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Nazijagd, Teil zwei. Immer noch mehrere hundert faschistische Verbrecher auf freiem Fuß. Wiesenthal-Zentrum eröffnet neue Kampagne zur Ergreifung von Angehörigen der »Einsatzgruppen«. Von Frank Brendle

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Es ist noch nicht vorbei«, verkündete Efraim Zuroff am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Berlin. Der gerne als »Nazijäger« bezeichnete Direktor des Jerusalemer Simon-Wiesenthal-Zentrums stellte den wohl letzten Versuch vor, der noch frei lebenden Naziverbrecher habhaft zu werden: »Operation Last Chance II« (etwa: Operation Letzte Möglichkeit, Teil 2).

Vor zehn Jahren hatte Zuroff den »ersten Teil« der Operation ausgerufen. Damals wurden Belohnungen ausgesetzt auf Informationen, die zur Ergreifung von Kriegsverbrechern führten, seien es Deutsche, Österreicher oder Kollaborateure in den von den Nazis besetzten Staaten. Allein während dieser Kampagne wurden 603 Verdächtige aufgefunden, gegen 102 von ihnen ermitteln nun die Staatsanwaltschaften. Allerdings liegen alleine 46 Fälle in Litauen, weitere 14 in Lettland. Diese Staaten erhalten auf einer vom Simon-Wiesenthal-Zentrum erstellten Rating-Liste die schlechteste Bewertung: Strafverfahren enden dort in vollständigem Scheitern, was vorrangig »am Fehlen eines politischen Willens« zur Strafverfolgung liege, so Zuroff. Scharfe Kritik äußerte er auch an Österreich, das die Anklage gegen eine Aufseherin im Vernichtungslager Majdanek mit der Begründung ablehnt, sie habe sich lediglich der »passiven Beihilfe zum Völkermord« schuldig gemacht.

Von den zehn meistgesuchten Naziverbrechern leben gleich fünf völlig unbehelligt in Deutschland, darunter Klaas Carl Faber und Gerhard Sommer, die von einem niederländischen bzw. italienischen Gericht wegen Mordes verurteilt wurden. Die deutschen Behörden machen ihnen weder den Prozeß noch liefern sie sie aus.

Dennoch bekommt Deutschland beim Wiesenthal-»Rating« die Note zwei. Die USA werden als einziges Land mit einer Eins bewertet. In der BRD gebe es zwar Bundesländer, die überhaupt keine Ermittlungen führten, wie etwa sämtliche ostdeutschen, in anderen aber gebe es sehr engagierte Staatsanwälte.

Anlaß für die neue Kampagne ist eine Entscheidung des Münchner Landgerichts. Dort wurde im Frühjahr der gebürtige Ukrainer John Demjanjuk wegen Mordes verurteilt. Anders als in früheren Verfahren dieser Art verzichtete das Gericht auf einen Einzelbeweis für einen von Demjanjuk eigenhändig durchgeführten Mord. Der Schuldspruch basierte auf seiner Zugehörigkeit zur Wachmannschaft des Vernichtungslagers Sobibór. »Dadurch hat sich die juristische Situation völlig verändert«, so Zuroff. Man könne jetzt sämtliche Angehörige der SS-Einsatzgruppen und Vernichtungslager anklagen, auch wenn es keine Zeugen mehr gebe, die ihre Schuld beweisen könnten. Rund 4000 Soldaten und Polizisten hätten in diesen Einheiten gedient. Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, allen voran Deutschlands, sei es nun, den Aufenthaltsort der noch Lebenden ausfindig zu machen und sie anzuklagen oder ihre Auslieferung zu erreichen. Aufschluß könnten etwa die Akten der Invalidenrenten geben. Zuroff warnte vor »falscher Sympathie« angesichts des hohen Alters dieser Personen: »Das Alter macht ihre Verbrechen nicht geringer«. Unter Anspielung auf die Mordserie einer Nazi-Terrorgruppe in Deutschland sagte Zuroff, man sehe, welche Dimension faschistische Verbrechen haben. Die Belohnung für erfolgreiche Hinweise wurde erhöht auf bis zu 25000 Euro.

Insgesamt sind laut Zuroff derzeit noch rund 1900 Ermittlungsverfahren weltweit am Laufen. Unter dem Strich liege das Verhältnis von ermittelten Verdächtigen und tatsächlichen Urteilen bei hundert zu eins.

Von Efraim Zuroff ist soeben die deutsche Ausgabe seines jüngsten Buches erschienen: Operation Last Chance, 276 Seiten, Prospero-Verlag, ISBN 978-3-941688-16-2, 19 Euro

www.operationlastchance.org

Quelle: www.jungewelt.de vom 16.12.11

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 16. Dezember 2011 um 17:59 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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