Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) scheint, sieht man ihn vor der Kamera um »Vertrauen« für den Staat bittend, immer noch nicht seinen Schrecken ob der Tatsache überwunden zu haben, daß da quasi über Nacht und überhaupt nicht voraussehbar eine seit über einem Dutzend Jahre durchs Land ziehende neonazistische Mörderbande öffentlich geworden ist. Und das bei Existenz von über 30 klandestinen, zur Bewahrung der »wehrhaften Demokratie« geschaffenen Diensten. Einer davon, der »Verfassungsschutz«, oder kurz: VS, fällt allerdings, weil von Beginn an weitgehend anderweitig beschäftigt, für dieses »Sachgebiet« aus. Der Bremer Rechtsanwalt Rolf Gössner nennt darum auch den Titel dieser staatlichen Institution »eine recht schönfärberische Bezeichnung für einen veritablen Regierungsgeheimdienst – ein Euphemismus, vergleichbar der Rakete, die den Namen ›Peacemaker‹ trägt, oder dem Atommülllager, das als ›Entsorgungspark‹ firmiert«. Der VS, ein »ideologisches Kind des Kalten Krieges« mit der »Lizenz zur Infiltration, Täuschung, Manipulation, Gesinnungsschnüffelei und Desinformation«, so Gössner, wurde aufgebaut zur »Absicherung des westdeutschen ›Bollwerks gegen den Kommunismus‹« (Rolf Gössner: Geheime Informanten. V-Leute des Verfassungsschutzes: Kriminelle im Dienst des Staates. Knaur Taschenbuch, München 2003).
Hinter den hohen Mauern dieses Bollwerks hat sich der »Dienst« heute noch immer eingegraben. Es blieb dem Fraktionsvorsitzenden der Partei Die Linke, Gregor Gysi, vorbehalten, bei der Bundestagsdebatte am 22. November zu fordern, den Verfassungsschutz auf den Prüfstand zu stellen und, ohne dabei ein Echo im »Hohen Haus« zu finden, das Ende der Überwachung seiner Partei und aller antifaschistischen Organisationen zu verlangen.
Ähnliches war vor 50 Jahren in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit zu lesen gewesen. Ihm scheine es geboten, hatte dort der Stuttgarter Oberlandesgerichtspräsident Dr. Richard Schmid geschrieben, »die Verfassung vor den Verfassungsschutzämtern zu schützen« (Die Zeit, 29.12.1961). Das DGB-Blatt Welt der Arbeit hatte da schon unter Berufung auf eine Untersuchung der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) berichtet, daß im Bundesland Nordrhein-Westfalen »mindestens 200 SD- und Gestapoangehörige in leitenden Polizeifunktionen an Rhein und Ruhr amtieren« (Welt der Arbeit, 9.10.1959).
Am 3. September 1963 legte Metall, das Organ der gleichnamigen Industriegewerkschaft, bei Nennung einer Anzahl von Namen der beim VS Beschäftigten, nach: »Der Verfassungsschutz der Bundesrepublik ist Todfeinden der Freiheit und des Rechts anvertraut. Frühere SS-Führer, ehemalige Beamte und Agenten des berüchtigten SD sind an wichtigsten Stellen des Bundesverfassungsschutzamtes tätig.« Hier war Hubert Schrübbers, Präsident des VS von 1955 bis 1972, das herausragende Beispiel für den unverfrorenen Einbau altgedienter Faschisten in das »Bollwerk gegen den Kommunismus« (siehe auch junge Welt, 24.11.2010).
Damit waren, ähnlich wie in der Justiz oder in der jungen Bundeswehr, all die wieder rekrutiert worden, die sich in den Jahren der faschistischen Herrschaft die Hände blutig gemacht hatten bei der gnadenlosen Jagd gegen diejenigen, die auf dem europäischen Kontinent Widerstand gegen die Kriegsmaschinerie und den damit einhergehenden braunen Terror leisteten.
