Wolfgang Huste Polit- Blog

Juncker und der Terror. Luxemburgs Premier mußte dem Geheimdienstausschuß seines Parlaments Rede und Antwort stehen. Von Daniel Bratanovic und Peter Wolter

Tags:

Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker kommt in Bedrängnis: Am Dienstag mußte er der Geheimdienstkommission des Parlaments in Sachen Bombenlegeraffäre Rede und Antwort stehen und wird wahrscheinlich schon übernächste Woche als Zeuge vom Kriminalgericht gehört. »Auch sein Vorgänger im Amt, Jacques Santer, wird aussagen müssen«, äußerte der Luxemburger Anwalt Gaston Vogel gegenüber jW. »Ich habe beide vorladen lassen, es ist absolut sicher, daß sie erscheinen müssen.« Beiden droht eine Anzeige wegen »Nichtanzeigens einer Straftat«.

Kriminalgericht und Parlament bemühen sich zur Zeit, Licht in die Serie von etwa zwei Dutzend Bombenanschlägen zu bringen, bei denen zwischen 1984 und 1986 in Luxemburg Strommasten, eine Polizeiwache, eine Redaktion und eine Radarstation in die Luft flogen. Angeklagt sind zwei ehemalige Elitepolizisten, die mitgemacht haben sollen – im Auftrag der NATO-Geheimarmee »Stay Behind«. Schon vor Jahren hatten Justiz und Polizei zu ermitteln versucht – mit dürftigen Erfolgen. Kein Wunder: in die Affäre sind höchste Regierungs- und Geheimdienstkreise verwickelt. Möglicherweise hat sogar Prinz Jean mitgemischt, bis zu seinem Verzicht im Jahre 1986 Thronfolger. Auch er mußte schon vor Gericht erscheinen.

Juncker verwahrte sich im Ausschuß gegen den Vorwurf, Kenntnis von der Affäre gehabt zu haben. Es sei eine »Verrücktheit« zu behaupten, »der Juncker, der weiß was, sagt aber aus Gründen der Staatsräson nichts«. Derlei Unterstellungen und Falschmeldungen müsse er fast täglich über sich ergehen lassen. Daß es aber zwei Hausdurchsuchungen beim Premierminister gegeben habe, habe niemanden gestört, obwohl das weltweit wohl einmalig sein dürfte, klagte Juncker.

2006 sei er vom Geheimdienst unterrichtet worden, daß sich zur Zeit der Bombenanschläge der italienische CIA-Mitarbeiter und mutmaßlicher Strippenzieher bei »Stay Behind«-Aktionen, Licio Gelli, in Luxemburg aufgehalten habe. »Gellis Name gehört nicht zur Allgemeinbildung«, sagte Juncker. »Er war mir nicht im Zusammenhang mit der Bombenlegeraffäre oder dem Stay-Behind bekannt«. Gleichwohl hielt es der Premier immerhin für möglich, daß Kräfte in der NATO Interesse an einer Strategie der Spannung gehabt haben.

Die bisherigen Ermittlungen legen nahe, daß die Luxemburger Anschläge Teil der in vielen europäischen Staaten verfolgten NATO-Strategie waren, mit Terrorakten, die man den Linken in die Schuhe schob, einen politischen Rechtsruck zu provozieren. Daß dahinter Geheimdienste und NATO standen, ist allerdings kein Produkt von Verschwörungstheoretikern, sondern nachgewiesen – u.a. durch italienische Gerichte und parlamentarische Untersuchungen in Italien, Belgien, der Schweiz und jetzt wohl auch in Luxemburg. Das Attentat auf das Münchener Oktoberfest am 26. September 1980 mit 13 Toten soll ebenfalls auf das Konto der NATO gehen.

In bundesdeutschen Medien haben weder die Erkenntnisse über »Stay Behind« vom Anfang der 90er Jahre noch die jüngsten Enthüllungen großen Niederschlag gefunden. Als einzige deutsche Zeitung berichtete anfangs lediglich die jW, diverse andere Blätter stiegen nach und nach in das Thema ein. In 3Sat-»Kulturzeit« wurde am Dienstag abend ein erster TV-Beitrag dazu ausgestrahlt – recht wenig für einen Skandal fast vom Kaliber des Münchner NSU-Prozesses.

Dokumentation online unter: www.kurzlink.de/Schattenmann

Quelle: www.jungewelt.de vom 08.05.2013

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 08. Mai 2013 um 15:56 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

«  –  »

Keine Kommentare

No comments yet.

Sorry, the comment form is closed at this time.

Kategorien

über mich

antifaschismus

Linke Links

NGO Links

Ökologie

Print Links

Archive

Sonstiges

Meta

 

© Huste – Powered by WordPress – Design: Vlad (aka Perun)