Wolfgang Huste Polit- Blog

Bartschs Arm. Am Wochenende veröffentlichte der Spiegel wieder einmal einen Nachruf auf Die Linke. Die Auftraggeber der Todesanzeige sitzen wie immer in der Partei. Von Arnold Schölzel

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Der Spiegel ist ein sogenanntes Leitmedium der Bundesrepublik. Entsprechend ist er. Wo Jahrzehnte nach dem Krieg noch Kohorten von feschen Wehrmachtsleutnants und höheren SS-Chargen mit Hilfe des britischen und vieler anderer Geheimdienste ein »Sturmgeschütz der Demokratie« bastelten, herrscht heute der Ton der »Elite«: Man ist – schon einkommens- und statusmäßig – fester Bestandteil des hiesigen Politik- und Medienbetriebes, sitzt nicht mehr im Vorzimmer der Regierenden herum, sondern mit ihnen bei jeder Gelegenheit zusammen. Die Gesinnung ist strenger Mainstream, d.h. argumentimmun neoliberal, freudig – schon aus alter Tradition – beteiligt an jedem Krieg der westlichen Wertegemeinschaft, faktenresistent gegen soziale Fragen, haßerfüllt-fundamentalistisch auf alles, was politisch links steht oder vorgibt, dort zu stehen.

Mißfallen erregen daher beim Spiegel seit seiner Gründung durch Rudolf Augstein 1947 durch bloße Existenz Gewerkschaften – und seien sie noch so harmlos –, Kommunisten – und seien sie noch so sehr dem Grundgesetz verpflichtet – und – besonders gefährlich, weil zeitweise erfolgreich – linke Sozialdemokraten. Die publizistische Begleitung der PDS seit 1990 und der Linkspartei seit 2007 läßt daher nichts zu wünschen übrig: Tiefempfundene Abneigung genügt als Ausweis professioneller Kompetenz für den mit dieser Partei jeweils befaßten Spiegel-Redakteur, journalistische Standards spielen auf diesem Gebiet bei einem in Hamburg produzierten Medium ohnehin keine Rolle. Mit anderen Worten, es geht um Drecksackjournalismus. Davon war in dieser Zeitung im November 2009 schon einmal mit Bezug auf den Spiegel die Rede. Damals hatte die Illustrierte sich hochmoralisch – gegenüber Linken ist Moralanwendung von oben nach unten erster Grundsatz – aufgepumpt und vermeldet: »Lafontaines Rückzug sei schon Monate vor der Bundestagswahl abgesprochen worden.« Man zitierte sich selbst mit: »Das wäre ein Fall von Wählertäuschung.« Und verwies – so steht es mit der Moral bei den Linken – auf seine Zuträger: »Weggefährten Lafontaines gaben Einblicke in Hintergründe, wollten sich allerdings nicht namentlich zitieren lassen.« Die »Hintergründe« waren Flüstereien über Oskar Lafontaines Privatleben, die der Spiegel zur damaligen Bundestagswahl selbst veröffentlicht hatte. Thema: der mythische Kampf zwischen »Reformern« und Stalinisten, Betonköpfen, Dogmatikern, eben unzurechnungsfähigen Linken in der Linkspartei. Es handelte sich um den Teil einer Medienkampagne, die sich gegen den unzuverlässigen, weil als »Hinschmeißer« dargestellten Parteivorsitzenden richtete. Der Erfolg war mäßig, die Linkspartei zog mit einem beachtlichen Ergebnis in den Bundestag – was die herrschenden Medien bis heute souverän ignorieren. Die Affäre endete damit, daß Lafontaine seine Krebserkrankung öffentlich machte und diejenigen in der »Karl-Liebknecht-Behörde«, dem Hauptquartier der Partei, bloßstellte, die von ihm als Wahlsieger profitierten, aber seine Gesellschaftskritik und seine politische Programmatik u.a. mit Hilfe des Spiegel bekämpften. Die Geschichte endete vorläufig im Januar 2010 damit, daß der damalige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch zum Rückzug gezwungen wurde. Ihm hatte stern.de u.a. attestiert, die Kampagne gegen Lafontaine »orchestriert« zu haben. Gegen einen Nachdruck der entsprechenden Passage in junge Welt war Bartsch übrigens juristisch vorgegangen.

Unmittelbar nach der Wahl von Gesine Lötzsch und Klaus Ernst zu Parteivorsitzenden der Linken begann die Geschichte von vorn. Der Porsche des bayerischen Gewerkschafters, Bezüge, die auch schon frühere Parteichefs bezogen hatten, und anderes füllten das Sommerloch 2010. Als das nichts brachte, eröffnete ein Spiegel-Redakteur namens Stefan Berg im Januar dieses Jahres gleichzeitig mit dem Rechtsaußenblatt Junge Freiheit eine Kampagne wegen »Kommunismus« gegen Gesine Lötzsch, die einen Artikel zur Vorbereitung der Rosa-Luxemburg-Konferenz in jW veröffentlicht hatte. Seine Informationen hatte Berg, wie er nach einer Woche einräumte, aus der Rosa-Luxemburg-Stiftung erhalten. Tatsächlich richtete sich der inszenierte Krawall weniger gegen Absichten, in der Bundesrepublik den Kommunismus einzuführen, als vielmehr gegen »Lafontainismus«.

Im Spiegel dieser Woche wiederholte sich die Angelegenheit von neuem. Bestückt mit Informationen aus dem Archiv der Rosa-Luxemburg-Stiftung– insbesondere Bestände aus Dokumenten André Bries sollen dabei eine Rolle spielen – eröffnete Berg unter dem Titel »Honeckers Wurm« erneut eine Artikellawine der Mainstreammedien gegen die derzeitigen Parteivorsitzenden der Linkspartei. Wieder geht es ausschließlich um die von Lafontaine in die Programmdebatte der Linkspartei eingebrachten Haltelinien: keinen Personalabbau, keinen Sozialabbau, keine Privatisierung, keine Kriegsbeteiligung im Fall linker Regierungsbeteiligungen. »Daß der Spiegel in seiner Schmutzberichterstattung gegen Die Linke konstant aus der Partei heraus mit vertraulichen Informationen versorgt und aufmunitioniert wird, ist unerträglich«, kritisierte die Linke-Vizevorsitzende Sahra Wagenknecht. Und weiter: »Denjenigen, die sich an solchen Medienkampagnen beteiligen und sie befördern, geht es nicht darum, eine demokratische Auseinandersetzung um eine erfolgreiche Strategie der Partei zu führen. Es geht ihnen darum, Die Linke entweder mit Brachialgewalt wieder auf den von ihnen vertretenen Kurs der Annäherung an die SPD zu bringen oder sie zu zerstören. Dieses Vorgehen ist in höchstem Maße verantwortungslos.«

Quelle: www.jungewelt.de vom 15.04.11

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 15. April 2011 um 14:21 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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