Nun drohte den Überlebenden dieses Terrors im »Rechtsstaat« BRD zwar nicht mehr die Todesstrafe oder das Konzentrationslager. Aber parallel zu den Gesetzen zur Quasi-Amnestierung der Jäger von damals erfolgte die in den Verfassungsschutzberichten einiger Bundesländer bis in die Gegenwart reichende neuerliche Bannung der antifaschistischen Organisationen als »Linksextremisten« (siehe unten). Dafür stehen aus den Gründerjahren u.a. die Ausnahmeverordnung vom 19. September 1950, durch die es Angehörigen des öffentliche Dienstes verboten worden war, Mitglied der KPD oder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) zu sein; der vor 60 Jahren am 22. November 1951 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gestellte Antrag auf Verbot der KPD und Verfügungen der Bundes- und Landesbehörden zum Verbot der VVN.
In der Bundesrepublik greife »die Unsitte immer mehr um sich, politisch Andersdenkende zu diffamieren«, konstatierte das DGB-Organ Welt der Arbeit (14. April 1961) in einem Beitrag über den Geist der von Bonn verordneten und von den Ämtern des Verfassungsschutzes exekutierten Politik. Das Blatt zitierte den damaligen ÖTV-Vorsitzenden Adolph Kummernuß: »Die Bundesrepublik entwickelt sich zum klassischen Land des Rufmordes.« Nur »zu schnell und leichtfertig« werde jeder ernsthafte Kritiker »als Kommunist und Drahtzieher Moskaus« verschrien, war am 3. August 1962 im Westdeutschen Tageblatt zu lesen. »Die Methode ist gleichermaßen hinterhältig wie bequem.«
Das könnte heute geschrieben sein. Denn die »Hirten« beim VS lassen keinen aus, den sie einmal ins Visier genommen haben. Als der 2006 verstorbene Kommunist Kurt Baumgarte – zwölf Jahre Zuchthaus im Faschismus, 24 Monate Gefängnis unter Adenauer – 1991 im Alter von 79 Jahren Auskunft über seine Akte forderte, erhielt er vom niedersächsischen Innenministerium detailliert Daten seines politischen Lebens aufgelistet. Endend mit der ihn beruhigenden Versicherung: »Die einschlägigen Vorgänge werden fortgesetzt.«
Quelle: www.jungewelt.de vom 08.12.11
Die hohe Nachfrage nach Kriegsgütern hat der deutschen Rüstungsindustrie im vergangenen Jahr einen Exportboom beschert. Der Wert der Waffenausfuhren summierte sich 2010 auf 2,1 Milliarden Euro, wie aus dem Rüstungsexportbericht hervorgeht, den das Kabinett am Mittwoch in Berlin verabschiedete. Dies waren 58 Prozent mehr gegenüber 2009, als Kriegsgüter für 1,3 Milliarden Euro exportiert worden waren. Laut einer im Bericht zitierten Studie des US-amerikanischen Congressional Research Service lag Deutschland 2010 bei den tatsächlichen Waffenausfuhren weltweit an dritter Stelle hinter den USA und Rußland. Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hatte bereits im Juni darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik in den letzten fünf Jahren beinahe so viele Rüstungsgüter ausgeführt hat wie Frankreich und Großbritannien zusammen.
Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte die starke Zunahme mit einem Sondereffekt: Die Hälfte des Gesamtwerts für 2010 basiere auf der Lieferung von Kriegsschiffen an NATO-Partnerländer. Allerdings nahmen auch die Ausfuhren in Entwicklungsländer deutlich zu: Von 52 Millionen Euro 2009 verdoppelten sie sich auf 108 Millionen. Davon entfielen allein 65 Millionen auf Pakistan und 27,6 Millionen auf den Irak.
