Wolfgang Huste Polit- Blog

»Bewegung wird einfallsreicher und radikaler« 100000 Menschen gegen Atomkraft in Berlin. Ärzteorganisation warnt vor Gefahren durch Uranbergbau. Ein Gespräch mit Angelika Claussen

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Interview: Gitta Düperthal

Angelika Claussen ist Vorsitzende der Deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung

Die Ärzteorganisation IPPNW steht der Energiegewinnung aus Atomkraft generell kritisch gegenüber und gehörte zu den Organisatoren der Antiatomdemo am Samstag in Berlin. Wie war die Stimmung?
Rund 100000 Menschen haben mit uns demonstriert, wesentlich mehr als wir erwartet hatten. Fröhlicher, ausgelassener und kraftvoller Protest wurde laut. Quer durch alle Generationen und Bevölkerungsschichten ging der Aufschrei der Empörung gegen die von der CDU/FDP-Regierung geplante Verlängerung der Laufzeiten um durchschnittlich zwölf Jahre. Sehr junge und sehr alte Menschen waren dabei. Fahnen, beschriftet mit »Atomkraft, nein Danke« waren zu sehen sowie einfallsreiche selbstgemachte Transparente.

In Ihrer Rede haben Sie speziell auf die gesundheitlichen Risiken durch Atomkraft hingewiesen. Wo liegen die Hauptgefahren?
Die nehmen ständig zu. Biblis A steht seit 44 Jahren und ist damit der älteste Reaktor, den es auf der ganzen Welt gibt. Aber unsere Bundesregierung behauptet, daß die Atomkraftwerke sicher sind. Das stimmt nicht, es gibt eine Menge Schrottreaktoren. Bei Biblis B, das etwas später gebaut wurde, hat IPPNW etwa 210 gravierende Sicherheitsmängel festgestellt. Ähnliches gilt für andere Atomkraftwerke wie Brokdorf, Krümmel und Neckarwestheim. Völlig festgefahren ist die Debatte über den gefährlichen Uranbergbau. Er steht am Anfang der Brennstoffkette – Uran ist hochgiftig und radioaktiv. Solange es in der Erde ist, ist es kaum schädlich. Durch den Abbau werden radioaktive Zerfallsprodukte frei. Gelangen sie in die Lunge und Atemwege der Uranbergarbeiter oder der Bevölkerung, die in der Nähe wohnt, kann das zu Lungenkrebs oder Nierenschäden führen.

Wo wurde und wird bisher Uran abgebaut?
Bis 1990 hat die SDAG Wismut in Sachsen und Thüringen Uran abgebaut. Tausende sind dort an Lungenkrebs gestorben. Heute liegen dreiviertel der Abbaugebiete auf Territorien der indigenen Völker – sei es in Australien, Indien oder in Kanada und den USA; vor allem aber dort, wo Menschen arm sind und sich aufgrund von Unwissenheit kaum Widerstand regt: in den afrikanischen Staaten Niger, Mali und Namibia. Zum Beispiel baut der französische Konzern Areva in Afrika Uran ab, wo es kaum staatliche Kontrollen gibt. Er kann tun, was er will. Messungen der Radioaktivität werden nicht geduldet. Versuchen es unabhängige Organisationen dennoch, werden sie umgehend des Landes verwiesen.

Sie haben einen Brief an die vier großen Energiekonzerne E.on, Vattenfall, EnBW und RWE in Deutschland geschickt und bisher keine Antwort erhalten. Was war Ihre Absicht?
Wir haben die Konzerne nach der Herkunft des Urans und nach Gesundheitsschutzmaßnahmen für die Bergarbeiter und die im Umkreis wohnende Bevölkerung gefragt. Zudem haben wir parlamentarische Anfragen an die Bundesregierung nach der Herkunft des Urans ausgewertet, es gab nur ausweichende Antworten. Motto: wir kaufen es auf dem Weltmarkt; Weiteres wissen wir nicht. Wir aber. INPPW hatte eine Anhörung bei der Internationalen Urankonferenz in Basel Ende August veranstaltet. Dort berichtete die Häuptlingsfrau White Face von den Sioux aus Süd-Dakota in den Vereinigten Staaten, wie »mitten im Herzen der USA ein Genozid stattfindet«. Sie sagte: »Wir müssen in einem Gebiet leben, wo Erde und Wasser verseucht sind. Menschen unseres Stammes werden krank und sterben.«

Muß die Antiatombewegung noch breiter werden?
Ja, das wird sie auch und zudem einfallsreicher und radikaler. Im November wird gegen die Castortransporte demonstriert. Zusätzlich sollten wir die Büros der Bundestagsabgeordneten von CDU und FDP mit Protesten überziehen. Damit man dort versteht, daß wir nicht länger stillhalten. Wir müssen uns auf eine lange Auseinandersetzung einstellen. Es kommt darauf an zu zeigen, daß erneuerbare Energien Arbeitsplätze bringen. Gewerkschaften sowie alle, die sich dafür einsetzen, werden wir stärker als bisher einbeziehen.

Quelle: www.jungewelt.de

Dieser Beitrag wurde am Montag, 20. September 2010 um 22:59 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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