Wolfgang Huste Polit- Blog

Ein besorgter Staatsschutz, kein John-Wayne-Staatsanwalt und nichts Neues

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Beim Berufungsprozess gegen 6 Antifaschisten am 21. Februar 2013 am Koblenzer Landgericht sah sich der Chef des Koblenzer Staatsschutzes Frank Thomas besorgt um. Doch diesmal ist es noch mal gut gegangen, denn der eigentlich parallel hätte stattfindende Prozess gegen die Neonazis des Aktionsbüros Mittelrhein fiel aus. Obwohl die Anklage gegen den AB Mittelrhein sich vor allem auf massive und systematische Bedrohung und Angriffe von AntifaschistInnen beruft, legte die Staatsanwaltschaft Koblenz beide Termine fast zeitgleich in das selbe Gebäude!

Beim kommenden Termin des Prozesses gegen die sechs Antifaschisten am 28. Februar wird es jedoch für die Angeklagten und die ProzessbesucherInnen gefährlich, denn dann müssen sie damit rechnen, von den 30-50 Neonazis, die sich dann im selben Gebäude aufhalten, bedroht oder angegriffen zu werden. Schon bei früheren Prozessen kam es zu bedrohlichen Situationen für die ProzessbesucherInnen, die von Nazis des AB Mittelrhein in und vor dem Gerichtsgebäude fotografiert wurden. Der Staatsschutz Koblenz weiß schon länger von den Überschneidungen der Termine, da er bei der Aufklärung der Verbrechen des AB Mittelrhein eine entscheidene Rolle spielt. Die Besorgnis von Polizei und Justiz scheint nur dann zu gelten, wenn es um die Einschränkung von Bürgerrechten oder den Schutz von politischer Prominenz geht. Der Staatsschutz sorgt sich nur zum Schein, aber scheint sich nicht zu sorgen.

Ansonsten gab es beim Prozess gegen die Antifaschisten am 21. Februar nicht viel Neues. Ob die Straftat Landfriedensbruch überhaupt begangen wurde, blieb mehr als fraglich und keinem der Angeklagten konnte diese nachgewiesen werden.

Polizei und Justiz sollten nach dem Bekanntwerden der Dimension des Rechtsterrorismus im November 2011 ihrer Aufgabe nachkommen und den Schutz von Menschen nicht wieder mit Füßen treten. Sie müssen die Sicherheit der ProzessteilnehmerInnen garantieren und dürfen nicht kurze Zeit später wieder so tun, als hätten sie nichts gewusst.

Mehr zu den Prozessen und was hat das zum Teufel mit John Wayne zu tun verraten wir hier!

Solidaritätsgruppe für die kriminalisierten Antifaschist_inn_en von Remagen

c/o Buchladen Le Sabot . Breite Str. 76 . 53111 Bonn

Pressemitteilung: Berufungsprozess gegen Antifaschisten am Landgericht Koblenz

11. Februar 2013
Ende Februar beginnt am Landgericht Koblenz der Berufungsprozess gegen sechs Antifaschist_innen, die wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch angeklagt sind. Vorgeworfen wird ihnen, im Zuge der Proteste gegen den jährlich statt findenden Naziaufmarsch in Remagen, als Teil einer Gruppe Landfriedensbruch begangen zu haben. Im März 2012 wurden diese in einem Prozess ohne konkrete Beweise zu 70 Tagessätzen in unterschiedlicher Höhe verurteilt. Einzig ihre Anwesenheit auf einer Demonstration wurde als Beweis für ihre Schuld genutzt. Die Anklage wegen Körperverletzung wurde fallen gelassen.

Der Prozess stellte sich in erster Instanz als ein klarer Versuch von Kriminalisierung antifaschistischen Engagements dar. Der Vorwurf des „Landfriedensbruch“ diente letztendlich der absurden Konstruktion einer passiven Tatbeteiligung der Beschuldigten. Einzig die vermutete Anwesenheit reichte für eine Verurteilung aus. Allerdings basiert die Beweiskraft über die Anwesenheit ebenfalls auf sich widersprechenden Aussagen von Polizeibeamt_innen. Die Beweisaufnahme zeigte ein fragwürdiges Vorgehen der Polizei bei der Identifikation der Beschuldigten auf. Unterschiedliche Aussagen, wage Vermutungen und lückenhafte Erinnerungen waren die Grundlage, auf der die Staatsanwaltschaft ihre Anklage stützte und der sich das Gericht anschloss. Es zeigen sich Ähnlichkeiten zum Fall Tim H. in Dresden, der bundesweite Aufmerksamkeit erlangte. Auf einer ebenso dünnen Beweiskraft wird die bloße Anwesenheit von Antifaschist_innen genutzt, um diese stellvertretend zu verurteilen: Abschreckung ist hier das Ziel.

