Wolfgang Huste Polit- Blog

Trauerfeier für Genosse Jakob Moneta in Köln. Ein Bericht von Horst Hilse

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Für den am 03. März verstorbenen Genossen Jakob Moneta fand am Mittwoch, dem 28. März eine würdige ergreifende Trauerfeier im Köln-Ehrenfelder Bürgerzentrum statt.
Durch Einsatz moderner Medien wurde sein Lebensweg von dem jüdischen Realgymnasium, der „Jawne“ in Köln über die Auseinandersetzungen mit den Nazis, seine Arbeit als Apfelsinenkistenbauer in einem palästinensischen Kibbuz lebendig dargeboten.
Dabei erzählte er die Stationen seines Lebens selbst in Form eines 2006 aufgenommenen Interviews, das in Ausschnitten vorgeführt wurde. Er berichtete von einer Streikorganisation für den 8-Stundentag, die zum Rauswurf aus dem Kibbuz führte, seinem Bruch mit dem Zionismus sowie von der Gründung der einzigen jüdisch-arabischen Gewerkschaft. Schließlich über seine Rückkehr nach Deutschland, seine Tätigkeit an der Pariser Botschaft , die er mit aktiver Unterstützung des antikolonialen algerischen Kampfes um die Unabhängigkeit verknüpfte und dann über seine Arbeit für und in der deutschen IG-Metall unter der Leitung Otto Brenners.

Christoph Jünke hielt einen inhaltsreichen Vortrag und beleuchtete anhand eines 1952 von Jakob verwendeten Zitats über das Schweizer Fondue-Essen als Artikeleinleitung das anthropologische Verständnis dieses Sozialisten. Bereits damals in Auseinandersetzung mit dem neoliberalen Theoretiker Eucken verwies Moneta in diesem Artikel darauf, dass ein Massenkonsum unter kapitalistischen Bedingungen keineswegs das Glück der Menschen, sondern deren Vereinsamung und Konkurrenzverhalten befördere. Denn eine Vergesellschaftung des Menschen finde dabei in keiner Weise statt. Damit hatte Christoph den „Roten Faden“ in Jakobs Denken aufgespürt, der immer von der Betroffenheit des einzelnen durch gesellschaftliche Verhältnisse ausging.
In dieser Zeit der 50er Jahre trafen sich Jakob Moneta, Ernest Mandel und Leo Kofler häufig in einer Wohnung am Brüsseler Platz in Köln und diskutierten die theoretischen Probleme des Sozialismus. Sie hofften damals alle drei, dass die deutsche Arbeiterbewegung an die abgebrochene deutsche Revolution von 1919 anknüpfen würde und diesmal mit der Demokratisierung der Gesellschaft ernst machen würde. Diese Erwartung teilten sie damals mit vielen anderen, als in mehreren Volksabstimmungen die Enteignungsmöglichkeit in Landesverfassungen Eingang gefunden hatte und eine starke Bewegung gegen die Remilitarisierung die Arbeiterschaft mobilisierte. Die Chancen blieben jedoch ungenutzt und schließlich stimmte die SPD als einflussreichste Organisation der Gründung der Bundeswehr sogar zu.
Jahrzehntelang war die Tätigkeit radikaler Sozialisten auf die Stärkung linker Zirkel zurückgeworfen. Viel, viel später, nach der deutschen Wiedervereinigung suchte Jakob Moneta nach der Gründung der PDS den Kontakt zu dieser Organisation und trat dort als Redner auf.
Daraufhin wurde ihm nach über 40jähriger SPD-Mitgliedschaft mit einem dreizeiligen Schreiben mitgeteilt, dass er aus der SPD ausgeschlossen sei. Es gab keinerlei Anhörung oder eine Erörterung der Gründe. Dies veranlasste Jakob zu einem mehrseitigen Brief an den Parteivorstand, wo er Vergleiche der Verfahrensweise mit dem Vorgehen stalinistischer Parteien Osteuropas anstellte und nie eine Antwort darauf erhielt. Jakob liess sich durch diese vielfachen Niederlagen nie in die Resignation treiben. Als Mitglied des „Bundes“ einer ehemals bedeutenden jüdischen Arbeiterorganisation mit ihrem Schwerpunkt in Polen und Russland, gehörte Jakob einer Strömung des europäischen Sozialismus an, die sich große Verdienste im Kampf gegen den Zarismus und den osteuropäischen Adel erworben hatte. Aufgerieben und zerstört von Reaktion und Stalinismus sind viele Impulse dieser Organisation noch unerforscht. Auch hier liegt sicherlich eine Kraftquelle, die den mit Selbstironie gepaarten unerschütterlichen Charakter Jakobs formte. (*)
Den ca.80 versammelten Personen der Gedenkfeier sang Jakob persönlich in einer Tonaufnahme das Lied vor.
Lied des Bundes

Sol sajn, as ich boj in der luft majne schlesser.
Sol sajn, as majn got is in ganzen nischt do.
In trojm wet mir lajchter, in trojm wet mir besser,
in trojm is der himl mir blojer wi blo.