Insgesamt wurden im Jahr 2010 Exportgenehmigungen für Kriegsgüter im Wert von rund 4,7 Milliarden Euro erteilt, das waren 290 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Die Summe steht für Vertragsabschlüsse, nicht für tatsächlich ausgeführte Waren. Von diesem Volumen entfielen rund 70 Prozent auf EU- und NATO-Staaten, auf Entwicklungsländer 365 Millionen Euro. Das waren dem Ministerium zufolge 43 Millionen Euro weniger als 2009. Nur ein winziger Bruchteil der Exportanträge wurde nicht bewilligt, worauf der Abgeordnete Jan van Aken (Die Linke) in einer Auswertung des Berichts hinwies: Gerade einmal 0,15 Prozent des beantragten Volumens seien 2010 abgelehnt worden.
Größter außereuropäischer Vertragspartner 2010 war Südkorea. Der Wert der genehmigten Rüstungsexporte dorthin belief sich 2010 auf 270 Millionen Euro. Die Vereinigten Arabischen Emirate folgten mit 262 Millionen Euro. Saudi-Arabien liegt mit 152 Millionen Euro auf Platz zehn aller Empfängerländer. Die Bundesregierung war im Sommer in die Kritik geraten, weil sie nach undementierten Medienberichten den Export von 200 »Leopard 2«-Kampfpanzern in das fundamentalistisch regierte Königreich genehmigt hatte.
Wie Die Zeit am Mittwoch meldete, will Saudi-Arabien weitere 70 dieser Panzer von der deutschen Firma Krauss-Maffei-Wegmann kaufen. Dies hätten der im saudischen Verteidigungsministerium zuständige General Abdullah Al-Saleh sowie der Militärattaché der BRD-Botschaft in Riad bestätigt.
Das Bundeswirtschaftsministerium erklärte, alle Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsexporte seien nur nach »eingehender Prüfung im Einzelfall« erteilt worden, damit die Waffen »nicht für Menschenrechtsverletzungen mißbraucht werden oder zur Verschärfung von Krisen beitragen«.
Der Rüstungsexportbericht 2010 sei »ein menschenrechtlicher und friedenspolitischer Offenbarungseid der Bundesregierung«, kommentierte der Linkspolitiker Aken. Das Papier zeige deutlich, daß nur gesetzliche Verbote den Export deutscher Waffen wirksam einschränken könnten. Dies verlangten auch Peter Strutynski und Lühr Henken vom »Bundesausschuß Friedensratschlag«. Beide plädierten zudem für die Einrichtung eines Konversionsfonds, um die Umstellung von Rüstungsbetrieben auf zivile Güter zu fördern.
Quelle: www.jungewelt.de vom 08.12.11
Zum wiederholten Mal traf sich die »Internationale Gemeinschaft«, um über die Zukunft Afghanistans zu beraten. Doch weder von Beratung noch von »Zukunft« konnte in Bonn die Rede sein. Die Schlußerklärung war im Vorfeld bereits festgezurrt worden, die Ansprachen bestanden aus Fensterreden, die zudem der Selbstdarstellung der beteiligten Delegationen dienten, und die »Zukunft« Afghanistans wurde lediglich auf das Datum des sogenannten Abzugs der internationalen Truppen Ende 2014 reduziert. Alle darüber hinausgehenden Versicherungen, an der Seite Afghanistans und seines Volks zu stehen und auch über 2014 hinaus »Verantwortung« zu übernehmen, müssen so lange als Lippenbekenntnisse bewertet werden, als nicht wirklich Geld in die Hand genommen wird, um wenigstens den in den zehn Kriegsjahren angerichteten materiellen Schaden zu reparieren. Zu allem Überfluß kam noch die »Einladung« Karsais an die USA, Deutschland und andere Staaten der Kriegsallianz, noch länger im Land zu bleiben, auch mit Militär. Eine Einladung zur Fortsetzung des Krieges über 2014 hinaus!
