Gläubige, Anhänger von Religionen oder von anderen irrationalen, spekulativen Kopfgeburten, ausgedacht von Menschen für Menschen, mal um sich selbst zu trösten, mal um andere zu trösten und ihnen dadurch einen „innerlichen Halt“ zu geben, erwarten für sich und ihren (privat gelebten) Glauben, auch für ihre Institutionen, zum Beispiel für die katholische Kirche im Allgemeinen und dem Papst im Speziellen, für einzelne Gläubige, Respekt und Toleranz. Das ist legitim.
Sie reagieren aber teilweise „ungekonnt“ empfindlich, manchmal sogar recht aggressiv, auf Kritik. Sie mögen es nicht, wenn man ihre oder andere Religionen oder religiöse Institutionen und deren oftmals „rückwärts orientierenden“ Ideologien kritisch hinterfragt. Insbesondere Menschen, die in solchen Institutionen „abhängig beschäftigt“ sind, verteidigen ihren Arbeitgeber, die Kirche, oftmals recht verbissen. Das liegt in der Natur der Sache! „Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht!“ – sagt der Voksmund. All denen antworte ich wie folgt: Auch andere, insbesondere „weltlich“ orientierte Organisationen und Gruppierungen, werden hier und da kritisiert, auch Einzelpersonen, insbesondere einzelne Politiker. Mal zu Recht, mal zu Unrecht. Keiner von uns, demnach auch keine Organisation oder Institution, agiert in einem gesellschaftlich „luftleeren Raum“, steht unter „Naturschutz“, hat im Sinne des Grundgesetzes Sonderrechte, Sonderprivilegien (oder vielleicht doch? Und warum ist das so?), demnach auch keine Religion oder eine ihrer Institutionen, auch keine andere irrationale Kopfgeburt, die sich zur allgemeinen, unantastbaren Wahrheit aufschwingt und jede Kritik als Bedrohung ansieht, zumindest als ungerechtfertigt, statt als Chance, den gegenseitigen Erkenntniszugewinn zu befördern. In diesem Sinne ist Kritik legitim und auch notwendig, wenn sie auf beiden Seiten sachlich vorgetragen wird, möglichst mit fundierten Argumenten und wenn man dieses oder jenes gründlich miteinander diskutiert, mit dem Ziel eines Erkenntniszugewinns für beide Seiten, nicht im Sinne von argumentativ gewinnen wollen. Denn: Wer Verlierer schafft, kreiert auch seine Gegner. Ich suche dagegen Verbündete – und sei es „nur“ für gemeinsame, punktuelle, regional begrenzte Aktivitäten. Konkreter: Ich suche zum Beispiel Verbündete im gemeinsamen Kampf gegen Armut, Unterdrückung und Ausbeutung, gegen Rassismus, Antisemitismus und Faschismus, für den Erhalt von denkmalgeschützten Häusern, für die Schaffung von preiswerten, gut ausgestatteten Sozialwohnungen, für den Ausbau statt für den Abbau des allgemeinen Sozialwesens, gegen soziale „Ungerechtigkeiten“ jeglicher Art, gegen soziale Missstände jeglicher Art, gegen das marktradikale, hedonistische Credo: “Privat vor Staat, vor Gesellschaft, vor Natur und Umwelt, vor dem Sozialen!“ Diese von mir skizzierten „Übel“ und Denkweisen (Egoismus und hedonistisches Verhalten, statt Solidarität und das engagierte Eintreten für ein gutes Leben für alle!) existieren ja nicht nur auf der nationalen oder supranationalen Ebene, sondern auch bei uns, in den Kommunen, in der Region. Dazu sollte aber auch die Einsicht auf Seiten religiöser Institutionen und Individuen gehören, dass Toleranz und Respekt keine Einbahnstraßen sind, dass man beides nicht nur für sich allein einfordern sollte.
