Für den am 03. März verstorbenen Genossen Jakob Moneta fand am Mittwoch, dem 28. März eine würdige ergreifende Trauerfeier im Köln-Ehrenfelder Bürgerzentrum statt.
Durch Einsatz moderner Medien wurde sein Lebensweg von dem jüdischen Realgymnasium, der „Jawne“ in Köln über die Auseinandersetzungen mit den Nazis, seine Arbeit als Apfelsinenkistenbauer in einem palästinensischen Kibbuz lebendig dargeboten.
Dabei erzählte er die Stationen seines Lebens selbst in Form eines 2006 aufgenommenen Interviews, das in Ausschnitten vorgeführt wurde. Er berichtete von einer Streikorganisation für den 8-Stundentag, die zum Rauswurf aus dem Kibbuz führte, seinem Bruch mit dem Zionismus sowie von der Gründung der einzigen jüdisch-arabischen Gewerkschaft. Schließlich über seine Rückkehr nach Deutschland, seine Tätigkeit an der Pariser Botschaft , die er mit aktiver Unterstützung des antikolonialen algerischen Kampfes um die Unabhängigkeit verknüpfte und dann über seine Arbeit für und in der deutschen IG-Metall unter der Leitung Otto Brenners.
Christoph Jünke hielt einen inhaltsreichen Vortrag und beleuchtete anhand eines 1952 von Jakob verwendeten Zitats über das Schweizer Fondue-Essen als Artikeleinleitung das anthropologische Verständnis dieses Sozialisten. Bereits damals in Auseinandersetzung mit dem neoliberalen Theoretiker Eucken verwies Moneta in diesem Artikel darauf, dass ein Massenkonsum unter kapitalistischen Bedingungen keineswegs das Glück der Menschen, sondern deren Vereinsamung und Konkurrenzverhalten befördere. Denn eine Vergesellschaftung des Menschen finde dabei in keiner Weise statt. Damit hatte Christoph den „Roten Faden“ in Jakobs Denken aufgespürt, der immer von der Betroffenheit des einzelnen durch gesellschaftliche Verhältnisse ausging.
In dieser Zeit der 50er Jahre trafen sich Jakob Moneta, Ernest Mandel und Leo Kofler häufig in einer Wohnung am Brüsseler Platz in Köln und diskutierten die theoretischen Probleme des Sozialismus. Sie hofften damals alle drei, dass die deutsche Arbeiterbewegung an die abgebrochene deutsche Revolution von 1919 anknüpfen würde und diesmal mit der Demokratisierung der Gesellschaft ernst machen würde. Diese Erwartung teilten sie damals mit vielen anderen, als in mehreren Volksabstimmungen die Enteignungsmöglichkeit in Landesverfassungen Eingang gefunden hatte und eine starke Bewegung gegen die Remilitarisierung die Arbeiterschaft mobilisierte. Die Chancen blieben jedoch ungenutzt und schließlich stimmte die SPD als einflussreichste Organisation der Gründung der Bundeswehr sogar zu.
Jahrzehntelang war die Tätigkeit radikaler Sozialisten auf die Stärkung linker Zirkel zurückgeworfen. Viel, viel später, nach der deutschen Wiedervereinigung suchte Jakob Moneta nach der Gründung der PDS den Kontakt zu dieser Organisation und trat dort als Redner auf.
Daraufhin wurde ihm nach über 40jähriger SPD-Mitgliedschaft mit einem dreizeiligen Schreiben mitgeteilt, dass er aus der SPD ausgeschlossen sei. Es gab keinerlei Anhörung oder eine Erörterung der Gründe. Dies veranlasste Jakob zu einem mehrseitigen Brief an den Parteivorstand, wo er Vergleiche der Verfahrensweise mit dem Vorgehen stalinistischer Parteien Osteuropas anstellte und nie eine Antwort darauf erhielt. Jakob liess sich durch diese vielfachen Niederlagen nie in die Resignation treiben. Als Mitglied des „Bundes“ einer ehemals bedeutenden jüdischen Arbeiterorganisation mit ihrem Schwerpunkt in Polen und Russland, gehörte Jakob einer Strömung des europäischen Sozialismus an, die sich große Verdienste im Kampf gegen den Zarismus und den osteuropäischen Adel erworben hatte. Aufgerieben und zerstört von Reaktion und Stalinismus sind viele Impulse dieser Organisation noch unerforscht. Auch hier liegt sicherlich eine Kraftquelle, die den mit Selbstironie gepaarten unerschütterlichen Charakter Jakobs formte. (*)
Den ca.80 versammelten Personen der Gedenkfeier sang Jakob persönlich in einer Tonaufnahme das Lied vor.
Lied des Bundes
Sol sajn, as ich boj in der luft majne schlesser.
Sol sajn, as majn got is in ganzen nischt do.
In trojm wet mir lajchter, in trojm wet mir besser,
in trojm is der himl mir blojer wi blo.
Sol sajn, as ich wel majn zil nischt derlangn.
Sol sajn, as majn schif wet nischt kumen zum bschjeg.
Es gejt nischt indejm, ich sol hobn dergangn,
es gejt nor zu gejn oif dem sunikn weg
Der als Redner vorgesehene Winfried Wolf war leider an der privatisierten Bahn gescheitert und mit einem defekten Zug auf der Strecke geblieben. Somit wurde ein wichtiger Teil der Tätigkeit Jakobs als Mitglied der 4. Internationale auf der Veranstaltung nicht ausführlicher behandelt.