Die meist verwendeten Begriffe waren »Transformation«, »Demokratie«, »Rechtsstaatlichkeit«, »Menschenrechte«, »gute Regierungsführung«, »Wirtschaftswachstum« und »Wohlstand«. Woran es den Menschen am wenigsten mangelt, sind gute Wünsche.
Die Konferenz wäre eine Gelegenheit gewesen, eine Bilanz zu ziehen. Sie kam weder von Afghanistan noch von den anderen Regierungsvertretern. Wir müssen sie nun selbst versuchen.
Die »Fortschritte«, welche angeblich erreicht worden sind, wurden in den verschiedenen Reden folgendermaßen beschworen: verbesserte Sicherheitslage; mehr Stabilität; mehr Bildung und Rechte für die Frauen; mehr Demokratie (wobei hier interessanterweise weniger auf das gewählte afghanische Parlament, sondern und mehr auf die kürzlich zusammengetretene »Loya Dschirga« verwiesen wurde).
Diesen behaupteten »Fortschritten« in Afghanistan stehen die Fakten gegenüber, die hier noch einmal wiederholt werden sollen: Kaum eine Verbesserung des Bildungsniveaus (gemessen an der Alphabetisierungsrate); keine wirkliche Änderung der Situation der Frauen (Afghanistan hat die höchste Müttersterblichkeit; 80 Prozent der Frauen werden zwangsverheiratet, davon ist die Hälfte jünger als 16 Jahre); stark steigende Jugendarbeitslosigkeit; zunehmende Anzahl der Menschen unter der absoluten Armutsgrenze; zunehmender Bedarf an internationaler Hungerhilfe; über 60 Prozent der Bevölkerung leiden aufgrund des Krieges an psychischen Krankheiten; Ausweitung des Krieges nach Pakistan.
Aufgrund des geringen Erfolgs eines zivilen Aufbaus im Krieg ist die Stimmung in der afghanischen Bevölkerung gekippt. Eine Mehrheit ist gegen den NATO-Krieg und empfindet nach einer repräsentativen Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung die ISAF-Truppen nunmehr als Besatzung (56 Prozent). Und was die angeblich verbesserte Sicherheitslage anbetrifft, treiben zum einen von den USA ausgerüstete afghanische Milizen zunehmend ihr Unwesen, und zum anderen handelt es sich beim Rückgang der ressourcenaufwendigen offenen Talibanangriffe um eine kräftesparende Taktikänderung hin zu Anschlägen auf Hochwertziele. (…)
Quelle: www.jungewelt.de vom 07.12.11
Diyarbakir. Nach längerer Unterbrechung wurde am Dienstag in Diyarbakir der seit über einem Jahr laufende Prozeß gegen 151 kurdische Politiker mit dem 28. Verhandlungstag fortgesetzt. Die Angeklagten, darunter ein Dutzend Bürgermeister und zahlreiche Vorstandsmitglieder prokurdischer Parteien, werden beschuldigt, der Union der Gemeinschaften Kurdistans KCK anzugehören. Für die Staatsanwaltschaft handelt es sich dabei um eine Frontorganisation der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans PKK. Keinem der Angeklagten wird eine Gewalttat vorgeworfen. Vielmehr werden sie beschuldigt, mit ihrem Eintreten für eine politische Lösung der kurdischen Frage im Auftrag der PKK zu handeln.
Bei landesweiten Razzien waren in den letzten Tagen erneut Dutzende Funktionäre der prokurdischen Partei für Frieden und Demokratie BDP inhaftiert worden. Am Dienstag wurden zudem 13 Personen in Istanbul unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Stadtguerilla festgenommen. Unter dem Motto »Ich zeige mich selbst an« haben sich unterdessen Hunderte BDP-Politiker mit den Verhafteten solidarisiert.
