Ein Jahr nach Entdeckung der faschistischen Terrorzelle NSU haben parlamentarische Untersuchungsausschüsse von Bund und Ländern aufgrund der Vertuschungsversuche von Verfassungsschützern den Sumpf aus Neonazis und Geheimdiensten noch nicht einmal annähernd aufklären können. Schon jetzt zeichnet sich allerdings deutlich ab, daß Verfassungsschutzämter über ihre V-Leute eng an den drei Neonazis Uwe Bönhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe dran waren, ohne daß es zu einem polizeilichen Zugriff auf die Gesuchten kam.
Als ein Schlag ins Gesicht der NSU-Opfer muß hier die Feststellung von Bundesverfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen wirken, wonach V-Leute unverzichtbar sind und der Geheimdienst als Konsequenz aus seinem Versagen mehr Kompetenzen erhalten soll. Während V-Leute nicht in die im September 2012 eingerichtete Verbunddatei Rechtsextremismus von Polizei und Geheimdiensten aufgenommen werden sollen, plant Maaßen ein zentrales Register aller V-Leute der Verfassungsschutzämter, die innerhalb der Naziszene eingesetzt werden. (…)
Doch nicht fehlende Koordination zwischen den Geheimdiensten von Bund und Ländern beim Spitzeleinsatz, sondern das V-Leute-Unwesen an sich ist das Problem. Denn die Verfassungsschutzämter haben die Naziszene über ihre V-Leute seit Jahrzehnten personell und finanziell gestärkt.
So erklärte etwa der fast 40 Jahre für den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz tätige V-Mann Wolfgang Frenz gegenüber dem Magazin Stern, mit Zustimmung des NPD-Parteivorstandes in NRW für den Geheimdienst gearbeitet zu haben, um die Spitzelhonorare für den Parteiaufbau zu nutzen. (…)
V-Leute haben manche Naziorganisationen erst gegründet. So führte der für seine Agententätigkeit vom Thüringer Verfassungsschutz in den 90er Jahren mit rund 200000 Mark entlohnte Tilo Brandt den von ihm gegründeten Thüringer Heimatschutz. (…)
V-Leute haben auch schwere Straftaten einschließlich Brandanschlägen begangen und wurden dabei von den Verfassungsschutzämtern gedeckt. Wie einer Analyse des Bundeskriminalamtes von 1997 zu entnehmen ist, hat der Verfassungsschutz in den 90er Jahren seine Hand schützend über straffällig gewordene V-Leute aus der rechten Szene gehalten. Das BKA wirft in der dem NSU-Untersuchungsausschuß im Bundestag bislang vorenthaltenen aber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel vorliegenden Papier den Geheimdienstmitarbeiter vor, ihre V-Leute vor Durchsuchungen gewarnt zu haben. (…) Die V-Leute, von denen nach BKA-Einschätzung viele »überzeugte Rechtsextremisten« sind, würden aufgrund des Schutzes durch die Verfassungsschutzämter vielfach weder angeklagt noch verurteilt.
Auch kriminelle Aktivitäten von Neonazis wurden von V-Leuten teilweise erst angestiftet. (…)
Nicht die zentrale Erfassung der V-Leute sondern ihre sofortige Abschaltung sollte daher ein Jahr nach Aufdeckung der NSU-Terrorzelle die Konsequenz sein als erster Schritt zur Auflösung des Verfassungsschutzes selber.
Quelle: www.ulla-jelpke.de vom 05. November 2012
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