Angela Klein stellte dann in ihrem Beitrag die Frage nach dem Ursprung der unerschütterlichen Überzeugung Jakobs, dass die Menschen in der Lage seien, ein freies Zusammenleben ohne Konkurrenz zu organisieren. Jakob hatte diese Frage selbst einmal beantwortet und wurde nun von Angela zitiert. Es sei seine Erfahrung im Kibbuz gewesen, die ihm die praktische Durchführbarkeit eines Lebens jenseits der Marktkonkurrenz vor Augen geführt habe.
Sie verwies darauf, dass Jakobs Denken immer wieder um diese Frage der freien Selbstorganisation der Menschen gekreist war und Jakob dazu intensiv die russische Machno-Bewegung, sowie brasilianische Volkskulturen des 17.Jhts. studiert hatte.
Hier lag auch seine Affinität zu den Fragen der Befreiungstheologie, der er sich intensiv widmete und damit bei seinen Genoss/innen oftmals ein Kopfschütteln hervorrief. Ein Ausfluss dieser Beschäftigung war in den 80er Jahren in das dem damaligen Arbeits- und Sozialminister Blüm (CDU) gewidmete Büchlein „Herz-Jesu Marxist oder politischer Propagandist?“ eingegangen.
Nach dem Vortrag von Angela Klein war das „offene Mikrofon“ für weitere Beiträge eröffnet.
Günther Wallraff schilderte, wie sich anfangs der 70er Jahre in einem längeren Gespräch mit Jakob die Pläne für die Aufnahme von Industriereportagen verdichteten. Ursprünglich war dieses Projekt als längere Artikelserie in der Metallzeitung angelegt. Aber dies führte im Hauptvorstand regelmäßig zu heftigen Konflikten und Auseinandersetzungen. Die Geschäftsleitung der Kieler Howaldtswerke wandte sich in einem persönlichen Brief an den IG-Metallvorsitzenden und bat um Unterbindung der ständigen Verleumdungen.
Gemeinsam mit Otto Brenner hatte die IG-Metall als einzige Gewerkschaft der westlichen Welt eine internationale Konferenz mit namhaften Gewerkschaftern aus Ost- und Westeuropa geplant als mitten in den Vorbereitungen Otto Brenner starb und durch den weniger konfliktorientierten Eugen Loderer ersetzt wurde. Damit waren die eher linken Projekte nicht mehr zu halten. Günther Wallraff machte seine „Ermittlungen in der Arbeitswelt“ nun nicht mehr im IG – Metallauftrag und Jakob Moneta verließ den Gewerkschaftsvorstand.
Der derzeitige Kölner Metallvorsitzende Rossmann schilderte anschließend seine ersten Erfahrungen mit Jakob, als er selbst noch als Student an der Marburger Uni bei Abendroth studierte.
Manuel Kellner überbrachte Grußbotschaften des Bildungsvereins SALZ, wo Jakob ebenfalls engagiert war, sowie von der NRW- Fraktion DIE LINKE.
Helmut Wendler schilderte seine Begegnung mit Jakob Moneta im Rahmen einer Konferenz der 4.Internationale, wo Jakob als Übersetzer fungierte. Ihm fiel auf, dass dieswer in den Debatten und den verschiedenen Standpunkten derart verwurzelt und eingearbeitet war, dass er zum Erstaunen vieler, die Übersetzung bereits beendet hatte, als der Redner, den er dolmetschte, noch die restlichen Worte sprach. Helmut erinnerte daran, dass die in den 60er Jahren betriebene Solidaritätsarbeit mit dem Befreiungskampf Algeriens nicht ungefährlich war und vielen Algeriern sowie auch ihren Unterstützern das Leben kostete.
Erfreulicherweise war auch der ehemalige 1. Bevollmächtigte der kölner IG-Metall, Walter Malzkorn unter den 80 Teilnehmer/innen der Gedenkveranstaltung. Er dürfte sich gefreut haben, dass die überwiegende Anzahl der Redner des offenen Mikrofons aus ehem. Funktionären der kölner IG-Metall stammte.
Die gelungene Gedenkveranstaltung endete mit dem gemeinsamen Gesang der „Internationale“ der Versammelten.
(*) Anmerkung
1897 wurde in Wilna der »Bund« gegründet, der Allgemeine Jüdische Arbeiterbund für Litauen, Rußland und Polen. Dies waren die Anfänge der jüdischen Arbeiterbewegung in Russland und Polen. Viele russische und polnische Revolutionäre und viele antifaschistische Partisanenkommandeure stammten aus den Reihen des Bundes, dessen Geschichte in weiten Teilen noch unerforscht ist.
Japan verschärft Strahlen-Höchstwerte für Lebensmittel im April 2012 – unzureichender Gesundheitsschutz in Deutschland und Europa
Die Verbraucherorganisation foodwatch hat die widersprüchliche und gesundheitsgefährdende Grenzwertpolitik bei der Strahlenbelastung von Lebensmitteln in Europa kritisiert. Während Japan einen richtigen Schritt vollzieht und die Grenzwerte für radioaktiv belastete Lebensmittel zum 1. April 2012 drastisch verschärft, übernimmt die EU diese neuen Werte zwar für Importe aus Japan – lässt jedoch bei Lebensmitteln aus der EU und den von Tschernobyl betroffenen Regionen ohne Not erheblich höhere Belastungen zu.
Auch ein Jahr nach der Fukushima-Katastrophe hat die EU keine Vorkehrungen für ein Höchstmaß an Lebensmittelsicherheit im Falle eines Atom-Unfalls in Europa getroffen.