Quelle: www.jungewelt.de vom 07.12.11
Was für ein Timing! Nur einen Tag nach der internationalen Afghanistan-Konferenz in Bonn hat die von der NATO gestützte Regierung in Kabul mit der Ausschreibung für die Erschließung von Gold- und Kupfervorkommen begonnen. »Afghanistan ist geologisch gesehen ein reiches Land. Die Untersuchung eines nur kleinen Teils der Fläche unseres Landes zeigt, daß es ein beachtliches Potential für Mineralressourcen gibt«, schwärmte Wahidullah Shakrani, Minister für Bergbau, bei der Bekanntgabe des Ausverkaufs am Dienstag. Das US-Außenministerium geht davon aus, daß die afghanischen Bodenschätze einen Wert von einer Billion Dollar (744 Milliarden Euro) haben.
»Die Regierung der Islamischen Republik Afghanistan beginnt eine Privatisierung und ein Lizenzprogramm für vier seiner Mineralprospektionen«, so Shakrani. Konkret soll mit der Erkundung und Rohstoffausbeutung in den Provinzen Badachschan, Ghasni und Herat begonnen werden sowie einem vierten Gebiet, das die Provinzen Balch und Sar-i-Pul umfaßt. Investoren verspricht Shakrani: »Das Land verfügt über ein vorteilhaftes Regierungs- und Finanzsystem«, für die Rohstoffausbeute seien »entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen«.
Die Organisation Transparency International sah in der vergangenen Woche bei der Veröffentlichung ihrer jährlichen Weltrangliste korrupter Staaten, trotz unzähliger Beteuerungen der von Hamid Karsai geführten Regierung in Kabul, die Korruption im Land bekämpfen zu wollen, keine Veranlassung, seine Einschätzung zu ändern. Afghanistan bleibt auf dem vorletzten Platz der Liste. Abgesichert wird das »vorteilhafte Regierungs- und Finanzsystem« in Kabul von Zehntausenden Besatzungssoldaten unter NATO-Kommando, die auf nicht absehbare Zeit am Hindukusch stationiert bleiben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) freute sich ob dieser schönen Nachrichten aus dem Kriegsgebiet. Nach der Afghanistan-Konferenz empfing sie am Dienstag in Berlin Präsident Karsai zu einem »Arbeitsfrühstück«. Beide gaben im Anschluß bekannt, ihre Zusammenarbeit über 2014 hinaus in einem bilateralen Partnerschaftsabkommen regeln zu wollen. Sie könne sich »gut vorstellen, daß hier neben Verpflichtungen zum weiteren Training von Sicherheitskräften das Thema Berufsausbildung eine wichtige Rolle spielt. Ich denke, die Jugend Afghanistans muß eine Zukunft haben«, so die Kanzlerin. Dann folgte Klartext: In diesen Zusammenhang gehöre auch »eine faire Ausbeutung oder Erschließung der afghanischen Rohstoffe«, so Merkel weiter. Die BRD muß auch nicht bei Null anfangen: Ein Team deutscher Geologen führte bereits Mitte der 1960er Jahre eine Erkundungsuntersuchung.
Überschattet wurden die Gespräche über den Zugang und die Ausbeutung der Rohstoffe am Hindukusch von brutalen Selbstmordattentaten. Polizeiangaben zufolge wurden in Kabul bei einem Anschlag vor einem schiitischen Heiligtum nahe des Präsidentenpalastes mehr als 50 Menschen getötet, darunter auch Kinder. Auch in Masar-i-Scharif und Kandahar gingen Bomben hoch. Zu den Anschlägen bekannte sich zunächst niemand. Die Taliban verurteilten die Bluttaten in einer Erklärung.
Quelle: www.jungewelt.de vom 07.12.11
Wir, Friedensbewegte und Antikriegsaktivistinnen und aktivisten aus 17 Ländern, fordern in einer »Bonner Erklärung« den Abzug aller Truppen aus Afghanistan.