„Wir sehen hier einige Parallelen zum Versuch der sächsischen Justiz im Fall Tim H., legitimen Protest gegen den jährlichen Naziaufmarsch in Dresden zu kriminalisieren“, so Tim Sonnenschein von der Remagen Solidaritätsgruppe. „Dort gab es auch eine Verurteilung eines Gegendemonstranten ohne Beweise oder eine konkrete Zuordnung einer Tatbeteiligung. In Dresden wie in Remagen marschieren jährlich Neonazis auf. Antifaschistischer Protest ist hier notwendig. Genau dieser soll verhindert werden“

„Wir rufen nicht nur alle Antifaschist_innen, sondern auch die Presse dazu auf, die Berufungsverhandlung kritisch zu begleiten, um einer erneuten skandalösen Verurteilung entgegenzuwirken,“ fordert Sonnenschein.


Hintergründe: Die Situation in Remagen

Seit 2009 marschieren jährlich mehrere hundert Neonazis durch Remagen, um an die sogenannten »Rheinwiesenlager« zu erinnern. Die Nazis versuchen, die in diesen alliierten Kriegsgefangenenlagern Gestorbenen als zu Unrecht Ermordete darzustellen und damit “den Deutschen” den ersehnten Opferstatus zuzusprechen. Gleichzeitig soll die Grausamkeit der Alliierten dargestellt werden, um die Schuld “der Deutschen” zu relativieren. Dieser Naziaufmarsch stellt inzwischen den größten regelmäßig stattfindenden in Rheinland-Pfalz dar. Auch 2010 versammelten sich 300 Neonazis für diese geschichtsrevisionistische Veranstaltung. Dem Aufruf von antifaschistischen Gruppen und dem „Bündnis Remagen für Frieden und Demokratie“ zu einer Mahnwache und Gegenprotesten folgten etwa 200 Menschen. Zu Beginn der Mahnwache versuchten einige Gegendemonstrant_innen auf die Route der Nazis zu kommen, was jedoch aufgrund der starken Polizeipräsenz nicht gelang. Die Gegendemonstrant_innen zogen sich daher zurück, wobei es zu einer Auseinandersetzung mit der Polizei kam, bei der einige Antifaschist_innen durch Schlagstockeinsatz und Tränengas, sowie ein Polizist leicht am Kopf verletzt wurden. Insgesamt gab es in Folge des Vorfalls 15 Festnahmen von Antifaschist_innen.
Der Hauptangeklagte, der den Polizisten verletzt haben soll, wurde bereits in einem Berufungsverfahren im Oktober 2011, ohne Beweise und konkrete Identifikation, zu 1 ½ Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Ein Zeuge der Verteidigung, der im ersten Prozess gegen den Hauptangeklagten im Gerichtssaal wegen angeblicher Falschaussage verhaftet worden war, wurde inzwischen ebenfalls verurteilt. Seine Aussage war nahezu identisch mit der Aussage, einer als Zeugin geladenen Polizistin. Gegen weitere 6 der 15 festgenommen Antifaschist_innen wurde Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch erhoben. Im März 2012 wurden diese ohne Beweise und Zeug_innen, die eine Tatbeteiligung bestätigen können, zu 70
Tagessätzen in unterschiedlicher Höhe verurteilt. Einzig ihre Anwesenheit auf einer Demonstration genügte hier zu einer Verurteilung. Im Februar 2012 beginnt nun der Berufungsprozess vor dem Landgericht Koblenz.

Stand der Dinge 02.2013: Weitere Prozesse wegen Remagen stehen an!

2. Februar 2013
Die nächsten Berufungsverhandlungen wegen des Vorwurfs des Landfriedensbruchs gegen die sechs Antifaschist_innen, die im November 2010 an Protesten gegen den Naziaufmarsch in Remagen teilgenommen hatten, stehen an! Leider ist nicht auszuschließen, dass es wieder zu ähnlich skandalösen Urteilen kommen wird, wie bei den bereits stattgefundenen Prozessen.

Die Prozesse um Remagen sind Teil einer massiven Kriminalisierung antifaschistischer Proteste. Am deutlichsten zeigte die sächsische Demokratie 16.01.2013, was sie von antifaschistischen Protesten hält. Nach einem lächerlichen Verfahren wurde Tim zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Ihm wird vorgeworfen bei den Anti-Nazi Protesten/Blockaden vom 19.02.2011 in Dresden mit einem Megafon zum Durchfließen von Polizeiketten aufgerufen zu haben. Weder das Polizeivideo noch die geladenen Zeugen konnten ihn belasten bzw. identifizieren. Trotzdem wurde er von Richter Hans Hlavka wegen Körperverletzung, Beleidigung und besonders schwerem Landfriedensbruch verurteilt.

Das Aburteilen ohne Vorliegen von Beweisen in Remagen wie in Dresden zeigt, dass die Unschuldsvermutung für antifaschistischen Widerstand nicht gilt. Wo Gerichte politisch urteilen, wo legitimer Protest kriminalisiert wird, wird Widerstand zur Pflicht.

Gemeint sind wir alle, betroffen sind einzelne.
Lassen wir sie nicht allein.
Solidarität mit allen kriminalisierten Antifaschist_innen.

 

Quelle: Rote Hilfe e.V. Bonn

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 27. Februar 2013 um 15:44 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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