Wir sind nicht die Erziehungsberechtigten der Arbeiterklasse«, erklärte Berthold Huber am Dienstag in Frankfurt am Main. Soeben hatten der IG-Metall-Chef und sein Vize Detlef Wetzel der Presse die Ergebnisse einer Beschäftigtenbefragung vorgestellt. Die darin geäußerten Wünsche sind eindeutig: Die Arbeiter und Angestellten in den von der IG Metall vertretenen Branchen fordern vor allem die Einschränkung prekärer und mies bezahlter Beschäftigung. Nicht ganz so eindeutig, aber ebenfalls nicht überraschend fiel die parteipolitische Positionierung von Huber und Wetzel aus. Eine direkte Wahlempfehlung verweigerten die beiden Sozialdemokraten zwar, aus ihrer Präferenz der SPD machten sie aber keinen Hehl.
»Ich werde SPD wählen, ja«, erklärte Huber schließlich auf mehrfaches Nachfragen. Zuvor hatte er ausgiebig das Verhalten des damaligen SPD-Bundesarbeitsministers Olaf Scholz während der Wirtschaftskrise 2008/2009 gelobt. Mit einer schwarz-gelben Regierung wären die Ausweitung der Kurzarbeiterregelung und die Abwrackprämie für Altautos nicht möglich gewesen, spekulierte er. Unerwähnt ließ Huber das sonstige Agieren der Regierungs-SPD: von Hartz IV über die Ausweitung prekärer Beschäftigung bis hin zur Rente mit 67.
Die Folgen eben dieser Politik machen den Beschäftigten bis heute zu schaffen. Das belegt nicht zuletzt die präsentierte Befragung, an der sich mehr als 514000 Personen beteiligten – fast jeder Dritte von ihnen war nicht gewerkschaftlich organisiert. Die Ergebnisse sind zwar noch nicht im Detail ausgewertet, die bisherigen Erkenntnisse zeigen aber eindeutig: Niedriglohn und prekäre Beschäftigung sollen nach dem Willen der Lohnabhängigen eingedämmt werden.
So halten 88 Prozent der Befragten einen unbefristeten Arbeitsvertrag und 83 Prozent ein ausreichendes und verläßliches Einkommen für »sehr wichtig«. 92 Prozent fordern einen »gesetzlichen Mindestlohn von anfänglich mindestens 8,50 Euro« – höhere Forderungen konnten nicht angekreuzt werden. Nur vier Prozent gehen davon aus, daß sie von ihrer Rente gut werden leben können. Mehr als 90 Prozent fordern die Rücknahme der Rente mit 67 und noch mehr eine abschlagsfreie Rente nach langjähriger Erwerbsarbeit.
Huber und Wetzel betonten, neben der Leiharbeit müßten auch Werkverträge stärker reglementiert werden. Sie seien ein »noch viel umfassenderes Problem als Leiharbeit«, so Wetzel, der Huber in wenigen Monaten als Erster IGM-Vorsitzender beerben soll. Der politische Handlungsbedarf sei hier »mindestens ebenso hoch«. Unter anderem fordert die IG Metall Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte, eine klare Abgrenzung zwischen Leiharbeit und Werkverträgen sowie die Umkehr der Beweislast bei der Legalität von Werkverträgen.
Ob die Gewerkschaft die Frage der Werkverträge auch tarifpolitisch aufgreifen wird, hänge vom Willen der Beschäftigten und Funktionäre ab, so Wetzel auf jW-Nachfrage. Im vergangenen Jahr hatte die IG Metall Branchenzuschläge für Leiharbeiter vereinbart. Man wolle »Schritt für Schritt« den Grundsatz gleicher Bezahlung von Stamm- und Leihbeschäftigten durchsetzen, erläuterte Huber. Der insbesondere bei ver.di intensiv diskutierten Forderung, die DGB-Leiharbeitstarife zu kündigen und dem Equal-Pay-Prinzip so zum Durchbruch zu verhelfen (siehe jW vom 3.6.), erteilte Huber erneut eine Absage.
« Türkei droht Demonstranten mit Armeeeinsatz – Fabriken ohne Chefs. An diesem Mittwoch rufen Arbeiter des griechischen Betriebs Vio.Me zu einem internationalen Aktionstag auf. Seit über vier Monaten produzieren sie unter eigener Regie. Von Wladek Flakin »
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