Nach mehr als 30 Jahren Krieg im leidgeprüften Afghanistan ist die Voraussetzung für Frieden und einen selbstbestimmten, eigenen, unabhängigen Entwicklungsweg der sofortige, auch einseitige Waffenstillstand und der Abzug aller Interventionstruppen. Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung sind in Afghanistan nur ohne Besetzung durch fremde Truppen und deren Förderung von Warlords und autoritären Strukturen möglich. Die Afghaninnen und Afghanen müssen selbständig und ohne Einmischung über ihren Entwicklungsweg entscheiden können. Hilfe zur Selbsthilfe ist notwendig und unabdingbar – entsprechend den Anforderungen und Wünschen einer demokratisch legitimierten Regierung – basisnah und dezentral. Wie den für den Krieg verschleuderten Milliarden müssen für den Frieden entsprechende Summen der Interventionsländer zur Verfügung stehen – und das auf Jahrzehnte.
Die Konferenz der 90 Regierungen in Petersberg am 5.12.2011 ist eine Kriegsverlängerungskonferenz. Statt dem Frieden dient sie der Legitimierung der Fortsetzung des Krieges. Der Abzug steht nicht auf der Tagesordnung der NATO, die Truppen werden nur verringert. 25000 Kampftruppen sollen bis 2024 an wenigstens fünf Stützpunkten in Afghanistan stationiert bleiben.
Die Regierenden reden vom Frieden,
– und intensivieren den Krieg mit Drohnen und seiner regionalen Ausweitung;
– und setzen den Krieg mit den Interventionsarmeen noch mindestens drei Jahre fort;
– und rüsten afghanische Söldnertruppen gegen das eigene Volk auf;
– und meinen die Sicherung der Ausbeutung der afghanischen natürlichen Ressourcen und den Schutz der Transportwege;
– weil die kriegsmüden Bevölkerungen zu Hause beruhigt werden müssen und ökonomische Zwänge sie einengen.
Die Geschichte lehrt uns: Weltweite ökonomische und Finanzkrisen befördern Kriege. Wir lehnen Krieg grundsätzlich ab. Krieg löst keine Probleme, sondern verschärft diese. Notwendig sind Gespräche und Verhandlungen, notwendig sind friedliche Konfliktlösungen. Deswegen wenden wir uns auch strikt gegen jede militärische Aktion gegen den Iran.
Menschenrechte können nicht durch und in Kriegen erreicht werden. Krieg ist der permanente Verstoß gegen das Menschenrecht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person. Menschenrechte verlangen Demokratie und Entwicklung, beides ist nur im Frieden möglich – wie in Afghanistan, so auch in Libyen oder dem Iran.
Kriege werden von Menschen gemacht, Menschen können sie stoppen und zukünftige Kriege verhindern. Frieden ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Frieden.
Die Friedens- und Antikriegsbewegung hat in Bonn ein Zeichen gegen den Krieg in Afghanistan gesetzt, Frieden muß überall erstritten werden. Frieden braucht Bewegung und einen langen Atem. Seid versichert: Wir haben ihn.
Quelle: www.afghanistanprotest.de vom 05.12.11
Athen. Rund 1500 Menschen, unter ihnen vor allem Immigranten, haben am Sonnabend in der griechischen Hauptstadt Athen gegen Rassismus und die Beteiligung der extremen Rechten an der neuen, auf Druck der EU gebildeten Regierung von Ministerpräsident Loukas Papadimos demonstriert. »Faschisten raus aus den Ministerien«, hieß es auf dem Haupttransparent an der Spitze des Zuges. Gemeint sind damit der seit dem 11. November amtierende Infrastrukturminister Makis Voridis von der ultrarechten LAOS-Partei und Adonis Georgiades, der Staatssekretär im Entwicklungsministerium ist. Ihnen warfen die Demonstranten eine rassistische Politik gegen Einwanderer vor.
EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström kritisierte am vergangenen Freitag in Brüssel unzureichende Asylverfahren und ungleiche Belastungen bei der Aufnahme von Flüchtlingen in der Union. Die nationalen Regierungen müßten nun handeln: »Die Werte Solidarität, Toleranz und gegenseitiger Respekt müssen jetzt zu konkreten Ergebnissen führen.« Als Beispiel nannte die Schwedin Griechenland, wo internationale Experten die einheimischen Behörden beim Aufbau eines Aufnahme- und Asylverfahrens unterstützten.
Quelle: www.jungewelt.de vomn 05.12.11
Berlin. Mit einem Autokorso hat der Türkische Bund Berlin-Brandenburg (TBB) am Wochenende ein Zeichen gegen Rassismus und rechte Gewalt gesetzt. Rund 150 Fahrzeuge starteten laut Polizei am U-Bahnhof Möckernbrücke, um dann lautstark hupend im Konvoi durch die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Treptow-Köpenick und Mitte zu rollen. Viele türkische Taxifahrer waren dem Aufruf des TBB gefolgt. Die erste Station der Demonstranten war die NPD-Parteizentrale in Köpenick. »Die NPD ist das Zentrum des organisierten Rassismus und wird auch mit Staatsgeldern finanziert«, begründeten die Veranstalter die Wahl ihres Ziels. Gleichzeitig forderten sie ein Parteiverbot. Sieben Mannschaftswagen der Polizei sicherten das NPD-Gebäude in der Seelenbinderstraße, als der Korso passierte. Danach zog die Autokolonne weiter zum Bundesinnenministerium in Moabit, wo der TBB eine Kundgebung abhielt. Als Kritik an den staatlichen Ermittlungen im Fall des Zwickauer »Trios« von Neonazis trugen dabei einige Teilnehmer eine auf der rechten Seite verdunkelte Brille.
Quellen: (dapd/jW) www.jungewelt.de vom 05.12.11
An diesem Montag kommen rund 100 Delegationen mit über 1000 Teilnehmern aus aller Welt nach Bonn zur Afghanistan-Konferenz. Gut 60 Außenminister sind mit dabei, Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet die Zusammenkunft. Mit der Mammutshow soll der Weltöffentlichkeit ein durchschlagender Erfolg der US-NATO-geführten Militärintervention vorgegaukelt werden. In Ermangelung tatsächlicher Erfolge versucht die Bonner Bühnenleitung, die angebliche Befreiung und Emanzipation der Afghaninnen in den Mittelpunkt ihrer Kriegspropaganda zu stellen. Die große Zahl der Frauen, Mütter und Mädchen, die in den vergangenen zehn Jahren von NATO-Bomben getötet oder zu Krüppeln geschossen worden sind, wird dezent verschwiegen. Auch die Tatsache, daß im NATO-Protektorat Afghanistan das frauenfeindliche Gesetz der Scharia wieder eingeführt wurde, wird übergangen.
Das geschönte Bild vom Hindukusch wird von der Nachricht getrübt, daß der afghanische Präsident Hamid Karsai vor seinem Abflug in die BRD eine junge, vergewaltigte Frau begnadigt hat, allerdings nur unter der Bedingung, daß sie ihren Vergewaltiger heiratet. Jüngst hatte ein von der EU gesponserter Dokumentarfilm (»In-Justice«) unter anderem auf das Schicksal der heute 21jährigen Gulnaz aufmerksam gemacht. Sie und hunderte anderer Vergewaltigungsopfer sitzen wegen ihres »Verbrechens gegen die Moral« in afghanischen Gefängnissen. Die Tatsache, daß sie mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe gezwungen wurden, spielt für die Rechtsprechung der Scharia keine Rolle. Die EU hat inzwischen gegen den Film ein Vorführverbot verhängt. Offenbar hatte man begriffen, daß er kein gutes Licht auf die in Afghanistan angeblich gemachten Fortschritte für die Frauen wirft. Schade, der Dokumentarfilm hätte die Hochmesse der aufgeblasene humanitären Scheinheiligkeit in Bonn wirksam entlarvt.
