Frankfurt am Main, 6.30 Uhr. Vor der Europäischen Zentralbank halten Demonstranten Schilder hoch: »EZB – echt ätzend«. Um 10.30 Uhr gibt das kapitalismuskritische Blockupy-Bündnis am Freitag dann die Erfolgsmeldung heraus: Trotz strömenden Regens haben etwa 3000 Aktivistinnen und Aktivisten die Blockade der Europäischen Zentralbank (EZB) über vier Stunden gehalten. In der Tat ist das Bankenviertel am Freitag vormittag seit den frühen Morgenstunden gespenstisch menschenleer. Wie 2012 schon hatte zu dieser Aktion die Polizei selbst am meisten beigetragen. Einsatzkräfte, die sich teilweise mit Hunden, Helmen und Wasserwerfern rund um die EZB mit Absperrgittern eingeschlossen hatten, waren somit – wie von den Kapitalismusgegnern zuvor angekündigt – kreativ in die Proteste der Bewegung gegen die Verarmung der Bevölkerung und die Geschäftspolitik der Banken eingebunden.
Menschentrauben von Demonstranten drumherum hatten deren Anstrengungen im Grunde bloß noch verstärkt. Stadt im Ausnahmezustand: Selbst am Hauptbahnhof waren Ausgänge aus der U-Bahn-Station versperrt. Frankfurter Bürger müssen lange Umwege in Kauf nehmen oder nach Ausweiskontrollen umständlich durch Polizei-Absperrgitter klettern. Pressevertreter werden auf gleichem Wege mal durchgelassen, mal nicht und demzufolge mitunter in ihrer Arbeit behindert – je nachdem wie nervös die Polizisten gerade sind. An der Kaiserstraße, wo lautstark an den Absperrgittern geruckelt wird, ist letzteres beispielsweise der Fall. Dort setzen Polizeikräfte Pfefferspray gegen Demonstranten ein.
Eine Sprecherin der EZB teilte indes mit: Operative Geschäfte seien weitergelaufen – Details will sie junge Welt »aus Sicherheitsgründen« nicht verraten. Geheimniskrämerisch hatte sich auch ein Polizeisprecher auf die Nachfrage geäußert, warum fünf Busse aus Berlin am Donnerstag abend auf der Autobahn bis zu sechs Stunden festgehalten worden waren: »Auf Hinweisen und Erfahrungen beruhende Gefahrenabwehr«, hieß es. Dies obwohl der Hessische Verwaltungsgerichtshof im Vorfeld geurteilt hatte: Bloße Vermutungen seien nicht zulässig. Als »Beschneidung der freien Meinungsäußerung« kritisierte das Blockupy-Bündnis, daß ein Bus mit einer Gruppe des Berliner Refugee Camps auf dem Weg nach Frankfurt zur Umkehr gezwungen wurde. Blockupy-Sprecherin Ani Dießelmann: »Der Umgang deutscher Behörden mit Geflüchteten ist ein Skandal.«
Bei der Demo gegen den Abschiebe-Flughafen Frankfurt setzte die Polizei ihre harte Linie fort: Sie verweigerte bis Redaktionsschluß, sich an das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshof zu halten, und zumindest 200 Leute in den Flughafen zum Demonstrieren vorzulassen. Dies sei eine unmittelbare Folge der Agenda-Politik von SPD und Grünen, die die CDU/FDP-Bundesregierung fortgesetzt habe, erklärte der Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtag, Ulrich Wilken. Behinderungen der Demonstration durch die schwarz-grüne Stadtregierung sowie das Abfangen von Bussen durch die Polizei habe den berechtigten Protest nicht unterbinden können. Attac-Sprecher Roland Süß ergänzt: Der Schritt zum zivilen Ungehorsam sei notwendig gewesen; Blockupy werde am Samstag mit einer lauten und bunten Demonstration fortgesetzt.
Quelle: www.jungewelt.de vom 01.06.13
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