„Die EU hat ein Grenzwert-Chaos par excellence angerichtet und aus Fukushima nichts gelernt. Auf ein Atomunglück wie in Japan sind Europa und Deutschland völlig ungenügend vorbereitet. Die Menschen wären unverantwortlich hohen Gesundheitsrisiken durch den Verzehr von Nahrungsmitteln ausgesetzt“, warnte foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode.
foodwatch hatte bereits vor Monaten die Grenzwerte in EU und Japan als zu hoch kritisiert, weil sie eine hohe Zahl an Todesfällen tolerieren. Da jede noch so kleine Dosis Strahlung schwere Erkrankungen und genetische Schäden zur Folge haben kann, gibt es keine „sicheren“ Grenzwerte. Die Festsetzung muss daher dem Minimierungsgebot folgen: so niedrig wie möglich, ohne die Lebensmittelversorgung zu gefährden.
Japan verschärft zum 1. April seine Cäsium-Grenzwerte von bislang maximal 500 Becquerel/Kilogramm (Bq/kg) auf künftig höchstens 100 Bq/kg. Da die EU ihre Grenzwerte für den Import japanischer Lebensmittel an die in Japan geltenden Limits gekoppelt hat, übernimmt die Europäische Kommission die strengeren Werte.
Jedoch belässt sie die laxeren Höchstgrenzen für Lebensmittel anderer Herkunft und vergrößert so die Widersprüchlichkeit der EU-Strahlengrenzwertpolitik:
Die EU erlaubt für alle anderen Lebensmittel eine mindestens sechs Mal so hohe Strahlenbelastung (bezogen auf Cäsium) als für japanische Importprodukte. Das Schutzniveau für die europäische Bevölkerung ist damit erheblich niedriger als in Japan. Zudem werden in der EU unterschiedliche Maßstäbe angesetzt: Belastete Lebensmittel aus der Tschernobyl-Region, die die für Japan-Importe geltenden Höchstgrenzen um das Sechsfache überschreiten, dürfen in Europa ganz legal vermarktet werden.
In den von Tschernobyl betroffenen Staaten Weißrussland und Ukraine gelten zum Teil strengere Grenzwerte als in der EU. Die Folge: Lebensmittel, die dort nicht in den Handel kommen dürfen, können ganz legal von EU-Staaten importiert und hier verkauft werden.
Die EU hat unterschiedliche Grenzwertregime für den Normal- und den Katastrophenfall. Die Vorkehrungen für ein atomares Unglück in Europa stammen noch aus der Tschernobyl-Zeit und wurden nach Fukushima nicht erneuert. Für solche Notfälle hat die EU die so genannte „Schubladenverordnung“ (VO 3954/87, geändert durch VO 2218/89) vorbereitet. Bei ihrem Inkrafttreten würden nach einem Unglück sogar noch laxere Grenzwerte für die Strahlenbelastung von Lebensmitteln festgesetzt als die derzeit geltenden: Diese erlaubten im Vergleich zu den vom 1. April 2012 an in Japan geltenden Höchstwerten eine 8 Mal so hohe Cäsium-Belastung bei Säuglingsnahrung, eine 20 Mal so hohe Belastung bei Milchprodukten, eine 12,5 Mal so hohe Belastung bei anderen Lebensmitteln und sogar eine 100 Mal so hohe Belastung bei Trinkwasser.
foodwatch forderte die Europäische Kommission auf, einheitliche Grenzwerte für den Normal- wie für den Katastrophenfall und für alle Lebensmittel gleich welcher Herkunft festzulegen. Diese müssen zumindest auf das von April an in Japan geltende Niveau gesenkt werden. „Im Falle eines atomaren Unglücks kann es nicht das Ziel der Grenzwertpolitik sein, möglichst viele Lebensmittel aus den betroffenen Regionen noch für den Handel zuzulassen. Stattdessen müssten alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um die Menschen mit unbelasteter Nahrung aus anderen Regionen zu versorgen“, kritisierte foodwatch-Chef Thilo Bode. „Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass Bürger in der EU im Falle eines Atom-Unglücks weniger geschützt wären als die japanische Bevölkerung.“
In Japan gelten vom 1. April 2012 an für das Radionuklid Cäsium erheblich strengere Höchstgrenzen als bislang: 50 Bq/kg statt bislang 200 für Milchprodukte, 10 statt bislang 200 Bq/kg für Trinkwasser, 50 Bq/kg für Kinderlebensmittel (neu eingeführt) sowie 100 statt bislang 500 Bq/kg für andere Lebensmittel. Die EU setzt diese schärferen Grenzwerte ebenfalls in Kraft, jedoch nur für japanische Import-Produkte. Für andere Lebensmittel gelten großzügigere Cäsium-Limits: 370 Bq/kg für Säuglingsnahrung und Milchprodukte (das entspricht dem 7,4-Fachen der japanischen Werte) sowie 600 Bq/kg für andere Lebensmittel (das 6-Fache der japanischen Werte). Im Falle eines Atomunglücks könnten die noch laxeren Grenzwerte der „Schubladenverordnung“ in Kraft gesetzt werden – sie liegen bei 400 bis 1250 Bq/kg.
Die japanische Regierung begründete die Grenzwertverschärfung mit der entlarvenden Formulierung, dass zwar schon die bisherigen Limits „Lebensmittelsicherheit gewährleisten“ würden, sie nun jedoch „noch mehr Lebensmittelsicherheit“ erreichen wolle. Damit soll offenbar kaschiert werden, dass es „sichere“ Grenzwerte für die Strahlenbelastung von Lebensmitteln nicht gibt: Auch bei einer nur geringen Ausschöpfung der neuen Höchstgrenzen ist mit Strahlentoten und schweren Krankheiten infolge des Lebensmittelverzehrs zu rechnen.