Sol sajn, as ich wel majn zil nischt derlangn.
Sol sajn, as majn schif wet nischt kumen zum bschjeg.
Es gejt nischt indejm, ich sol hobn dergangn,
es gejt nor zu gejn oif dem sunikn weg

Der als Redner vorgesehene Winfried Wolf war leider an der privatisierten Bahn gescheitert und mit einem defekten Zug auf der Strecke geblieben. Somit wurde ein wichtiger Teil der Tätigkeit Jakobs als Mitglied der 4. Internationale auf der Veranstaltung nicht ausführlicher behandelt.
Angela Klein stellte dann in ihrem Beitrag die Frage nach dem Ursprung der unerschütterlichen Überzeugung Jakobs, dass die Menschen in der Lage seien, ein freies Zusammenleben ohne Konkurrenz zu organisieren. Jakob hatte diese Frage selbst einmal beantwortet und wurde nun von Angela zitiert. Es sei seine Erfahrung im Kibbuz gewesen, die ihm die praktische Durchführbarkeit eines Lebens jenseits der Marktkonkurrenz vor Augen geführt habe.
Sie verwies darauf, dass Jakobs Denken immer wieder um diese Frage der freien Selbstorganisation der Menschen gekreist war und Jakob dazu intensiv die russische Machno-Bewegung, sowie brasilianische Volkskulturen des 17.Jhts. studiert hatte.
Hier lag auch seine Affinität zu den Fragen der Befreiungstheologie, der er sich intensiv widmete und damit bei seinen Genoss/innen oftmals ein Kopfschütteln hervorrief. Ein Ausfluss dieser Beschäftigung war in den 80er Jahren in das dem damaligen Arbeits- und Sozialminister Blüm (CDU) gewidmete Büchlein „Herz-Jesu Marxist oder politischer Propagandist?“ eingegangen.
Nach dem Vortrag von Angela Klein war das „offene Mikrofon“ für weitere Beiträge eröffnet.
Günther Wallraff schilderte, wie sich anfangs der 70er Jahre in einem längeren Gespräch mit Jakob die Pläne für die Aufnahme von Industriereportagen verdichteten. Ursprünglich war dieses Projekt als längere Artikelserie in der Metallzeitung angelegt. Aber dies führte im Hauptvorstand regelmäßig zu heftigen Konflikten und Auseinandersetzungen. Die Geschäftsleitung der Kieler Howaldtswerke wandte sich in einem persönlichen Brief an den IG-Metallvorsitzenden und bat um Unterbindung der ständigen Verleumdungen.
Gemeinsam mit Otto Brenner hatte die IG-Metall als einzige Gewerkschaft der westlichen Welt eine internationale Konferenz mit namhaften Gewerkschaftern aus Ost- und Westeuropa geplant als mitten in den Vorbereitungen Otto Brenner starb und durch den weniger konfliktorientierten Eugen Loderer ersetzt wurde. Damit waren die eher linken Projekte nicht mehr zu halten. Günther Wallraff machte seine „Ermittlungen in der Arbeitswelt“ nun nicht mehr im IG – Metallauftrag und Jakob Moneta verließ den Gewerkschaftsvorstand.
Der derzeitige Kölner Metallvorsitzende Rossmann schilderte anschließend seine ersten Erfahrungen mit Jakob, als er selbst noch als Student an der Marburger Uni bei Abendroth studierte.
Manuel Kellner überbrachte Grußbotschaften des Bildungsvereins SALZ, wo Jakob ebenfalls engagiert war, sowie von der NRW- Fraktion DIE LINKE.
Helmut Wendler schilderte seine Begegnung mit Jakob Moneta im Rahmen einer Konferenz der 4.Internationale, wo Jakob als Übersetzer fungierte. Ihm fiel auf, dass dieswer in den Debatten und den verschiedenen Standpunkten derart verwurzelt und eingearbeitet war, dass er zum Erstaunen vieler, die Übersetzung bereits beendet hatte, als der Redner, den er dolmetschte, noch die restlichen Worte sprach. Helmut erinnerte daran, dass die in den 60er Jahren betriebene Solidaritätsarbeit mit dem Befreiungskampf Algeriens nicht ungefährlich war und vielen Algeriern sowie auch ihren Unterstützern das Leben kostete.
Erfreulicherweise war auch der ehemalige 1. Bevollmächtigte der kölner IG-Metall, Walter Malzkorn unter den 80 Teilnehmer/innen der Gedenkveranstaltung. Er dürfte sich gefreut haben, dass die überwiegende Anzahl der Redner des offenen Mikrofons aus ehem. Funktionären der kölner IG-Metall stammte.
Die gelungene Gedenkveranstaltung endete mit dem gemeinsamen Gesang der „Internationale“ der Versammelten.

(*) Anmerkung
1897 wurde in Wilna der »Bund« gegründet, der Allgemeine Jüdische Arbeiterbund für Litauen, Rußland und Polen. Dies waren die Anfänge der jüdischen Arbeiterbewegung in Russland und Polen. Viele russische und polnische Revolutionäre und viele antifaschistische Partisanenkommandeure stammten aus den Reihen des Bundes, dessen Geschichte in weiten Teilen noch unerforscht ist.

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 31. März 2012 um 14:06 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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