Sein Vergehen: Er hat eine Packung Kekse genommen – aus der Mülltonne einer Großbäckerei. Nun muss sich der 52-Jährige in Lüneburg erneut vor Gericht verantworten. Um die Frage, ob es illegal ist, abgelaufene Lebensmittel aus dem Abfall zu nehmen – eine Praktik, die „Containern“ genannt wird – soll es in dem Prozess aber nicht gehen. Im Vordergrund des Verfahrens, das an diesem Montag vor dem Landgericht Lüneburg begann, steht der Hausfriedensbruch.
Der Mann, so der Vorwurf, soll das Bäckereigelände betreten haben, obwohl es eingezäunt war. Das Amtsgericht Lüneburg hatte ihn in erster Instanz zu einer Geldstrafe von 125 Euro verurteilt. Dagegen hatte die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, auch der Angeklagte war in Berufung gegangen. Die Staatsanwaltschaft hatte ihren Widerspruch allerdings am vergangenen Freitag wieder zurückgezogen.
Der Angeklagte wollte sich zu Prozessbeginn nicht zur Sache äußern. „Ich bin verarmt und lebe vom Containern“, sagte er vor Beginn der Gerichtsverhandlung. „Hartz IV habe ich nicht beantragt, weil mich die unwürdige Behandlung im Amt abgeschreckt hat.“ Unterstützer entrollten vor dem Landgericht ein Transparent auf dem stand „Kriminalisierung geht uns auf den Keks – Gerichte sind zum Essen da!“
Die Staatsanwaltschaft bot an, das Verfahren einzustellen, wenn sich der Angeklagte geständig zeigen würde. Das lehnte dieser jedoch ab und stellte einen Antrag auf Pflichtverteidigung – was abgelehnt wurde. Am Nachmittag wurde der Angeklagte nach Polizeiangaben verhaftet. Hintergrund sollen nichtbezahlte Geldbußen wegen lange zurückliegender Verkehrsdelikte sein. Im aktuellen Fall der Kekse aus der Tonne hat das Landgericht vier Verhandlungstage angesetzt.
Quelle: Süddeutsche Zeitung, 09.01.2012
Kommentar von Wolfgang Huste: Es ist sicherlich nicht nur für mich eine ungeheure Provokation, wenn Grossbanken, die Milliarden Euros „verzockt“ haben und damit hier und da ganze Staaten an den Rand des Bankrotts brachten, nochmals Milliarden Euros in Form von Steuergeldern erhalten, wogegen verarmte Rentner, Alleinerziehende, Hartz IV – Bezieher, Ein-Euro-Jobber usw. keinen „Rettungsschirm“ erhalten. Nun muß aus einer diffusen Empörung Zorn werden- und aus Zorn konkreter, aktiver (!) ziviler Widerstand gegen Sozialabbau und der allgemeinen Umverteilung von unten nach oben.
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