Wie kann man Neonazis und Rassismus im Alltag entgegentreten? Welche Möglichkeiten gibt es, aktiv zu werden? Um diese und andere Fragen soll es an diesem Wochenende beim 22. Antirassistischen und antifaschistischen Ratschlag Thüringen in Gotha gehen. Daß sich Aktive aus Vereinen, Gewerkschaften, Parteien und Interessierte wie jedes Jahr in einer Schule treffen können, haben sie allerdings dem Einlenken der Stadt Gotha zu verdanken, wie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) jW informierte. Der Landrat des Landkreises Gotha, Konrad Gießmann (CDU), hatte das Anliegen zuvor abgewehrt.
Gießmann begründete seine schriftliche Ablehnung gegenüber den Organisatoren mit dem Thüringer Schulgesetz. Danach sei in Bildungseinrichtungen »Werbung für politische Parteien und Gruppierungen grundsätzlich nicht zulässig«. Weiter schreibt der Landrat: »Da, wie Sie darlegen, der Antirassistisch-antifaschistische Ratschlag eine lose Vereinigung verschiedener, durchaus politisch tätiger Gruppen darstellt, können weder Schulleitung noch Schulträger gewährleisten, daß die gesetzliche Verpflichtung zur Neutralität tatsächlich abgesichert ist.« Nach eigenem Ermessen dürften die Schulen dabei nicht entscheiden, »selbst wenn es sich um so unterstützenswerte Anliegen handelt, wie die Aufklärung junger Menschen vor den Gefahren des politischen Extremismus von rechts«, so Gießmann.
Als der Landrat sich auf weitere Anfragen nicht gesprächsbereit zeigte, wie aus den Unterlagen, die jW vorliegen, hervorgeht, hakte die linke Abgeordnete Karin Kaschuba im September im Thüringer Landtag nach. Staatssekretär Roland Merten widersprach Gießmanns Auffassung jedoch. Zwar schließe das Schulgesetz parteipolitische Werbung aus, merkte er laut Sitzungsprotokoll an. »Damit sind jedoch keineswegs jegliche Veranstaltungen mit gesellschaftspolitischem Inhalt gemeint.« Der »Ratschlag« falle schon deshalb nicht unter das Verbot, »weil er außerhalb der Unterrichtszeit stattfinden soll«, so Merten.
Das »grüne Licht« der Landesregierung nahmen die Initiatoren zum Anlaß, den Landrat am 10. Oktober erneut um ein Gespräch zu bitten. Dies habe Gießmann allerdings »mit wenigen Worten abgelehnt«. »Eine solche Blockade ist in 22 Jahren einmalig«, konstatierte Rolf Düber vom Organisationsteam in einer Pressemitteilung. »Schließlich findet der Ratschlag seit 1991 in Schulgebäuden statt. Außerdem waren wir bereits im Jahr 2004 in Gotha zu Gast«, blickte er zurück. Es sei »politisch fatal, daß ein Jahr nach der Aufdeckung der NSU-Morde in Thüringen diejenigen ausgebremst werden, die sich gegen rechts engagieren«. Düber erinnerte auch daran, daß Neonazis bereits den Gothaer Kreistag »erobert« hätten. So sitze dort mit Sebastian Reiche ein NPD-Funktionär, der für seine Aktivitäten im rechtsradikalen »Thüringer Aktionsbüro« und im »Thüringer Heimatschutz« sowie seine Verbindungen zum in Haft sitzenden mutmaßlichen NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben bekannt sei.
Für den Landrat ist das kein Grund zum Einlenken. Auf jW-Nachfrage untermauerte Gießmann seine Ablehnung in einer schriftlichen Mitteilung. Und begründete: »Wer nicht in die Verlegenheit kommen will, nationale Kameradschaftsabende in eigenen Räumen zulassen zu müssen, weil sich Bundespolitiker nicht auf ein NPD-Verbotsverfahren einigen können, kann andererseits nicht Schulen für antifaschistische Ratschläge freigeben«,
Der Thüringer Ratschlag kann nun trotzdem in Gotha stattfinden. Die Stadtverwaltung hat kurzfristig Räume in der Andreas-Reyher-Schule zur Verfügung gestellt. Am morgigen Samstag werden dort ab 10 Uhr 16 Workshops zu Neonazistrukturen, Rassistischer und gruppenbezogener Ausgrenzung aber auch zum Thema Feminismus angeboten. Am heutigen Freitag abend findet bereits ein Mahngang zur Erinnerung an die Reichspogromnacht im November 1938 statt. Treffpunkt ist 17 Uhr am Gothaer Bahnhof.
Quelle: www.jungewelt.de vom 02. November 2012
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