Wolfgang Huste Polit- Blog

»Der Veranstalter weiß nicht, mit wem er es zu tun hat«. Kreativworkshop mit Neofaschisten in Dortmund – gefördert vom Bundesfamilienministerium. Ein Gespräch mit Utz Kowalewski. Interview: Gitta Düperthal. Utz Kowalewski ist Fraktionsvorsitzender der Linkspartei im Dortmunder Stadtrat

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Trotz massiver Proteste beabsichtigt das Bundesfamilienministerium weiterhin, einen Workshop mit Neonazis unter dem Titel »Dortmund den Dortmundern« zu fördern. Ist damit das gemeint, was Kritiker auch als »Glatzenpflege« bezeichnen?
Die gemeinnützige Multilateral Academy GmbH soll Jugendliche aus sogenannten bildungsfernen Schichten mit ausgebildeten Neonazikadern konfrontieren – was wir mehr als naiv finden. In Dortmund gab es in den vergangenen zehn Jahren fünf politisch motivierte Morde, aus der rechtsextremen Szene heraus begangen; unter den Opfern waren drei Polizisten. Der Punker Thomas Schulz mit Spitznamen »Schmuddel« wurde 2005 umgebracht. Kürzlich erst bekanntgeworden ist der Mord an einem türkischen Kioskbesitzer in der Nordstadt durch die Zwickauer Terrorzelle.

Vor diesem Hintergrund ist allein die Idee verwerflich, Jugendliche in eine Situation bringen zu wollen, in der sie mit Neonazikadern diskutieren. Meiner Auffassung nach ist es gleichgültig, ob diese Debatte von Wissenschaftlern oder Sozialpädagogen moderiert wird oder nicht – diese Jugendlichen sind extrem gefährdet.

In Internetforen der Rechtsextremen soll über dieses von Kristina Schröder geförderte Projekt Begeisterung herrschen. Was kann es im negativen Sinn bewirken?
Auf der Internetseite des Bundesfamilienministeriums heißt es: Ziel sei »die Realisierung eines didaktisch-methodischen Konzeptes zur Stärkung demokratischer Jugendlicher in der Auseinandersetzung mit rechtsextremen Gruppen«. Ein solches Konzept ist eine Blamage, denn man nimmt die Neonazis ernst, hält sie einer »Auseinandersetzung« für würdig und vermittelt ihnen das Gefühl der Akzeptanz. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß die Jugendlichen aus einer solchen Auseinandersetzung gestärkt hervorgehen. In Dortmund gibt es eben diese aktive und gewaltsame Neonaziszene, die im Zweifelsfall auch »Hausbesuche« macht, falls diese Jugendlichen sich als gefestigte Antifaschisten erweisen sollten. Im Stadtteil Dorstfeld wurden sogar ganze Familien verfolgt – die aus Angst die Stadt verlassen mußten.

Ist bekannt, welche demokratisch orientierten Jugendlichen diesen Rechtsradikalen zum Fraße vorgeworfen werden sollen – Jusos, die Grüne Jugend oder die Jugendorganisation der Linken, Solid, würden vermutlich nicht mitwirken?
Wohl kaum. Aus Sicht der Neonazis sind diese Jugendlichen bereits als besonders verfolgenswert bekannt. Woher die bedauernswerten Gesprächspartner kommen sollen, die man mit Neonazis konfrontieren will, weiß ich nicht. Abstrus ist, daß man behauptet, diese Jugendlichen würden aus einem solchen Prozeß der Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen gefestigt herausgehen und merken, wie schrecklich Neonazis sind.

Mein Eindruck ist, daß der Veranstalter offenbar überhaupt nicht weiß, mit wem er es da zu tun hat. Es gibt hier Leute der Neonaziszene, die eine akademische Ausbildung haben und so ein Projekt als willkommene Chance betrachten, Jugendliche zu agitieren. So ein Experiment wollte das Bundesfamilienministerium anfänglich mit 300000 Euro fördern; nachdem Kritik laut wurde, ist nur noch von 150000 Euro die Rede. Die Stadt Dortmund hat sich aus dem Projekt zurückgezogen. Auf unsere Anfrage hieß es, sie sei wegen einer Mitwirkung angefragt worden. Es habe aber keine Zusage gegeben, weil das Projekt inhaltlich nicht überzeuge.

Der Projektträger will jetzt den Ablauf dieses Workshops verändern – was konkret?
Laut der Bochumer Stadt- und Studierendenzeitung hat dessen Geschäftsführer Benedikt Stumpf mitgeteilt: Die Academy entwickle ein neues Konzept, sie werde möglicherweise eine Ausstellung organisieren, in der die Neonazis ihre Projektergebnisse präsentieren können.Wir und viele andere demokratische Organisationen bemühen uns seit Jahren Neonazipropaganda aus dem Stadtbild zu entfernen – und das Bundesfamilienministerium will sie mit einer Ausstellung aufwerten. Na, schönen Dank!

Quelle: www.jungewwlt.de vom 22.02.12

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 22. Februar 2012 um 17:34 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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