Wolfgang Huste Polit- Blog

Schreddern für Neonazis. Von Claudia Wangerin

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Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) ist wegen der am Dienstag bekanntgewordenen Aktenvernichtung im Bereich Rechtsextremismus beim Berliner Verfassungsschutz in Erklärungsnot geraten. Zum Zeitpunkt der Schredderaktion am 29. Juni habe es bereits »ein klares, rechtliches Aktenvernichtungsverbot« gegeben, sagte der Innenexperte der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Benedikt Lux, am Mittwoch. Er verwies auf den Beweisbeschluß, mit dem der Untersuchungsausschuß des Bundestags schon im März die Behörden angewiesen habe, alle verfügbaren Akten zur Sichtung bereitzuhalten. »Die Behörden machen es sich im Moment zu leicht. Allein mit menschlichem Versagen ist der Vorgang nicht zu erklären«, widersprach Lux der Darstellung von Innensenator Henkel am Vortag gegenüber Journalisten.

»Zu einem Zeitpunkt, an dem ganz Deutschland über die Aufklärung der NSU-Mordserie diskutiert hat, wurden in Berlin Akten geschreddert«, betonte die Grünen-Abgeordnete Clara Herrmann am Mittwoch. Daß von der Schredderaktion ausschließlich Dokumente aus dem Bereich Rechtsextremismus betroffen waren, sei »unerklärlich«. Verfassungsschutzakten, deren Aufbewahrungsfrist abgelaufen seien, würden über einen längeren Zeitraum gesammelt, erläuterte Herrmann. Das Landesarchiv könne sie dann durchsehen und historisch wertvolle Dokumente zum Erhalt aussuchen. In diesem Fall habe es auch Vorgänge aus dem Bereich Rechtsextremismus ausgewählt. Beim Landesarchiv seien aber nur entsprechend angekreuzte Akten aus den Bereichen Linksextremismus und Ausländerextremismus angekommen. Die Grünen fordern von Henkel eine Erklärung. Lux betonte, sie wollten »keine Absicht unterstellen, aber das auch noch nicht ausschließen«.

Für Freitag wollten die Fraktionen eine Sondersitzung des Verfassungsschutzausschusses einberufen. Vor dem Gremium soll die Chefin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, nach der Aufdeckung der neofaschistischen Terrorgruppe »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) vor einem Jahr den Eindruck erweckt haben, in ihrer Behörde sei »nichts zu holen«. Erst am 20. Juli erließ sie in ihrem Haus einen Aktenvernichtungsstopp. Im Oktober will sie erfahren haben, daß das Landesarchiv noch auf Dokumente aus dem Bereich Rechtsextremismus warte. Am Dienstag, den 6. November, informierten Schmid und Staatssekretär Bernd Krömer die Abgeordneten.

Nach Darstellung des Verfassungsschutzes wurden die Akten »aufgrund eines Mißverständnisses« geschreddert. Für einen NSU-Bezug in den Dokumenten aus der Zeit vor 2009 will die Behörde keine Anhaltspunkte haben – allerdings räumte eine Sprecherin ein, es neben dem Holocaustleugner Horst Mahler unter anderem die Band »Landser« betraf. In deren Umfeld war – offenbar nicht »Anhaltspunkt« genug – der frühere sächsische »Blood&Honour«-Funktionär Thomas Starke im Jahr 2000 als V-Mann des Berliner Landeskriminalamtes angeworben worden. Starke kannte die drei mutmaßlichen NSU-Mitglieder Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe seit den 1990er Jahren und war von ihnen im Knast besucht worden. Angeblich, um Zschäpe zu imponieren, hatte er dem Trio kurz vor dessen Untertauchen Plastiksprengstoff besorgt.