Einem „Spiegel“-Bericht zufolge geht aus einer noch unveröffentlichten Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz hervor, dass Deutschland und die EU auch beim Katastrophenschutz nur mangelhaft auf einen atomaren Unfall in Europa vorbereitet sind.
foodwatch liegen weiterhin keine Informationen vor, dass belastete japanische Lebensmittel in Europa im Handel sind.
E-Mail-Aktion für strengere Grenzwerte:
www.foodwatch.de/aktion-strahlenschutz
Quelle: www.scharf-links.de vom 30.03.12
Der Vater des toten Neonaziterroristen Uwe Mundlos erhebt nach einem Bericht des Focus schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden. Nach Überzeugung des 65jährigen sei der Sprengstoff-Fund in einer Garage in Jena 1998 vom Verfassungsschutz »inszeniert« worden, um das Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in den Untergrund zu treiben und als Informanten in die »Blood & Honour«-Bewegung einschleusen zu können, schrieb das Blatt am Freitag unter Berufung auf Aussagen von Siegfried Mundlos aus der polizeilichen Zeugenvernehmung. Ohne direkte Einflußnahme des Verfassungsschutzes über den »selbstgegründeten und finanzierten Thüringer Heimatschutz« wäre es nach Meinung des Vaters »nie zu den schrecklichen Straftaten« der rechtsextremen Terrorzelle gekommen. Diese habe nur durch »professionelle« Unterstützung zu »einer radikalen Mörderbande« werden können.
Aus der Luft gegriffen sind die Anschuldigungen des Informatikprofessors nicht: Der Führungskader des »Thüringer Heimatschutzes«, Tino Brandt, unter dessen Einfluß das spätere »Zwickauer Trio« sich radikalisiert hatte, war bereits im Jahr 2000 als hochbezahlter V-Mann enttarnt worden.
Knapp zwei Wochen, nachdem sein Sohn und Uwe Böhnhardt am 4. November 2011 tot aufgefunden wurden, hatte Vater Mundlos dem Magazin stern erklärt, das Thüringer Landeskriminalamt habe ihm nach dem Untertauchen der drei Neonazis davon abgeraten, »eigene Nachforschungen« anzustellen. Er solle seinen Sohn nicht suchen; dies gefährde die Ermittlungen.
Die Eltern von Uwe Böhnhardt sollen dagegen von 1998 bis 2002 noch engen Kontakt zu den flüchtigen Neonazis gehabt haben, berichtete der Focus am Freitag unter Berufung auf die Aussage von Böhnhardts Mutter bei der Polizei. Siegfried Mundlos dagegen soll ab 2000 davon ausgegangen sein, daß sein Sohn bereits tot sei.
Quelle: www.jungewelt.de vom 31.03.12
In Dutzenden Städten in und um Israel protestierten am Freitag Zehntausende gegen die israelische Besatzungspolitik. Dabei kam es an Checkpoints zu schweren Auseinandersetzungen mit mindestens einem Toten und zahlreichen Verwundeten.
Aktivisten aus der ganzen Welt waren angereist, um sich am ersten »Globalen Marsch nach Jerusalem« zu beteiligen. Die weltweite Initiative hatte den traditionellen »Tag des Bodens« gewählt, um gegen den permanenten Landraub in den von Israel besetzten Gebieten zu protestieren und die Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit besonders auf die Lage in Ost-Jerusalem zu lenken. Dort drohen der völkerrechtswidrige Bau jüdischer Siedlungen und die fortgesetzte Vertreibung der Palästinenser den Charakter Jerusalem als religiöses Zentrum und kulturelles Erbe der drei großen monotheistischen Religionen zu zerstören.
In Beirut waren schon an den Tagen zuvor über 250 Aktivisten aus den USA und Nordamerika zusammengekommen. 150 weitere vom asiatischen Konvoi saßen im Hafen fest, da ihnen die Einreise verweigert wurde. Die Palästinenser in den Flüchtlingslagern, die sonst den größten Teil der Demonstranten im Libanon stellen, wurden am Verlassen ihrer Unterkünfte gehindert, so daß sich am Ende nur 5000 Teilnehmer in der Nähe der Grenze zu Israel versammeln konnten.
Der größte Marsch fand in Jordanien statt, wo nach Angaben der Organisatoren über 100000 Teilnehmer zusammenkamen. Auch sie durften allerdings nur bis zu einer Anhöhe marschieren, von der aus Jerusalem zu sehen ist.
Die israelischen Medien hatten seit Tagen Stimmung gegen den Marsch gemacht und ihn als vom Iran und radikalen islamistischen Organisationen gesteuert diffamiert. Tatsächlich wird der »Globale Marsch« von einem breiten Bündnis palästinensischer und internationaler Organisationen getragen. Er steht in der Tradition früherer gewaltfreier Solidaritätskonvois wie dem »Gaza Freedom March« oder den »Free Gaza Flottillen«.
Die israelische Armee verstärkte ihre Präsenz an den Grenzen und riegelte das besetzte Westjordanland vollständig ab. Die Zugänge nach Jerusalem wurden gesperrt. Zur Al-Aksa-Moschee auf den Tempelberg in Jerusalem durften nur palästinensischen Männer, die älter als 40 Jahre sind und ihren Wohnsitz in Israel haben.
Zu den ersten Zusammenstößen kam es am Qalandiya-Checkpoint im Norden Jerusalems. Die israelischen Sicherheitskräfte feuerten massive Salven mit Tränengasgranaten auf die 3000 palästinensischen Demonstranten und verletzten Dutzende. Auch Mustafa Barghouti, Generalsekretär der Palästinensischen Nationalen Initiative, wurde von einer Tränengaskartusche am Kopf getroffen.