Ich erwarte auch Respekt und Toleranz, auch aktive Unterstützung, gegenüber allen Menschen, die für den sozialen, allgemeinen Fortschritt in der Gesellschaft kämpfen- allein oder (deutlich besser, da wirksamer) solidarisch organisiert mit Gleichgesinnten. Ich erwarte Respekt und Toleranz gegenüber wissenschaftlichen, insbesondere gegenüber naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Ich erwarte Respekt und Toleranz gegenüber der Rationalität, der Vernunft, der allgemeinen humanistischen Erkenntnis und Aufklärung im Kant’schen Sinne, auch im Sinne von Karl Marx, Friedrich Engels, Rosa Luxemburg und anderen Heroen der Arbeiterbewegung. Dies alles ist zu fördern, nicht zu unterdrücken, nicht zu verschleiern, zugunsten der herrschenden Eliten, zum Nachteil der Allgemeinheit. Ich erwarte Respekt und Toleranz gegenüber allen Erkenntnisoptimisten, demnach gegenüber Menschen, die davon ausgehen, dass alles(!) prinzipiell(!) rational, wissenschaftlich erklärbar, ist, dass alles(!) eine oder mehrere Ursachen hat. Nicht alles ist notwendig, aber alles ist prinzipiell erklärbar. Armut, Unterdrückung und Ausbeutung, Kriege, internationale Massenfluchten aus anderen Ländern, die Zerstörung der Natur usw. sind keineswegs gesellschaftliche Notwendigkeiten, sie haben aber rational(!) erklärbare, politische(!), nicht „göttlich“ determinierte Ursachen. Diese Ursachen kann man nicht „wegbeten“. Da genügt es auch nicht, nur an den „Verstand“ der Menschen zu appellieren („Der Kopfglaube ist ein Irrglaube!“ sagte der Philosoph Ernst Bloch recht pessimistisch). Das Appellieren an die Vernunft machen die meisten Religionen seit Jahrtausenden – leider ohne Erfolg! Das gesellschaftliche „Oben“ und „Unten“, die entsprechenden Machtkonstellationen in der Gesellschaft, die keineswegs göttlicher Natur sind, gibt es immer noch. Da hat weit eher das „weltliche“, möglichst organisierte und rational fundierte, das solidarische Wirken mit Gleichgesinnten positive Auswirkungen – was ja den privaten Glauben „an etwas“ keineswegs ausschließt. Auch hier gilt der Satz: „An den (konkreten) Taten sollt ihr sie erkennen und bewerten!“ Bigotterie, Esoterik oder Verschwörungstheorien zum Beispiel bringen uns nicht weiter, verändern keineswegs die real existierenden Machtverhältnisse. Wenn Gläubige in diesem Sinne Respekt und Toleranz zeigen, gegenüber dem allgemeinen gesellschaftlichen Fortschritt, gegenüber der Kultivierung der sozialen Gerechtigkeit, statt gegenüber der Bigotterie oder (reaktionären) Traditionen und Institutionen, gegenüber Menschen, Organisationen und Gruppierungen, die eine Gesellschaftsformation weit jenseits des zutiefst inhuman agierenden Kapitalismus anstreben (er kann nicht anders, das ist sein „Wesen“. Genauso wenig wie man Kriege, Folter oder Ausbeutung „zähmen“ und humanisieren kann, genau so wenig kann man den Kapitalismus humanisieren!), steht einer zumindest punktuellen Zusammenarbeit mit Gläubigen nichts im Wege. Insbesondere dann, wenn sich Gläubige solidarisch zugunsten aller Menschen engagieren, die sich nicht auf der Sonnenseite des Lebens befinden.
