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Mit allen Mitteln! Von Daniel Behruzi

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Bei der Auseinandersetzung um »Stuttgart 21« geht es längst nicht mehr um die Tieferlegung des örtlichen Bahnhofs. Sie ist zum Grundsatzkonflikt geworden: Können die berühmt gewordenen »Wutbürger« durch fortgesetzten massenhaften Protest beschlossene Vorhaben des Establishments kippen? Das darf nicht sein, denn sonst könnten die Regierten in diesem Land auf die Idee kommen, dergleichen bei ungleich wichtigeren Fragen wie der Rente mit 67 oder Hartz IV zu probieren. Daher wird mit allen Mitteln versucht, die Bewegung zu spalten, einzuschüchtern, zu demoralisieren. Dazu gehören der brutale Polizeieinsatz vom 30. September 2010 ebenso wie die aktuellen Verwirrspiele um den sogenannten Streßtest. Den Vogel schoß am Freitag aber das Stuttgarter Finanzamt ab: Es stellt die Gemeinnützigkeit der Umweltverbände BUND und VCD in Frage, weil diese sich »zu stark in die Tagespolitik« einmischten – gemeint ist ihr jahrelanges Engagement gegen das nicht nur sozial, sondern auch ökologisch katastrophale Bahnhofsprojekt.

Der BUND hat ebenso wie der VCD vom Finanzamt Stuttgart-Körperschaften ein Schreiben erhalten, wonach seine Gemeinnützigkeit geprüft werde. Das berichtete die BUND-Landesvorsitzende Brigitte Dahlbender, die zugleich Sprecherin des »Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21« ist, am Freitag. Sie vermutet ein »politisch motiviertes Interesse« – eine Anspielung auf die SPD, die das Finanzministerium leitet und den Bahnhofsbau unterstützt. »Unser politisches Engagement ist durch unsere Satzung gedeckt«, stellte Dahlbender klar. Als Zwecke seien dort umweltpolitisches Engagement und Aktivitäten zur politischen Willensbildung angegeben. Da müßten Sie allen politisch aktiven Nichtregierungsorganisationen das Recht aberkennen, politisch tätig zu sein«, so die Verbandsvorsitzende.

Die Propagandaoffensive des Establishments nach dem vermeintlich positiven »Streßtest« zur Leistungsfähigkeit von »Stuttgart 21« geht derweil weiter. Mit der von der Schweizer Firma SMA – auf Grundlage von Vorgaben der Bahn AG – vorgelegten Simulation sei »grünes Licht gegeben«, sagte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) am Freitag in Bad Staffelstein. Die Gegner des Tiefbahnhofs müßten die Ergebnisse akzeptieren und ihren Widerstand einstellen. Ohnehin sei der Vertrag zu »Stuttgart 21« nicht kündbar. Der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner (SPD) und der Baden-Württembergische Handwerkstag forderten, die Bauarbeiten wieder aufzunehmen. Selbst Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schaltete sich ein und erklärte, Schlichtungen könnten nur funktionieren, wenn sich die Beteiligten an diese Absprachen hielten. Gemeint waren damit erstaunlicherweise nicht die Bahn – die weiterhin grundlegende Informationen für sich behält –, sondern die Kritiker des Projekts.

Zunehmend verwirrt zeigt sich der »Schlichter« Heiner Geißler. Einerseits räumte der Unionspolitiker gegenüber Focus online ein, es sei falsch gewesen, das »Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 bei der Ausarbeitung des Streßtests nicht mit einzubeziehen«. Andererseits nannte er die Reaktion des Bündnisses, sich an der »öffentlichen Schauveranstaltung über einen Alibistreßtest« nicht zu beteiligen, »völlig irrational«.

Einen weiteren Schwindel deckte am Freitag offenbar stern.de auf. Unter Berufung auf Bahnkonzernkreise meldete das Internetportal, es gebe interne Überlegungen, die Anlagen am Stuttgarter Flughafen umzuplanen. Die Rede sei von weit über hundert Millionen Euro Zusatzkosten. Das Eisenbahn-Bundesamt hat alle bisher eingereichten Pläne abgelehnt, da die »erforderliche Reife« fehle. Zudem veröffentlichte stern.de erstmals Auszüge des Dossiers »Chancen und Risiken« der DB Projektbau GmbH, einer Kostenanalyse der Bahn zu »Stuttgart 21«. Die Stuttgarter Landesregierung verlange seit Wochen vergeblich, diese Risikoanalyse einsehen zu können.

Quelle: www.jungewelt.de

Dieser Beitrag wurde am Sonntag, 24. Juli 2011 um 14:18 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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