Wolfgang Huste Polit- Blog

AZUBI-Ausbeutung in Rheinland-Pfalz

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Vor über vierzig Jahren, Mitte 1970, hat DER SPIEGEL über öffentliche Protestaktivitäten der damaligen Arbeitsgemeinschaft kaufmännischer und gewerblicher Lehrlinge in Essen berichtet. Diese hatte mit einem berühmt gewordenen Plakat und der Aufschrift „Stoppt den Lehrlings-Dracula!“ bundesweite schwere Missstände in der gewerblichen Berufsausbildung aufgedeckt.

Dem war Ende 1969 ebenfalls in Essen ein Protestmarsch von 150 Radio- und Fernsehtechniker-Lehrlingen vorangegangen, die konkrete Missstände in der gewerblichen Berufsausbildung angeprangert hatten. Mutig hatten Lehrlinge gleich sieben stadtbekannte Essener Firmen beim Namen genannnt, die es nach ihrern Feststellungen „besonders schlimm getrieben hatten“. Darunter war auch die „Gerstner & Marquardt OHG“, die dem damaligen NRW-Landtagsabgeordneten und Innungsobermeister Marquardt (SPD) gehörte.

Marquardt ging prompt gegen die protestierenden Lehrlinge vor Gericht und verklagte sie auf Schadensersatz. Bei der gerichtlichen Beweisaufnahme kamen etwa 50 „Lehrlinge“ zu Wort. U. a. wurden dabei folgende massive Ausbildungsmissstände von der Dritten Essener Zivilkammer protokolliert:

* Mehrere Lehrlinge wurden länger als ein Jahr kaum anders als in der Einbauwerkstatt beschäftigt.
* Für die von Lehrlingen ohne jede Kontrolle oder Aufsicht selbständig ausgeführten Arbeiten wurden den Kunden Stundenlöhne von 9,50 Mark und 12,50 Mark in Rechnung gestellt.
* Zwei Lehrlingen wurde die Auslösung von jeweils neun Mark für Arbeiten außerhalb Essens nicht bezahlt, aber den Kunden dennoch berechnet.
* Radio- und Fernsehlehrlinge im zweiten Lehrjahr mussten monatelang bloße Lagerarbeiten verrichten, Maurerarbeiten durchführen, Fensterrahmen streichen und sogar einen Zaun ziehen.

Dies alles ist zwar über 40 Jahre her, doch offensichtlich keineswegs „Geschichte“. Der jetzt in Mainz veröffentlichte „Ausbildungsreport“ des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) fördert für das Bundesland Rheinland-Pfalz Jahrzehnte später auf breiter Front noch immer ähnliche Ausbildungsmissstände zutage. So muss heutzutage fast jeder zweite Auszubildende oft weitaus länger als erlaubt arbeiten oder wird als besonders „billige“ Arbeitskraft ausgebeutet.

Besonders schlimm sind offenbar die Zustände in der Gastronomie. Nahezu 47 Prozent der befragten Lehrlinge gaben an, regelmäßig über das vereinbarte Maß hinaus arbeiten zu müssen – jeder sechste Auszubildende muss sogar mehr als 60 Wochenstunden.

Auch die unter 18-Jährigen sind davon betroffen, obwohl sie laut Jugendarbeitsschutzgesetz höchstens 40 Wochenstunden arbeiten dürfen. DGB-Landesjugendsekretärin Wingertszahn kritisierte heftig, dass Überstunden in der Ausbildung viel zu oft als normal angesehen würden. Der DGB fordert deshalb die Unternehmen auf, sich an geltendes Recht zu halten.

Insgesamt wurden im „Ausbildungsreport 925 Lehrlinge aus 24 Branchen“ intensiv befragt. Dabei sollten sie sich auch über die Qualität ihrer Ausbildung äußern: Als häufigsten Ausbildungsmangel nannten sie die mangelhafte Betreuung durch ihre Ausbilderinnen und Ausbilder und die viel zu hohe Belastung mit ausbildungsfremden Tätigkeiten. Fast 42 Prozent aller Befragten kannten die allgemein vorgeschriebenen Inhalte ihres Ausbildungsgangs nicht genau und gaben an, nicht über den vorgeschriebenen Ausbildungsplan zu verfügen.

Im Rheinland-Pfalz des Jahres 2010 läßt wie schon 1970 ‚Marquardt‘ noch immer grüßen. Demgegenüber tritt DIE LINKE für die konsequente Verwirklichung des Rechts auf qualitativ hochwertige, die Auszubildenden vorwärts bringende Berufsausbildung im Dualen Ausbildungssystem ein. Die Ausbildungsbetriebe dürfen sich auf keinen Fall auf dem Rücken der Auszubildenden bereichern können.

DIE LINKE verlangt: In Rheinland-Pfalz müssen überall und ohne Einschränkung nicht nur Ausbildungsplätze in ausreichender Zahl bereit gehalten, sondern darüber hinaus auch „Gute Ausbildungsbedingungen“ für alle Auszubildenden sichergestellt werden.

Dieser Beitrag wurde am Mittwoch, 13. Oktober 2010 um 12:36 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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Ein Kommentar

  1. […] bevor ist es vergesse: Mein heutiger Surftipp geht an: http://wolfgang-huste-ahrweiler.de/2010/10/13/azubi-ausbeutung-in-rheinland-pfalz/ klasse […]

    Pingback: Anonymous – 13. Oktober 2010 @ 15:01

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