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Grundrecht auf Hetze. Berliner Staatsanwaltschaft sieht keinen Grund, gegen Bedrohung von Politikern durch Neonazis vorzugehen. Anwalt legt Beschwerde bei Generalstaatsanwaltschaft ein. Von Markus Bernhardt

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Die Berliner Strafverfolgungsbehörden sehen offensichtlich keinen Grund, gegen die neofaschistische NPD vorzugehen. Diese hatte im Bundestagswahlkampf versucht, Politiker mit Migrationshintergrund, die für demokratische Parteien kandidierten, mittels perfider Schmähbriefe einzuschüchtern. So hatten die extremen Rechten in Berlin vermeintliche Migranten – unter anderem die damalige Linkspartei-Kandidatin Azize Tank, die ein Bundestagsmandat erringen konnte, das Mitglied des Abgeordnetenhauses Hakan Tas und den Bundestagskandidaten Lampros Savvidis (ebenfalls Vertreter der Linken) – angeschrieben und zur Auswanderung aus Deutschland aufgefordert.

»Ihre politische Einflußnahme auf die ethnische Gruppe der Deutschen könnte aus menschenrechtlichen Erwägungen vielleicht sogar strafbar sein, weil es verboten ist, den physischen und psychischen Zustand einer ethnischen Gruppe zu manipulieren«, hieß es unter anderem in den Briefen, die vom »NPD-Heimführungsbeauftragten« Jan Sturm unterzeichnet waren.

Strafanzeigen der Betroffenen gegen den Landesverband der neofaschistischen Partei hat die Berliner Staatsanwaltschaft erst kürzlich eingestellt. Die Drohbriefe seien zwar »ausländerfeindlich« und enthielten eine barsche Kritik an der Politik der Bundesregierung, diese sei aber, zumal im Wahlkampf, vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt, konstatierte die Behörde.

Der Berliner Rechtsanwalt Hans-Eberhard Schultz will sich mit dieser fragwürdig anmutenden Argumentation der Staatsanwaltschaft nicht abspeisen lassen. Er legte vor wenigen Tagen im Namen seiner Mandanten Azize Tank und Lampros Savvidis Beschwerde gegen die ergangene Einstellungsverfügung beim Generalstaatsanwalt ein. Als Begründung nannte Schultz unter anderem, daß die Berliner Staatsanwaltschaft von »unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen« ausgehe. So kritisiert der Jurist, daß in den gleichlautenden Bescheiden der Staatsanwaltschaft festgestellt werde, daß das NPD-Schreiben »ausländerfeindlich« sei, es jedoch – laut Behörde – um das »alleinige Bestreiten des Aufenthaltsrechts von ausländischen Mitbürgern« gehe, was keine Volksverhetzung darstelle. Dies, obwohl die Adressaten der Briefe deutsche Staatsangehörige sind.

»Mit keinem Wort gehen die mehrseitigen Bescheide auf die bahnbrechende Entscheidung des UN-Ausschusses gegen rassistische Diskriminierung ein«, kritisierte Schultz gegenüber junge Welt. So hatte der Rechtsanwalt in der von ihm eingereichten Strafanzeige explizit auf die Entscheidung des UN-Ausschusses im »Fall Sarrazin« hingewiesen. Dieser hatte im April dieses Jahres der BRD empfohlen, ihre Herangehensweise und ihre Verfahren bei der strafrechtlichen Verfolgung rassistischer Hetze zu überprüfen. Die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung stoße in solchen Fällen an Grenzen. Eine andere Auffassung als die Berliner Staatsanwaltschaft vertritt offenbar auch das Berliner Landgericht, welches in einem zivilrechtlichen Eilverfahren dem »NPD-Heimführungsbeauftragten« Sturm – verbunden mit einer hohen Strafandrohung – untersagte, Briefe mit besagtem Inhalt zu verbreiten.

Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft äußerte auch die von der rassistischen Hetze betroffene Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Azize Tank. »Die Einstellung der Ermittlungen und die grotesken Verharmlosungen können nicht hingenommen werden«, konstatierte sie gegenüber jW. So sei seit den Entscheidungen des UN-Ausschusses gegen Rassismus und des Berliner Landgerichts gegen die NPD klar, daß rassistische Diskriminierungen nicht durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt seien, bekräftigte Tank.

Tatsächlich ist die Gefahr, die von der Hetze der NPD ausgeht, keineswegs zu unterschätzen. So wurde in Folge der neofaschistischen Kampagne etwa ein Anschlag auf die Privatwohnung des Linken-Abgeordneten Hakan Tas verübt. Die Täter schmierten eine »SS-Rune« und die Parole »Ausländer raus!« auf die Tür seiner Wohnung und bedrohten Tas mit dem Tod.

Der Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt hatte hingegen trotz des Anschlages im Innenausschuß des Berliner Abgeordnetenhauses festgestellt, daß die Beamten nach Prüfung der Briefe keinen Ermittlungsbedarf sähen und hatte auch keinerlei Anhaltspunkte für eine konkrete Gefahr ausmachen könnten.

Quelle: www.jungewelt.de vom 04.12.13
Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 04. Dezember 2013 um 11:30 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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