Bei ähnlichen Auseinandersetzungen in Bethlehem wurde ein 20jähriger durch eine Tränengasgranate lebensgefährlich verletzt. Am Damaskus-Tor in der Altstadt von Jerusalem wurden die zahlreichen Demonstranten jeglichen Alters mit Tränengas und Gummigeschossen angegriffen. Laut Russia Today (RT) stieg die Gesamtzahl der im Westjordanland verletzten Palästinenser während des Nachmittags auf über 200.
Die schwerwiegendsten Zusammenstöße gab es am Erez-Übergang im Gazastreifen. Laut RT-Reporterin Paula Slier wurde hier ein Jugendlicher von der israelischen Armee getötet.
Quelle: www.jungewelt.de vom 31.03.12
Die schwarz-gelbe Blockade der Bürgschaft für die Transfergesellschaft ist ein Anschlag auf die Schlecker-Beschäftigten. Union und FDP in Bund und Ländern haben gezeigt, daß ihnen Frauenarbeitsplätze im Dienstleistungssektor nichts wert sind. Die Beschäftigten werden direkt auf einen Arbeitsmarkt entlassen, bei dem im Einzelhandel auf eine offene Stelle zwölf Arbeitslose kommen. Union und FDP machen 10000 bei Schlecker beschäftigte Frauen und ihre Familien zu Geiseln einer Marktideologie, die mit sozialer Marktwirtschaft nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Der Marktradikalismus der FDP wird nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Gesellschaft teuer zu stehen kommen. Findet sich für jede zweite entlassene Schlecker-Beschäftigte kein neuer Job, belaufen sich die jährlichen Kosten der Arbeitslosigkeit auf 113 Millionen Euro. Vor diesem Hintergrund sollte zum bestehenden Insolvenzplan ein alternatives Zukunftskonzept für Schlecker geprüft werden, zusammen mit den Beschäftigten und beteiligten Akteuren. (…)
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.03.12
Von dieser Kann-Regelung machten die Dienste regen Gebrauch. Spätestens im Jahr 2004 waren sich die Geheimdienstler über die Existenz einer rechten Untergrundformation, bestehend aus Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, im klaren. Dies geht aus einem als »VS – nur für den Dienstgebrauch« eingestuften Papier des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) hervor, das der taz vorliegt. In der internen Analyse sah das BfV im Juli 2004 kein Gefährdungspotential: »Derzeit sind in Deutschland keine rechtsterroristischen Organisationen und Strukturen erkennbar«. Außerdem existierte demnach »keine wirkungsvolle Unterstützerszene«, um einen »Kampf aus dem Untergrund heraus« zu führen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der NSU bereits fünf Morde verübt. Einige der Unterstützer dieser Jahre sitzen längst im Gefängnis.
Andere Helfer aus den frühen Jahren der Terrorzelle sahen sich am Mittwoch mit einer Razzia konfrontiert: 144 Ermittler durchsuchten in Rudolstadt und Leipzig Wohnungen der einstigen V-Männer Tino Brandt und Thomas Dienel. Brandt, in den neunziger Jahren Kopf des »Thüringer Heimatschutzes«, soll zusammen mit rechten Gesinnungsgenossen und Familienangehörigen großangelegten Versicherungsbetrug begangen haben. Dazu hätten Brandt, Dienel und elf weitere Beschuldigte Tarnfirmen gegründet, gezielt »Kameraden« eingestellt und diese hoch versichert. Bei häufigen »Arbeitsunfällen« sei dann abkassiert worden. Thüringens Justizminister Holger Poppenhäger vermutet, daß der organisierte Betrug der Geldbeschaffung für die rechte Szene gedient habe.
Es ging um sechs Millionen Euro. Diese Summe verweigerte Niedersachsen für eine gemeinsame Bürgschaft aller 16 Bundesländer, um die Drogeriekette Schlecker zu retten. Doch Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen durchkreuzten gestern zunächst die Blockadepolitik der Kleinstpartei FDP, die in Niedersachsen noch mitregiert. Die drei Landeskabinette beschlossen nach Agenturmeldungen am Mittwoch nachmittag, einen Kredit der bundeseigenen KfW-Bank allein zu garantieren, um eine Transfergesellschaft für die 11000 vor der Kündigung stehenden Beschäftigten zu gründen. Anderen Quellen zufolge dementierte die bayrische Staatsregierung aber ihre Beteiligung.
In Stuttgart hatte der Haushaltsausschuß des Landtags stundenlang darüber beraten, ob Baden-Württemberg für Schlecker zunächst eine Kreditbürgschaft in Höhe von 71 Millionen Euro einreicht und danach die anderen Bundesländer in die Haftungsgemeinschaft eintreten. Gestern vormittag hatte ein Sprecher des Stuttgarter Wirtschaftsministeriums auf jW-Nachfrage noch gesagt, nur bei Zustimmung aller Länder werde »das Fax an die KfW geschickt wird«. Der Beamte merkte in Anspielung auf Niedersachsen und das ebenfalls skeptische Sachsen an: »Wir wollen keine Trittbrettfahrer mitziehen.« Die endgültige Entscheidung der Stuttgarter Parlamentarier über den neuen Dreierbund stand zu jW-Redaktionsschluß noch aus.