Quelle: www.jungewelt.de vom 05.12.11
Während sich die Hinweise auf eine Geheimdiensttätigkeit der Neonaziterroristin Beate Zschäpe verdichten, wurde am Wochenende über einen geplatzten Deal zwischen der Staatsanwaltschaft Gera und der braunen Terrorzelle berichtet, den der Verfassungsschutz in deren Frühzeiten einfädeln wollte.
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung am Wochenende erhielt der Vater des toten Rechtsextremisten Uwe Mundlos bereits vor dem Abtauchen des »Zwickauer Terror-Trios« 1998 ein anonymes Schreiben, wonach Zschäpe als Informantin für staatliche Behörden arbeitete. Über diesen Brief gebe es einen Aktenvermerk, schrieb das Blatt unter Berufung auf Mitglieder des Thüringer Landtages. Das Justizministerium wollte dies weder bestätigen noch dementieren; der Vater von Mundlos ließ eine entsprechende Anfrage unbeantwortet.
Anfang letzter Woche hatte die Leipziger Volkszeitung bereits das Thüringer Landeskriminalamt als Quelle dafür genannt, daß die einzige Überlebende des als »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) bekannt gewordenen Trios für den Verfassungsschutz gearbeitet habe. Vertreter des Inlandsgeheimdienstes hatten dies vor dem Innenausschuß des Bundestages verneint. Nach den Worten des Ausschußvorsitzenden Wolfgang Bosbach (CDU) zog diese Antwort niemand in Zweifel.
Die NSU soll nach bisherigen Ermittlungen mindestens zehn Menschen erschossen und womöglich über 20 weitere durch zwei Sprengstoffanschläge in Köln verletzt haben. Nach der 2006 beendeten Mordserie an neun Männern türkischer und griechischer Herkunft in verschiedenen Bundesländern wurde 2007 die Polizistin Michéle Kiesewetter in Heilbronn getötet. Der Vorfall ereignete sich laut Observationsprotokoll des US-Militärgeheimdienstes DIA (Defence Intelligence Agency) sowohl vor dessen Augen als auch auch in Anwesenheit deutscher Verfassungsschützer, die Verdächtige im Zusammenhang mit der islamistischen »Sauerland-Zelle« beschatteten. (Siehe jW-Bericht vom 1.12.)
Darüber hinaus wird nun auch eine Verbindung der aus Jena stammenden Rechtsextremisten Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zum Sprengstoffanschlag auf die Wehrmachtsausstellung in Saarbrücken 1999 geprüft.
Eine Aussage von Beate Zschäpe, die in Köln-Ossendorf in Untersuchungshaft sitzt, zeichnet sich indes nicht ab. Ihr Verteidiger Wolfgang Stahl beklagte gegenüber dem Focus, daß ihm nur unzureichend Akteneinsicht gewährt worden sei: »Wir haben bislang nur 120 Seiten erhalten, das ist so gut wie nichts«, zitierte das Magazin den Anwalt am Samstag.
Laut Focus-Bericht soll zudem der Thüringer Verfassungsschutz im März 1999 versucht haben, Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos mit einem »Ausstiegsangebot« aus dem Untergrund zu holen. Nach den Worten von Böhnhardts früherem Rechtsanwalt Gerd Thaut sei damals ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in seiner Kanzlei erschienen, angeblich im Auftrag seines Chefs Helmut Roewer. Der Mann habe erklärt, er wolle den untergetauchten Bombenbauern in die Legalität zurückhelfen. Falls sie sich freiwillig stellten, würden sie nicht wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung belangt, sondern nur wegen Sprengstoffbesitzes. Thaut habe das Angebot Böhnhardts Mutter übermittelt. Der Deal scheiterte demnach am Veto des damaligen Oberstaatsanwalts von Gera, Arndt Peter Koeppen, der versichert habe, das Trio werde bald gefaßt.
Quelle: www.jungewelt.de vom 05.12.11