Im vergangenen Jahr sind Polizei und Justiz massiv gegen die antifaschistischen Blockierer vorgegangen. So wurden über eine Millionen Handydaten gespeichert, es laufen noch immer Ermittlungen nach Paragraph 129 (»Bildung einer kriminellen Vereinigung«), und die Nazigegner wurden mit Pfefferspray, Schlagstöcken und Wasserwerfern malträtiert. Für dieses Jahr hat Dresdens Polizeipräsident Dieter Kroll bereits angekündigt, weiterhin auf die Speicherung von Handydaten setzen zu wollen. Außerdem wolle er nicht nur »einfache körperliche Gewalt« gegen Blockierer, sondern auch Wasserwerfer, Räumpanzer und andere »Hilfsmittel« einsetzen lassen. Wie bewerten Sie diese staatliche Eskalationsstrategie?
Es ist ein unglaublicher Skandal, wie Polizei, Justiz und Geheimdienst ihre ganze Kraft auf die systematische Bekämpfung von Antifaschisten konzentrieren. Hier wird ein Kampf gegen den Aufstand der Anständigen geführt. Ich erwarte, daß der sächsische Ministerpräsident endlich den Polizeipräsidenten zur Ordnung ruft. Die Verfolgung von Antifaschisten ist besonders empörend, wenn gleichzeitig Polizei, Justiz und Geheimdienst zehn Jahre nichts unternommen haben, um die braune Mörderbande und ihre Kumpanen zu verfolgen. Sie sind nicht auf dem rechten Auge blind. Nein, sie schauen zu und lassen die verfassungsfeindliche NPD gewähren.

Erst im Januar dieses Jahres hat der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) betont, daß Antifaschismus »nicht die richtige Antwort« sei, um gegen den erstarkenden Neofaschismus vorzugehen. Warum hat in Sachsen trotz der Enthüllungen über Verstrickungen von Inlandsgeheimdiensten in den Terror des Neonazinetzwerkes »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) kein Umdenken bei den politischen Entscheidungsträgern stattgefunden?
Die CDU-Vorsitzende Merkel muß jetzt eingreifen. Sie muß ihre Parteifreunde ins Gebet nehmen. Die Christlich Demokratische Union muß sich auf ihre wenigen antifaschistischen Traditionen besinnen.

Der Historiker Wolfgang Wippermann konstatiert, daß Sachsen das »rechtskonservativste und unfreieste Bundesland der Republik« ist und im Freistaat Dinge geschehen, die sich nicht einmal George Orwell habe vorstellen können. Teilen Sie diese Einschätzung?
Das Besorgniserregende ist, daß wir in der ganzen Gesellschaft einen Rechtsruck erleben. Der Neoliberalismus der vergangenen 20 Jahre hat die Gesellschaft entsolidarisiert und entdemokratisiert. Das neoliberale Modell wird gerade von der Kanzlerin auf Europa übertragen. In Griechenland können wir die ersten Ergebnisse dieses lebensbedrohlichen Experiments beobachten. Diese Politik stärkt faschistische Parteien in ganz Europa, weil sie Nationalismus und Rassismus befördern. Die Linke will dem Neoliberalismus mit mehr Solidarität und mehr Demokratie entgegentreten. Nur das kann die richtige Antwort für ein Europa mit Zukunft sein.

Quelle: www.jungewelt.de vom 10.02.12

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 10. Februar 2012 um 09:23 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

«  –  »

Keine Kommentare

No comments yet.

Sorry, the comment form is closed at this time.

Kategorien

über mich

antifaschismus

Linke Links

NGO Links

Ökologie

Print Links

Archive

Sonstiges

Meta

 

© Huste – Powered by WordPress – Design: Vlad (aka Perun)