Wolfgang Huste Polit- Blog

Alle AKW abschalten! Von Reimar Paul und Peter Schadt

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Der Kampf gegen Laufzeitverlängerungen war gestern. Angesichts der sich zuspitzenden Reaktorkatastrophen in Japan verlangen die Atomkraftgegner nun einhellig die Abschaltung aller Atomanlagen – weltweit und sofort. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, gibt es in etlichen Ländern am heutigen Montag Mahnwachen, Kundgebungen und Demonstrationen. In mehr als 130 deutschen Städten sind Aktionen gegen das Atomprogramm geplant.

Ein schweres Erdbeben und ein Tsunami hatten am Freitag mehrere Atomkraftwerke in Japan schwer beschädigt. Am Samstag kam es im Atommeiler Fukushima1 zu einer Explosion. In mindestens zwei Reaktorblöcken begannen die Kerne zu schmelzen. Die Radioaktivität in der Umgebung der Atomanlagen stieg stark an, Hunderttausende Menschen wurden evakuiert.

Die schon länger geplante Anti-Atom-Menschenkette am Samstag vom AKW Neckarwestheim nach Stuttgart erhielt durch die dramatischen Nachrichten vom GAU (größter anzunehmender Unfall) Zulauf: Rund 60000 Menschen beteiligten sich an der Demonstration in Baden-Württemberg. Umweltschützer waren in drei Sonderzügen und Hunderten Bussen angereist. Zu der Aktion hatten unter anderem das Bündnis »Ausgestrahlt«, der BUND, campact, die Naturfreunde und Robin Wood aufgerufen. Bei der Kundgebung in Stuttgart war die Stimmung kämpferisch. Die Trauer um die Opfer in Japan vermischte sich mit der Wut auf die Atomlobby. »Die Chance, daß sich hier im Land politisch was verändert, ist so groß wie nie zuvor«, sagte ein Demonstrant.

In Kassel protestierten Menschen bereits am Freitag abend. Auch in Duisburg und Frankfurt am Main gab es Demonstrationen. In Tübingen organisierte sich spontan eine satirische Jubeldemo für mehr Atommeiler in Deutschland. In Berlin fand ein Trauermarsch statt, der 800 Menschen vom Alexanderplatz zum Kanzleramt führte. In Gorleben besetzten am Sonntag rund 400 Atomkraftgegner das Gelände der sogenannten Erkundungsbergwerke kurzfristig.

Das Deutsche Atomforum, die Lobbyorganisation der Branche, war am Wochenende um Schadensbegrenzung bemüht. »Eine Verkettung eines derart schweren Erdbebens und eines schweren Tsunamis ist in Deutschland nicht vorstellbar«, sagte Sprecher Dieter Marx. Die deutschen Kernkraftwerke seien so ausgelegt, »daß die Schutzziele auch bei starken Erdbeben eingehalten werden«.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) probierte es so: Zwar seien die Geschehnisse in Japan ein »Einschnitt für die Welt«, sagte sie. Wenn in einem solch hochentwickelten Land ein solcher Unfall passiere, könne »auch Deutschland nicht einfach zur Tagesordnung übergehen«. Schwarz-Gelb wolle daher die technischen Standards der AKW in Deutschland überprüfen. Politisch soll dagegen nichts aus der Havarie folgen.

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) erklärte, eine politische Diskussion in Deutschland über die Zukunft der Atomkraft sei angesichts der akuten Notlage Japans unangemessen. »Ich halte das, um es ganz zurückhaltend zu sagen, für völlig deplaziert.« Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) betonte, jetzt gehe es nicht um einen parteipolitischen Streit in Deutschland. »Der kann warten. Aber die Hilfe für die Menschen, die kann nicht warten.«

Auch Oppositionspolitiker erklärten, zuallererst müsse jetzt an die Opfer gedacht werden. Sigmar Gabriel erklärte am Samstag, »heute muß ein Tag des Innehaltens sein, nicht der parteipolitischen Auseinandersetzung.« Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte, es sei jetzt »keine Zeit für Rechthaberei«. Gleichwohl stehe fest, daß auch in Deutschland Atomanlagen stünden, »die genau diesen Störfall nicht beherrschen«. Das AKW Neckarwestheim etwa sei »nicht ausreichend gegen eine Kernschmelze abgesichert und liegt in einem Erdbebengebiet«. Angesichts der nuklearen Katastrophe in Japan bekräftigte Die Linke ihre Forderung nach einem unverzüglichen und unumkehrbaren Atomausstieg in Deutschland. Die Risiken der Technik seien unbeherrschbar, erklärte die Energiepolitikerin Dorothee Menzner am Sonntag in Berlin. »Weltweites berechtigtes Entsetzen, Mitgefühl und Unterstützung der von der Katastrophe Betroffenen alleine reichen nicht. Atomkonzerne und Regierungen sind aufgefordert, unverzüglich zu handeln.«

In die große Sorge um die Menschen in Japan mischte sich bei den Aktivisten der Bürgerinitiativen das Entsetzen über die Reaktion der politisch Verantwortlichen in Berlin. »Die Havarie des Atomkraftwerks ist keine Naturkatastrophe, sie ist eine Folge der Naturkatastrophe«, so Wolfgang Ehmke von der BI Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. »Menschliche Fehler, Naturkatastrophen, Ermüdungserscheinungen des Materials – die Nukleartechnologie ist eine Hochrisikotechnologie.« Dazu komme die Gefahr, die von dem hochradioaktiven Müll ausgehe, der für eine Million Jahre sicher gelagert werden müsse. Reiner Baake, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, sagte, es sei besonders schmerzlich, daß die Atomkraftgegner auf diese Weise mit all ihren Mahnungen recht behalten hätten.

Quelle: www.jungewelt.de vom 14.03.11

Dieser Beitrag wurde am Montag, 14. März 2011 um 17:44 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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