Der ehemalige »Landser«-Frontmann Michael Regener ist mit seiner neuen Band »Lunikoff-Verschwörung« auf einer Solidaritäts-CD für Horst Mahler und den NSU-Beschuldigten Ralf Wohlleben, genannt »Wolle«, vertreten, dem vorgeworfen wird, Schußwaffen für den NSU besorgt zu haben. Parolen und Lieder sind beiden gewidmet, der Erlös der CD, auf der mehrere Bands aus dem Dunstkreis des 2000 in Deutschland verbotenen »Blood&Honour«-Netzwerks vertreten sind, soll angeblich vor allem Wohlleben zugute kommen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 08. November 2012

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 08. November 2012 um 12:07 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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Ein Kommentar

  1. Geölt und frisiert. Verfassungsschutz schreddert partiell. Von Arnold Schölzel

    Seit 1990 ist die Bundesrepublik offiziell von Freunden umgeben. Das hat keine Regierung seither gehindert, die Ausdehnung der NATO nach Osten, den Bruch entsprechender Absprachen oder Verträge mit Rußland mit voranzutreiben. Es hat nicht daran gehindert, die Bundeswehr zu einer weltweit einsatzfähigen Interventionsarmee aus Söldnern umzubauen, die Militärausgaben kontinuierlich zu steigern und den Rüstungsexport – vornehmlich den in Spannungsgebiete – anzukurbeln, bis weltweit der dritte Platz beim Waffenhandel erreicht war. Es hat nicht daran gehindert, 1999 am NATO-Luftkrieg ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates gegen Jugoslawien teilzunehmen, d. h. an einem per Grund- und Strafgesetz verbotenen Angriffskrieg. Wer dagegen Anzeige erstattete, erhielt von der Bundesanwaltschaft den Bescheid, nur die Vorbereitung eines Angriffskriegs, nicht aber dessen Durchführung stehe unter Strafe.

    Die sogenannte Friedensdividende nach dem angeblichen Ende des Kalten Krieges trägt Früchte: Es wird nicht einfach weitergemacht, man fühlt sich befreit zu neuen militärischen Taten. Nicht Auflösung der Bundeswehr steht auf der Tagesordnung, sondern deren Aufrüstung für die Sicherung »unserer« Rohstoffe, Handelswege und strategischen Interessen demnächst in Afrika.

    Bei solcher Kriegsorientierung gilt fürs Inland: Der Feind stand vor 1990 links und steht dort seitdem mehr als zuvor. Denn es besteht nun die Gefahr, daß sich politische Bewegungen entwickeln, die nicht mehr als bezahlte Hilfstruppen Moskaus oder Ost-Berlins bekämpft – vorzugsweise mit Hilfe sich links gebender Antikommunisten – und entsorgt werden können. Der bundesdeutsche Kalte-Kriegs-Apparat wurde seit 1990 geölt, frisiert und getunt. Dazu gehörte, die Inlandsgeheimdienste zu stärken, zu zentralisieren und mit Polizeibehörden zusammenzuführen. Gut investiert waren aus dieser Sicht die immensen Geldbeträge, die in östliche Bundesländer abkommandierte Verfassungsschützer verteilten, um Neonaziorganisationen aufzubauen, Linkstendenzen in der ostdeutschen Jugend zu drehen und die Rekrutierten als Hilfs-, Einschüchterungs- und Jagdtruppe gegen Antifaschisten zu verwenden. Die von Untersuchungsausschüssen befragten Sicherheitsbeamten leugnen nun, daß es neofaschistischen Terror überhaupt gegeben habe oder gibt. Dessen staatliche Alimentierung, die oft mit einer Gesinnungsgemeinschaft von Neonazi- und Staatskadern verbunden war, muß seit einem Jahr kaschiert werden. Nun schreddern Verfassungsschützer alles, was zu ihren Verbindungen mit dem Neonaziterror führen könnte. Aber die Akten zum »Linksextremismus« – also einer behördlich generierten Halluzination – wurden dabei im Juni in Berlin von der Vernichtung ausgenommen. Wer das zu diesem Zeitpunkt machte, war sich seiner Sache sicher. Zu recht: Daß speziell Hauptstadtjustiz und -innenbehörde mit Neonazis in Nadelstreifen besetzt sind, pfeifen die Spatzen von den Dächern.

    Quelle: http://www.jungewelt.de vom 08. November 2012

    Kommentar: Huste – 08. November 2012 @ 12:10

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