Die »Perle der Karibik«, Ziel von Traumreisen und Träumern: Es locken karibisches Flair, die Schönheit der Menschen und eine ewig scheinende Sonne; den revolutionären Schwärmer die innere Erbauung. Die wachsende Beliebtheit spült dringend benötigte Devisen in Kubas klamme Staatskasse. Fast eine Milliarde Dollar konnten nach Angaben des Ministeriums für Tourismus im ersten Halbjahr 2011 in der Branche erwirtschaftet werden. 1,5 Millionen ausländische Touristen bedeuten eine Steigerung von 10,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Als Herkunftsländer liegen Kanada, England und Italien an der Spitze. Mit dem Bau neuer Hotelanlagen, von Golfplätzen und Yachthäfen sollen vor allem noch mehr zahlungskräftige Besucher nach Kuba gelockt werden. Dabei haben die Planer zum einen den lateinamerikanischen Markt im Visier: Folgerichtig stand Mexiko im Mittelpunkt der diesjährigen internationalen Tourismusmesse FITCuba Anfang Mai in Havanna. Die angesichts gestiegener Preise erschlaffte Reiselust der Nachbarn soll neu angefacht werden. Eine Verbesserung von Qualität und Service sowie neue thematische Konzepte rücken damit in den Fokus kubanischer Reiseveranstalter. An die Lunge gelegt sei ein Besuch der »Tabakroute« bei den Bauern und Zigarrenherstellern in der westlichen Provinz Pinar del Rio. Auch auf eine von Havanna erhoffte Touristeninvasion aus den Vereinigten Staaten von Amerika will man vorbereitet sein. US-Präsident Obama hat Reisebestimmungen für Kuba gelockert. In einem begrenzten Rahmen ist damit trotz der anhaltenden Wirtschaftsblockade gegen die sozialistisch regierte Insel US-Bürgern ein Besuch dort möglich, ohne erst den verschleiernden Umweg über ein Drittland nehmen zu müssen.
»Das Auto und einfach alles hier gehören dem Staat«, schimpft der Taxifahrer Eduardo. Zu einem saftig überhöhten Fahrpreis setzt er ausländische Touristen zur Ferieninsel Cayo Santa Maria über, die sich zu einem neuen großen Devisenbringer entwickeln soll. 48 Kilometer Piste verbinden das Archipel vor der Nordküste der zentralen Provinz Villa Clara mit dem Festland. Als er vom Bau des Damms berichtet, klingt doch Stolz mit. 1991 fiel der erste Spatenstich, gerade als mit der »Spezialperiode« die härteste Krisenzeit nach dem Wegfall der osteuropäischen Handelspartner anbrach. Zehn Jahre dauerte seine Errichtung. Dutzende Brücken lassen das Wasser zirkulieren. Auch über einen eigenen Flughafen können Besucher – vor allem aus Kanada – hier einschweben. Im Biosphärenreservat am zweitgrößten Riff der Welt mit seinen elf Kilometer langen Traumstränden entstehen seit 2001 immer neue, gehobene Hotelanlagen. Zuletzt wurde hier im November 2010 das »Tropical« mit 1386 Zimmern fertiggestellt. Dabei gelten strenge Auflagen: So darf seit 15 Jahren in Kuba ein Uferstreifen von mehr als 150 Meter Breite nicht bebaut werden. Das Warmwasser im Ferienparadies wird ausschließlich mit Solarenergie erzeugt, jedes Hotel verfügt über eine eigene Kläranlage. Plastikmüll wird gesammelt und recycelt. Jene Lebensmittel, die nicht importiert werden müssen, werden regional erzeugt. Die Hotels verbleiben in staatlichem Besitz und werden vom spanischen privaten Barceló-Konzern gemanagt. Der ist spezialisiert auf Resorts – touristische Disneylands im jeweiligen Landeskolorit. Zu stattlichen Preisen wird Erholung und Unterhaltung »all inclusive« geboten – die Realität des Landes mal ausgenommen.
Für diese ist im heutigen Kuba die rosarote Brille fehl am Platz. Das monatliche Durchschnittssalär liegt bei umgerechnet 15 bis 20 Euro. Viele Dienstleistungen und Waren sind nur in den Devisenläden, Tiendas, zu haben. Um so begehrter sind Jobs im Tourismus, um an Trinkgelder zu gelangen. In kaum einem anderen Land wird man auf so hochgebildete Reiseführer stoßen, die das Katheder gegen das Mikrofon im chinesischen Yutong-Bus eingetauscht haben. Angesichts von Haushaltsdefizit und negativer Handelsbilanz hat Kubas Regierung unter Raúl Castro ein drastisches Reformprogramm aufgelegt, Hunderttausende staatliche Stellen stehen zur Disposition. Die »Anpassungen am sozialistischen Modell« sollen Dirigismus dämpfen und kleinen Privatunternehmen oder Genossenschaften den Weg bahnen. Ein schwieriger sozialer Balanceakt steht bevor.
Wirtschaftliche Misere und die Sehnsucht danach, etwas von der Welt jenseits der »blauen Wand« ringsum kennenzulernen, halten den Auswanderungsdruck hoch. Staatschef Raúl Castro hat auf Forderungen der Bevölkerung reagiert und angekündigt, restriktive und kostspielige Reisebestimmungen für Kubaner abzubauen. Für viele wird es jedoch unerschwinglich bleiben, Tourismus von der anderen Seite zu erleben.
Reiseinformationen zu Kuba: Kubanisches Fremdenverkehrsamt www.cubainfo.de
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.08.11
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