Nordrhein-Westfalen hatte eine Bürgschaft von 12,5 Millionen Euro bereits am Dienstag zugesagt. Einige Länderminister waren verstimmt, weil die Gewerkschaft ver.di und der Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz sie nicht über die Überbrückungslösung informiert und statt dessen Fakten geschaffen hätten. Eine Sprecherin des ver.di-Bundesvorstands wies den Vorwurf zurück und sagte, die Gewerkschaftsspitze habe im Bundeswirtschaftsministerium eine Zusage für einen KfW-Kredit an Schlecker erhalten, falls die Landesregierungen bürgten. Danach habe man keine Zeit verlieren dürfen und deshalb die Transfergesellschaft bereits vor den Länderentscheidungen unter Dach und Fach gebracht.
Mit der Auffanggesellschaft will Geiwitz verhindern, daß gekündigte Mitarbeiter gegen neue Investoren auf Lohn und Abfindung klagen. In ihr soll fast ein Drittel der bundesweit 35000 Schlecker-Angestellten für ein halbes Jahr weiterbeschäftigt werden. Die Frauen bekämen nach dem von ver.di und Geiwitz ausgehandelten Kompromiß 20 Prozent mehr Geld als bei Kurzarbeit oder Erwerbslosigkeit. Die ver.di-Sprecherin betonte auf Nachfrage von junge Welt, daß die ehemals Beschäftigten in einer Transfergesellschaft unverzüglich weiterbezahlt würden, anstatt ihren Lohn und ihre Abfindung aus der Konkursmasse fordern zu müssen.
Genug Substanz im Unternehmen, um den Betrieb weiterzuführen, sieht auch der Ulmer Amtsrichter Benjamin Webel. Er hat am gestrigen Mittwoch das ordentliche Insolvenzverfahren eröffnet. Eine sofortige Auflösung der Firma mangels Masse ist damit vom Tisch. Webel ging im Gespräch mit junge Welt davon aus, daß eine Transfergesellschaft Kündigungsschutzklagen gegen Schlecker vermeiden hilft und den Verkauf attraktiver macht.
Konkursverwalter Geiwitz will das KfW-Darlehen laut Agenturmeldungen zurückzahlen, indem er Schleckers Auslandstöchter verkauft. Aus dem laufenden Geschäft seien die Kreditraten nicht zu stemmen. Die einst größte deutsche Drogeriekette hatte Ende Januar Insolvenz angemeldet.
Quelle: www.jungewelt.de vom 29.03.12
Die Serie der diesjährigen Ostermärsche für Frieden und Abrüstung beginnt am kommenden Samstag in Potsdam. Dort rufen die Friedenskoordination Potsdam und die »Soziale Bewegung Land Brandenburg« zu einer Demo und Kundgebung auf, die unter dem Motto steht: »Für eine Welt ohne Krieg – gegen Armut und soziale Ausgrenzung«. Damit ist auch die politische Spannweite der Anliegen der Friedensbewegung angedeutet: Ohne Frieden ist zwar alles nichts, aber Frieden ist noch nicht alles. Die Friedensbewegung versteht sich selbst als Teil der sozialen Bewegungen, die für eine Welt der ökonomischen und sozialen Gerechtigkeit und der ökologischen Vernunft eintreten. Die friedenspolitische Agenda der Ostermarschierer ist selbst schon weit gesteckt und vielfältig – und entspricht dem Charakter der vor 52 Jahren begonnenen Tradition der Ostermärsche, keinen zentralen Losungen oder Vorgaben zu folgen (…). Dennoch kennzeichnet die diesjährigen Ostermärsche eine Reihe übereinstimmender Themen und Forderungen. So bleibt überall der Afghanistan-Krieg im Fokus der Demonstrationen. (…) Doch während die NATO den Krieg in Afghanistan weiter führt, denken ihre Strategen bereits über neue Kriege nach. Im Visier der NATO sind Syrien und Iran, zwei Staaten im Nahen/Mittleren Osten, die sich gegenüber den westlichen Führungsansprüchen unbotmäßig verhalten, so daß unverhohlen ein Regimewechsel gefordert wird und alle Register der politischen Eskalation gezogen werden. (…)
In zahlreichen Ostermarsch-Aufrufen wird der Rüstungsexport thematisiert. (…)
Die Bundesregierung will im Zuge einer großen Bundeswehrreform die Zahl der dauerhaft einsetzbaren Soldaten im Ausland von 7000 auf 11000 erhöhen. Neue Waffensysteme geben ihr noch mehr Möglichkeiten, überall militärisch einzugreifen. Luftwaffe und Marine erhalten Marschflugkörper. Auch die Marine soll an Land schießen können. Weitreichende Transportflugzeuge sollen Infanteristen und Schützenpanzer an entlegene Einsatzorte transportieren. Radarsatelliten und Großdrohnen sorgen zuvor für die weltweite Aufklärung. Kritisiert wird, daß damit Interessenpolitik durchgesetzt werden soll. Denn in den Richtlinien heißt es: »Zu den deutschen Sicherheitsinteressen gehört (…), einen freien Zugang (…) zu natürlichen Rohstoffen zu ermöglichen.«
Die Bundeswehr ist bestrebt, durch verstärkte Werbeanstrengungen – auch unter arbeitslosen Jugendlichen – dem Schwund an Nachwuchs entgegenzuwirken. Zugleich wird damit die innere Militarisierung vorangetrieben. (…)
Die Ostermärsche vor einem Jahr standen unter dem Eindruck der Atomkatastrophe von Fukushima. Antiatombewegung und Friedensbewegung sind zu Zigtausenden auf die Straße gegangen. Dadurch haben die Ostermärsche eine Größe erreicht wie lange Jahre nicht mehr. Auch wenn sich das aufgrund geänderter Rahmenbedingungen in dieser Größenordnung möglicherweise nicht wiederholen läßt, hoffen die Organisatoren der rund 100 Ostermärsche im ganzen Land auf breite Resonanz in der Öffentlichkeit.
