Über Hans-Peter Friedrich, Oberfranke und Innenminister, kann man vieles behaupten, und das meiste mit Recht. Nur ein gewisses Gespür für Timing, das sollte ihm niemand leichtfertig absprechen: Just ein Jahr nach Ende des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) ging dem obersten Dienstherren der deutschen Inlandsspionage auf, daß von der Linkspartei keine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik mehr droht. Entschlußfreudig, wie der CSU-Politiker ist, stoppte er die Bespitzelung der Partei im November letzten Jahres – »per Erlaß«, wie die Nachrichtenagentur dapd am Mittwoch mitteilte. Nur noch einzelne »extremistische Zusammenschlüsse« in der Partei, die »Kommunistische Plattform« beispielsweise, müssen sich wohl unbeirrt weiter in mentalem Hochverrat üben, denn sie bleiben im Fokus des Verfassungsschutzes. Hier besteht weiterhin erhöhter Bedarf an warnenden Broschüren.
Sind der Inlandsgeheimdienst und sein oberster Dienstherr schlußendlich zur Vernunft gekommen? Wer sich in das Dickicht der deutschen Geheimdienste begibt, landet in einer verqueren Welt: Eine Partei, die zwar mal dieses und mal jenes, garantiert aber nicht den Umsturz aller herrschenden Verhältnisse anstrebt, gilt als Gefahr für die Demokratie; Fraktionen dieser Partei, die keinerlei Einfluß auf ihre politische Willensbildung ausüben, als »extremistisch«.
Und mordende Neonazis, die mit einer Strategie der Spannung auf bürgerkriegsähnliche Zustände hinarbeiten, werden von Verfassungsschutz-V-Männern in konspirative Wohnungen verbracht, von V-Männern mit Sprengstoff versorgt, von V-Männern mit Geld ausgestattet. Verfassungsschützer waren es, die den notorischen Spitzel Tino Brandt stets aus der Bredouille boxten, wenn dieser mal wieder mit leidigen Prozessen zu schaffen hatte; 200000 Mark kassierte der Neonazi obendrein. Beim neunten Mordanschlag des NSU in Kassel im Jahr 2006 war gleich ein Geheimdienstmitarbeiter anwesend – natürlich nur in seiner Freizeit. Und in Erfurt will ein V-Mann aus der Neonaziszene direkt vom Geheimdienst ein Blatt mit Namen von Linken – und dem Auftrag, denen mal »ein paar hinter die Ohren« zu verpassen – in die Hand gedrückt bekommen haben. Dazwischen fuhrwerkt ein Innenminister mit dem Inlandsgeheimdienst herum, als ob dieser seine persönliche Reserve ist, die er mal gegen eine Oppositionspartei im Bundestag in Stellung bringt und mal, nach Gutsherrenart, wieder abzieht.
Wer sich darüber wundert, hat den Namen dieses Geheimdienstes für allzu bare Münze genommen. Doch Desinformation und Operationen unter falscher Flagge gehören zum Metier der Spione, seit es sie gibt. Nur deshalb heißt der Verfassungsschutz »Verfassungsschutz«, und nicht »Reserve fürs Grobe« des geschäftsführenden Ausschusses der herrschenden Klasse.
Quelle: www.jungwelt.de v om 24.01.13
« Linke unter Aufsicht. Verfassungsschutz will Teile der Linkspartei weiterhin bespitzeln. Dresdens Staatsanwaltschaft findet 22 Monate Haft für Antifaschisten nicht ausreichend und legt Berufung ein. Von Markus Bernhardt – Scharfe Kritik an Karlsruher Richtern »
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