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Schwierigkeiten mit der Geschichte. Empörung über Bad Kreuznacher CDU-Politiker. Von Hans-Gerd Öfinger

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Mit einer abfälligen Bemerkung über die Benennung einer Straße nach einer Antifaschistin löste ein CDU-Abgeordneter in Bad Kreuznach (Rheinland-Pfalz) einen Sturm der Entrüstung aus. Seine Partei jedoch schweigt zu der Entgleisung.

66 Jahre nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus tun sich manche konservative Kommunalpolitiker in der südwestdeutschen Provinz immer noch schwer mit einer Aufarbeitung der Geschichte und der Würdigung von Gegnern des Naziregimes. So löste im rheinland-pfälzischen Bad Kreuznach das CDU-Stadtratsmitglied Bernd Kossmann mit einer abfälligen Bemerkung über die Benennung einer Straße nach einer Antifaschistin einen Sturm der Entrüstung aus.
Nachhilfe für Kossmann

Die Diskussion füllt seit Tagen die Leserbriefspalten der Lokalpresse. Auslöser der Debatte war der Plan der örtlichen Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen, Straßen in einem Neubaugebiet nach Söhnen und Töchtern der Stadt und Personen der Lokalgeschichte zu benennen. Dabei besann sich die Kulturdezernentin Andrea Manz (Grüne) auch auf den Namen Hildegard Schäfer. Die 1995 verstorbene Nazi-Gegnerin wurde 1940 von der Gestapo verhaftet, später in das Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt und 1945 von britischen Truppen in Neuengamme befreit.

Eine Straße in Bad Kreuznach nach Hildegard Schäfer zu benennen, das wollte Kossmann nicht einleuchten. Sein Vater habe schließlich auch Jahre in Kriegsgefangenschaft verbracht, ohne dass nach ihm eine Straße benannt werde, so Kossmanns Einwand in der Ratssitzung Ende November. Dies missfiel der Kulturdezernentin, die den Christdemokraten über den Unterschied zwischen Kriegsgefangenschaft von Befehlshabern und Soldaten der Hitlerarmee und der Internierung und Inhaftierung politischer Gefangener im KZ aufklärte. Die Bad Kreuznacher CDU und ihre bekannteste Repräsentantin, die CDU-Landes- und Fraktionschefin Julia Klöckner, schweigen hartnäckig zu der Entgleisung ihres Parteifreundes Kossmann.

Die 1918 als jüngstes Kind einer Bad Kreuznacher Arbeiterfamilie geborene Hildegard Schäfer war in christlichen Kreisen aufgewachsen und in den späten 1930er Jahren durch persönliche Erlebnisse zur Regimegegnerin geworden. Als sie 1940 auf der Suche nach Beschäftigung einen Arbeitsplatz in einem Rüstungsbetrieb angeboten bekam, lehnte sie ab. Weil ihr französischer Schwager in der französischen Armee kämpfe und ihr Bruder in der Wehrmacht, könne sie es nicht verantworten, Munition zu produzieren, mit der sich beide gegenseitig töten würden. Weil das Arbeitsamt diese Weigerung denunzierte, wurde Hildegard Schäfer sofort von der Gestapo verhaftet.

Im KZ Ravensbrück musste Hildegard Schäfer dann Zwangsarbeit leisten – auch für Siemens. Eine Entschädigung erhielt sie zeitlebens nie. Nach 1945 lebte sie jahrzehntelang zurückgezogen. Ihre Ehe blieb kinderlos. Erst in den 1980er Jahren brach sie nach einem Wiedersehen mit Leidensgenossinnen aus der Lagergemeinschaft Ravensbrück ihr Schweigen.
Unermüdliche Mahnerin

So wurde Hildegard Schäfer in ihrem letzten Lebensjahrzehnt zur unermüdlichen Mahnerin gegen alten und neuen Faschismus und gegen Kriegstreiberei. Sie engagierte sich als Kreisvorsitzende der VVN-BdA, besuchte als Zeitzeugin Schulklassen, Veranstaltungen, Seminare und Kundgebungen. »Wenn ich nicht mehr da bin, dann müsst ihr das machen«, lautet der Titel eines Dokumentarfilms mit vielen O-Tönen.

Ende Januar 2012 tritt die Auschwitz-Überlebende Esther Bejerano, die mit Hildegard Schäfer in deren letzten Lebensjahren befreundet war, zusammen mit der antifaschistischen Hip-Hop-Band Microfone Mafia in Bad Kreuznach auf. Dann soll Benennung der Hildegard-Schäfer-Straße gefeiert werden.

Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/213347.schwierigkeiten-mit-der-geschichte.html

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 15. Dezember 2011 um 19:06 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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