Vollständiger Text im Internet: www.ag-friedensforschung.de
Quelle: www.jungewelt.de vom 29.03.12
Es sollte ein Konzert zum zwölfjährigen Bestehen des Jugendzentrums YOZ der Stadt Delitzsch in Sachsen werden, als am frühen Morgen des 18. März der Veranstalter und Gäste des Konzerts von Neonazis überfallen und verprügelt wurden. Mehrere Personen wurden schwer verletzt, unter anderem ein junger Mann aus Tschechien. Dieser mußte bisher dreimal im Leipziger Krankenhaus operiert werden, es besteht die Gefahr, daß er auf einem Auge erblindet. Warum die Neonazis das Ska-Konzert überfielen, ist nicht bekannt. Vermutlich störten sie sich an der antifaschistischen Ausrichtung. So stand auf dem Werbeflyer ausdrücklich, daß mit Neonazis nicht getanzt werde. Am vergangenen Donnerstag kam es zu einem Gespräch der Stadtverwaltung mit dem Veranstalter. Dort eröffneten ihm Vertreter des Ordnungsamtes, der Polizei sowie der Delitzscher Bürgermeister, daß es zukünftig keine Konzerte mehr in der Stadt geben solle, bei denen Rechte ausgeschlossen werden. Laut Kommune seien diese durch die Intoleranz des Veranstalters provoziert worden. Dies berichtete das in Halle ansässige Radio Corax, das mit dem Organisator in engem Kontakt steht. Die Stadtvertreter behaupteten weiter, der Veranstalter trüge die eigentliche Verantwortung für den Überfall. Er stelle durch sein Bekenntnis, daß Neofaschisten auf seinen Konzerten unerwünscht seien, eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und des sozialen Friedens in der Stadt dar, so das Radio. Für eine Stellungnahme zu den Vorwürfen waren Vertreter des 26000-Einwohner-Ortes nicht zu erreichen.
Als Reaktion auf die Übergriffe der Rechtsextremen veranstaltete das Antifaschistische Netzwerk Leipziger Land am vergangenen Sonntag eine Demonstration in Delitzsch unter dem Motto »Naziterror entgegentreten. Immer und überall«, an der 300 Menschen teilnahmen. Auch hier sorgte die Stadt für Aufregung. So stellte sie einen Auflagenbescheid aus, der unter anderem das Tragen von Springerstiefeln und Fackeln verbot. Solche Auflagen werden sonst nur für Neonaziaufmarsch erlassen. Erst durch eine Klage gegen den Bescheid konnte die Rücknahme der meisten Auflagen erwirkt werden. Begleitet wurde die Demo nicht nur von der Polizei, sondern auch von 60 Neonazis, die die Kundgebung immer wieder zu stören versuchten. Es kam jedoch zu keinen direkten Auseinandersetzungen, allerdings wurde ausgerechnet der Veranstalter des Konzertes, dessen Freundin ebenfalls bei dem Angriff der Neonazis verletzt worden war, von der Polizei in Gewahrsam genommen, da er einen Aufnäher mit den Buchstaben ACAB (All Cops Are Bastards) getragen haben soll.
Der restriktive Umgang der Stadt mit Menschen, die sich gegen rechts engagieren, hat Tradition. Bereits im Jahr 2000 wollte der Delitzscher Jugendverein »Die Anderen e.V.« eine Veranstaltung im YOZ durchführen. Es sollte ein Konzert unter dem dem Motto »Gegen Faschismus« stattfinden, welches von der Kommunalverwaltung mit der Begründung, es handele sich um eine »politische Agitationsveranstaltung«, verboten wurde. Auch hier konnte erst durch eine Klage festgestellt werden, daß dies rechtswidrig war.
Es ist eindeutig, daß es vor Ort ein Neonaziproblem gibt. So sitzt der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD Sachsen, Maik Scheffler, im Delitzscher Stadtrat. Er gilt als Begründer der Neonaziverbindung »Freies Netz« und Vermittler zwischen NPD und »freien Kräften«. Im Jahr 2009 verkündete er, daß er den Landkreis Nordsachsen zur »zweiten Sächsischen Schweiz der NPD« machen wolle.
Quelle: www.jungewelt.de vom 28.03.12
Der „mit überwältigender Mehrheit“ (in Wirklichkeit: von zehn Personen) gewählte neue Präsident ist vereidigt worden. In dem von ihm geleisteten Eid hat er geschworen, seine Kraft dem Wohl des deutschen Volkes zu widmen, seinen Nutzen zu mehren, Schaden von ihm abzuwenden und Gerechtigkeit gegenüber jedem Mann (und Frau?) zu üben. Anschließend bat er das deutsche Volk um das Vertrauen.
Vom Vertrauen spricht er sehr viel, der neue Bundespräsident, der es nicht für nötig hält, zu dementieren, wenn man ihn öffentlich „Bürgerrechtler“ nennt (in einem Fernsehinterview hat er es – an die Wand gedrückt – übrigens getan), und der immer wieder beteuert, kein Superman und kein fehlerloser Mensch zu sein. Das haben wir bereits festgestellt. Gefragt nach seinen bereits geleisteten „Fehlern“, hatte er voller Demut eingeräumt, er wäre lernfähig. In welchem Sinne, hat er nicht gesagt. Will er seinen Standpunkt ändern oder seine Sprache besser beherrschen? Sicher, die Occupy-Bewegung, die Kapitalismus-Debatte und den Widerstand gegen die Macht der Banken als „unsäglich albern“ zu bezeichnen, ist kein guter politischer Zug, Sarrazin „mutig“ zu nennen ebenfalls nicht, und Demonstrationen gegen Agenda 2010 „albern und geschichtslos“ zu bezeichnen ist auch so eine Sache. Und jetzt der letzte Patzer: Gauck hat in seiner Rede von „Vertriebenen“ gesprochen – ist das nicht ein Begriff aus der Zeit des Kalten Krieges? Ein Bundespräsident, der im Jahre 2012 von „Vertriebenen“ spricht? Wie hieß es noch, „ich bin lernfähig“? Wollen wir es hoffen!