Es wäre schön und auch erstrebenswert, wenn wir gemeinsam für eine bessere und vor allen Dingen: für eine andere(!) Welt streiten, in der zum Beispiel die allgemeine Caritas und die Tafelbewegung als „Reparatureinrichtungen“ des Kapitalismus obsolet werden, wo Armut „als solche“ obsolet wird. Im Kapitalismus bleibt dieses Ziel nur eine schöne Illusion von gut meinenden Menschen, es sei denn, aus einer diffus artikulierten Empörung und Wut gegen „die da oben“ wird konkreter, organisierter Widerstand. Der Kapitalismus ist – insgesamt und weltweit betrachtet – der Gegensatz zu einer humanistisch oder christlich fundierten Gesellschaftsformation. Da muss dringend(!) etwas Besseres her, jenseits des real existierenden Kapitalismus an der Macht, damit auch nach uns folgende Generationen eine lebenswerte Welt vorfinden. Wir brauchen ein gutes Leben für alle Menschen, nicht nur für Wenige, die egoistisch und hedonistisch auf Kosten der Allgemeinheit, der Natur, leben! Marktradikal orientierte Parteien und Politiker wirken eher kontraproduktiv. Die „Marktwirtschaft“, die keineswegs „sozial“ ausgerichtet ist, regelt keineswegs alles. Sie steht weit eher im Dienste von wenigen Eliten, im Dienste einer herrschenden Klasse, nicht zugunsten der Allgemeinheit oder der Natur, der Umwelt. Auch diese grundlegende, allgemein formulierte Erkenntnis gehört zu einer rationalen, auch humanistisch und wissenschaftlich geprägten Erkenntnis. Für eine solche Welt haben Generationen vor uns widerständig und kämpferisch gestritten, haben ihr Engagement teilweise sogar mit ihrem Leben bezahlt, für den allgemeinen sozialen Fortschritt, für ein gutes Leben für alle, auch für diese oder jene wissenschaftliche Erkenntnis. Auch sie erkannten: „Beten allein hilft nicht!“ Es gab in der Geschichte auch positive Etappensiege. Dieses und jenes wurde im Laufe der Jahrtausende und Jahrhunderte zugunsten der Allgemeinheit spürbar verbessert, aber nur selten grundsätzlich und radikal, erst recht nicht auf Dauer. Viele positive Errungenschaften müssen wir täglich neu verteidigen, zum Beispiel gegenüber denjenigen, die entpolitisierend und desorientierend von (finanziellen) „Sachzwängen“ fabulieren, ohne kritisch zu hinterfragen, wie es zu diesen oder jenen künstlich fabrizierten „Sachzwängen „ kam, wer dafür verantwortlich zu machen ist. „Sachzwänge“ sind ja keine Naturereignisse wie Ebbe und Flut, wie Erdbeben, wie Vulkanausbrüche, die man fatalistisch hinnehmen muss. Das Geld befindet sich ja nicht auf dem Mond, wurde ja nicht verbrannt. Es befindet sich nur in anderen (privaten) Taschen, in den Taschen einer finanziellen Elite! Marktradikale Politiker geben diese „künstlichen Sachzwänge“ ungefiltert, demnach ohne Widerstand, „nach unten“ weiter , bis hin zur kommunalen Ebene. Sie verteidigen den Sozialabbau, das Kürzen im Sozialbereich, als alternativlose Notwendigkeiten. Andere sagen, wir sollen auf armutsfeste Löhne, auf armutsfeste Renten verzichten, damit die Wirtschaft, sie meinen damit: die Einzelkapitalisten, entlastet werden („die da unten“ werden dagegen eher mehrfach „belastet“). Es sind diejenigen, deren Credo lautet: „Banken, Konzerne und Profite first, das Soziale, die Menschen und die Natur second!“. Deshalb nie vergessen: Soziale Errungenschaften wurden uns niemals gönnerhaft „von oben“ geschenkt, sie wurden zu allen Zeiten immer erkämpft. Viele positive Errungenschaften müssen wir täglich verteidigen, damit es nicht zu Rückschritten kommt, mit all den bekannten negativen Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben. Wäre der geschichtliche und gesellschaftliche Verlauf anders, gäbe es nicht das gesellschaftliche „Oben“ und „Unten“, die bestehenden Machtverhältnisse. In den bestehenden gesellschaftlichen Verhältnissen finden wir noch immer rudimentär „das Alte“, das Vergangene, auch das Reaktionäre, auch „schlechte“ Traditionen – und im „Heute“ liegt das Neue und Bessere für das Morgen oder Übermorgen. Der Kapitalismus ist keineswegs das Ende der Geschichte, darf auch nicht das Ende sein, wenn wir und die Natur überleben wollen! Wir sollten die Fackel des allgemeinen Fortschritts zugunsten der Allgemeinheit, der Natur, ergreifen und an die nach uns folgenden Generationen weitergeben. Dann waren und sind wir bewusst(!) und auch rational agierende Menschen, die in einer guten, erhaltenswerten und fortschrittlichen Tradition leben, zugunsten der Allgemeinheit. Dann sind Menschen, die vor uns für eine bessere, andere Welt kämpften, nicht umsonst gestorben
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