Wolfgang Huste Polit- Blog

Von Beckenbauer zu Atta. Ein anderer Elfter September ist möglich. Von Wiglaf Droste

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Der elfte September ist ein hoher Feiertag in Deutschland. Am 11. September 1945 wurde Franz Beckenbauer geboren, ein Mann, der sich großer Verehrung erfreut, seit er vom Fußballer zum Reklamehonorarempfänger herabsank, zum Funktionär, zum DFB-Reisekader, zum Geschaftlhuber, zum medial omnipräsenten, ja omnipenetranten Erfolgsschnäuzchenträger, dessen geballte Banalität in Deutschland als Ausdruck von Lebenskunst und »Philosophie« gilt. Wenn die als »Kaiser« und »Lichtgestalt« angebetete Grinsebacke Beckenbauer »Schau mer mal« sagt, liegt Mediendeutschland auf dem Bauch, und immer ist im Zusammenhang mit Beckenbauer der Satz zu hören: »Der Erfolg gibt ihm recht.«

Dieses gemeingefährliche Freibriefdiktum könnte auch einer wie Anders Breivik für sich reklamieren, und auch Mohammed Atta und seinen Komplizen kann man Mangel an Erfolg nicht vorwerfen. Sie brachten das Spielgerät ins Ziel, das Geflügelte traf ins Eckige, und genau das wollten sie ja auch. Der größenwahnsinnige Kleingeist Beckenbauer wäre mir als Aufschlagspunkt lieber gewesen, und daß Deutschland nach 1945 so sträflich straffrei ausging, hätte ja auch nicht so bleiben müssen. Ein paar Boeings aus dem Architekturbüro bin Laden und Partner hätten Deutschland gutgetan, ästhetisch wie politisch. Aber ich hatte 2001 die Musik nicht bestellt und konnte deshalb auch nichts fordern.

So flogen Mohammed »Scheuerpulver« Atta & Kompagnons am 11.September ins New Yorker Büro. Die beiden spektakulären Landungen wurden gefilmt und wieder und wieder im TV gezeigt; offenbar gebot bin Laden über die weltgrößte Marketingabteilung, die im Halbminutenrhythmus die Botschaft verbreitete: Yes, they can! Man kann die USA erfolgreich angreifen. Es geht, das Land ist nicht unverwundbar. Aus den US-Exportschlagern Krieg und Tod kann man eine unerbetene Importware machen. Es war die reine Propaganda – nicht gegen, sondern für die Attentäter. Da nützten auch die Stammeleien der Kommentatoren nichts; weder Politiker noch ihre Journalisten waren in der Lage, den Zuschauern einzuhämmern, was sie zu empfinden hätten.

Es gab viel Ausdruck von Lebensfreude an diesem 11. September 2001; jede andere Behauptung wäre Heuchelei. In Lateinamerika tanzten Tausende in den Straßen, und mancher fand auch nicht ungerecht, daß die USA am Jahrestag der Ermordung Salvador Allendes, die ohne die aktive Beteiligung der CIA nicht möglich gewesen wäre, die Hosen herunterlassen mußten. Daß es – außer beim Angriff auf das Pentagon – Unschuldige traf, fiel dabei nicht ins Gewicht; es wurde im Gegenteil als Zynismus empfunden, daß jeder amerikanische Tote rasch ein Gesicht bekam, während die Opfer von US-Soldaten als anonyme Massenware behandelt worden waren. Agent Orange, Napalm – nichts war vergessen. Und manche freuten sich auch bloß so, wie man sich eben freut, wenn St. Pauli gegen Bayern München gewinnt, auch wenn man mit St. Pauli gar nichts am Hut hat.

Auf den kurzen Rausch folgte ein langer Kater; unterbelichtete Sicherheitsfittis von Schäuble an aufwärts machen die Welt mit sich voll und dumm. Die Freiheit des Westens, die verteidigt wird, trägt die Züge eines Sicherheitstraktes. Verschwörungstheoretiker hören nicht auf zu spinnen, und ihren Gegnern von der »Achse des Guten« fällt nichts Öderes ein, als sie mit Auschwitz-Leugnern auf eine Stufe zu stellen. Da riecht es dann eher nach der Altherrenachsel des Blöden. Auch solche Rechthabereien unter Landsleuten lassen mich wehmütig davon träumen, die Flugreisen am 11. September 2001 hätten Deutschland zum Ziel gehabt.

Für die USA hat es wirtschaftlich mittlerweile größte Bedeutung, ob in China ein Sack Reis umfällt; der Einsturz zweier häßlicher und sehr verzichtbarer Türme hat nur nationalfolkloristische Bedeutung. Für mich wird der 11. September 2001 bleiben als die Geburtsstunde der bemannten fliegenden Architekturkritik. Das Ingenieurbüro bin Laden & Erben könnte weiterhin viel zur Verschönerung der Welt beitragen. Gegen blindundtaube Hirne/ hilft recht gut die Abrißbirne. Um es präsidial zu sagen: auch und gerade in Deutschland.

Quelle: www.jungewelt.de vom 10.09.11

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 10. September 2011 um 14:54 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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