Gauck will ein Präsident werden, der polarisiert und aneckt, der sich nicht dem Mainstream anschließt. Doch was ist Mainstream? Die Meinung der Mehrheit, des Volkes, wenn man so will. Für Gauck ist es der (alberne?) „doktrinäre Zeitgeist“, dem er – der Repräsentant des Volkes (oder habe ich da etwas von dem Eid falsch verstanden?) – sich nicht beugen will.
Er wolle keine Angst verbreiten, sagt er, und predigt den Menschen die Freiheit. Welche Freiheit? Freiheit ist ein Begriff, der oft genug missbraucht wurde. Gauck, der in der DDR aufgewachsen ist und dessen Vater NSDAP Mitglied war, wird am besten wissen, wie man Worte manipulieren kann. Früher gab es auch so einen Spruch, da hieß es : „Arbeit macht frei“. Also wäre es nötig, zunächst einmal die Freiheit zu definieren, bevor man sich zum „Apostel der Freiheit“ stilisiert. Bis jetzt scheint es, dass Gauck unter Freiheit die Freiheit der Finanzmärkte versteht, die der Bundeskanzler Köhler seinerzeit als „Monster“ bezeichnet hat, denen schleunigst Einhalt zu gebieten sei (zitiert nach: Spiegel 19.3.2012). Köhler hat mit dieser Äußerung den Nerv der Zeit getroffen, Gauk will keine Nerven der Zeit treffen, er will der „Macht des modischen Zeitgeistes widerstehen.“ Mutig?
Was dem Gauck vorschwebt, ist ein freier Bürger. Diese Idee taucht auch im Gedankengut der Rosenkreuzer und der Illuminati auf, die sich ebenfalls zum Ziel gesetzt haben, die Welt umzuwandeln und eine Epoche geistiger Freiheit einzuleiten, in der sich der Mensch seiner Fesseln entledigen und sein eigenes Geschick bestimmen wird. Solche Propheten einer neuen Weltordnung, Apostel der Freiheit, tauchen immer wieder auf. Einer von ihnen, der sich 1945 das Leben genommen hatte, wollte zum Beispiel bei der deutschen Jugend „Tausende von Jahren der Domestikation ausmerzen“. Gauck formuliert es vorsichtiger: er finde es falsch, dass „der Hunger nach Gerechtigkeit“ „schon immer stärker ausgeprägt war als der Durst nach Freiheit“. Aua!
Stellen wir unsere Frage noch einmal: was versteht unser neuer Bundeskanzler unter der „Freiheit“? Und für wessen Freiheit setzt er sich eigentlich ein? Wer die Agenda 2010 verteidigt, verteidigt den Zwang, jede Stelle annehmen zu müssen, 1-Euro-Jobs zu verrichten, sich mit Aushilfstätigkeiten im Niedriglohnbereich abzufinden, entwürdigt zu werden. Ein Apostel der Freiheit, der sich für Zwangsarbeit in Fremdberufen einsetzt? Im Jahre 2003 haben 400 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Aufruf unterzeichnet, in dem sie die Reformierung des Sozialstaates und nicht seinen Abbau forderten. „Albern“, sagt zu solchen Ideen Gauck.
Verantwortung ist auch so ein großes Wort, das Gauck gern in den Mund nimmt. Warum fühlen sich die Menschen für Deutschland nicht verantwortlich? Gauck gibt zu, dass die Menschen in diesem Land ihr Vertrauen in den Staat verloren haben. Indem er gesteht, dass die Distanz zwischen den Regierenden und den Regierte immer mehr wächst und dass Politiker „offen und klar reden“ müssen, damit „das verloren gegangene Vertrauen wieder gewonnen werden kann“, suggeriert er, dass er der Mann sein wird, der diesen Anspruch erfüllen kann. Sein Ziel: Ein neues Deutschland, das „unsere Enkel“ als „unser Land“ bezeichnen werden können. Müssen wir Sarrazin lesen, um diesen Spruch zu verstehen?
Dieses Deutschland der Zukunft, wie soll es konkret aussehen? Demokratisch, frei und gerecht. Ist das heutige Deutschland es nicht? Wohl nicht. Wenn man die Rede des Bundespräsidenten hört, erfährt man, dass das heutige Deutschland ein Land ist, in dem Menschen von Ängsten geplagt werden, sich Sorgen machen, das Gefühl haben, dass Leistung sich nicht lohnen würde, dass vielen von ihnen der Aufstieg verwehrt wird, dass sie sich ins Private flüchten und dass sie das Vertrauen in sich und in die Politiker verloren haben, die aus „Ignoranz und falscher Korrektheit“ ihre Augen vor akuten Problemen verschließen. „Ich verstehe es nicht“, hat er nicht gerade gesagt, er habe „nie zuvor ein besseres Land gesehen“? Wie dem auch sei. Das soll nun im Deutschland der Zukunft anders werden, lässt er uns hoffen. Das Einzige, das mir dabei Sorgen macht, ist seine Vermutung, „unsere Kinder“ werden womöglich „kein Geld oder Gut vererben“. Was haben Sie mit uns vor, Herr Bundespräsident?