Bei ABC-Schützen kann die Bundeskanzlerin noch heile Welt spielen: Am Donnerstag gründete sich anläßlich ihres Besuches an einer Grundschule in Berlin-Wedding ein Angela-Merkel-Fanklub (»Sie sieht so aus wie im Fernsehen – sehr attraktiv«). Anschließend aber brach Chaos aus: Die Regierungschefin ließ die auf sie wartenden Kultusminister der Länder stehen, verschob die Regierungserklärung auf Mittwoch und mußte zur Kenntnis nehmen, daß der CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer am Abend nicht zum Treffen mit ihr und FDP-Chef Philipp Rösler erschien.
Am Freitag setzte sich das Durcheinander fort: Merkel erschien in Sondersitzungen der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP, ohne dort Einzelheiten zu erläutern. Über Agenturen wurden Andeutungen zur Kernfrage des zweigeteilten EU-Gipfels am kommenden Sonntag und Mittwoch verbreitet: Es geht um den sogenannten Schuldenschnitt für Griechenland und die weitere Einschränkung von dessen Souveränität.
Nach Teilnehmerangaben erklärte Merkel, es nähere sich der Zeitpunkt, an dem man feststellen müsse, daß die bisherigen Vereinbarungen nicht mehr die Schuldentragfähigkeit Griechenlands sicherten. Bereits am Dienstag hatte sie eine »permanente Troika« zur Beaufsichtigung Athens ins Spiel gebracht. Am Freitag munterte sie die Abgeordneten mit Sprüchen wie »Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit« auf. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) versicherte zugleich, daß es keine Bankenlizenz für den Euro-Rettungsschirm EFSF geben werde, wie es Frankreich wünscht. Auch Wirtschaftsminister Philipp Rösler erteilte dem französischen Vorschlag am Freitag eine Absage: »Wir wollen auf gar keinen Fall, daß es eine Bankenlizenz für die EFSF dann selber geben soll.«
Um die Verwirrung komplett zu machen, leugnete Berlin zugleich schlicht jeden Streit. Regierungssprecher Steffen Seibert behauptete, es gebe keine »grundsätzliche deutsche Uneinigkeit mit Frankreich«. Schäuble erklärte: »Frankreich und Deutschland sind in ihren Positionen überhaupt nicht verhakt.« Zuvor hatte dagegen Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker kommentiert: »Die Außenwirkung ist desaströs.« Das sieht offenbar US-Präsident Barack Obama nicht anders. Er nahm Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy per Videokonferenz ins Gebet, worüber Reuters berichtete: »Merkel und Sarkozy hätten die Dringlichkeit der Probleme erkannt und arbeiteten an einer umfassenden Lösung, teilte das US-Präsidialamt mit.«
Die Linkspartei verschärfte am Freitag ihre Kritik an der Krisenstrategie. Die Vorsitzende Gesine Lötzsch erklärte auf dem Parteitag in Erfurt: »An Griechenland soll ein Exempel statuiert werden. Hier zeigen die Herrschenden, mit welcher Brutalität sie bereit sind, gegen ein ganzes Volk vorzugehen.« In einer Resolution des Parteitags ist die Rede von einem »Verarmungsprogramm für die Bevölkerung der Krisenländer«. Zuvor hatte der frühere Parteivorsitzende Oskar Lafontaine im Deutschlandfunk erklärt: »Die heutige Bankenwelt ist so aufgebaut, daß sie eben zu millionenfacher Arbeitslosigkeit führt bis hin auch zum Hungertod, und man muß eben den Systemwechsel durchführen.«
Die »Occupy«-Bewegung und ATTAC wollen am Samstag, 13 Uhr, in Berlin am Brandenburger Tor gegen die Macht der Banken demonstrieren. Auch in anderen deutschen Städten sind Aktionen geplant.
Quelle: www.jungewelt.de vom 21.10.11
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