Wolfgang Huste Polit- Blog

Gestraft wie noch nie. Von Jörn Boewe

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Die Jobcenter haben 2011 so viele Zwangsmaßnahmen gegen Hartz-IV-Bezieher verhängt wie nie zuvor. Die Zahl der Sanktionen sei von 829375 im Vorjahr auf 912377 gestiegen, teilte die Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch (BA) in Nürnberg mit. Tags zuvor hatte schon jemand die Zahlen an die Bild-Zeitung gegeben, die am Mittwoch mit einer reißerischen Geschichte über angeblich weit verbreitete »Tricksereien« von Langzeiterwerbslosen herauskam.

Die Zahl der sanktionierten Empfänger ging den Angaben zufolge sogar zurück, es wurden jedoch wesentlich häufiger Strafen verhängt. Dabei kürzten die Behörden die Leistungen im Schnitt um 115,99 Euro. Etwa zwei Drittel aller Sanktionen wurden laut einem BA-Sprecher ausgesprochen, wenn jemand einer Vorladung nicht folgte. Weil die Jobcenter mehr Stellenangebote als früher hätten, könnten sie ihre »Kunden« auch häufiger einladen und letztlich mehr Zwangsmaßnahmen verhängen.

In 147435 Fällen wurden die Leistungen gekürzt, weil Erwerbslose gegen Pflichten ihrer »Eingliederungsvereinbarungen« verstießen. 138312 Mal wurden Sanktionen verhängt, weil die Betroffenen die Aufnahme oder Fortführung einer Arbeit, Ausbildung oder Weiterbildung verweigerten.

Spitzenreiter war Berlin: Hier wurde 98730mal abgestraft. 4,4 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsbezieher erhielten mindestens einen Sanktionsbescheid. Es folgt Rheinland-Pfalz mit 4,1 und Hamburg mit 3,8 Prozent. Am wenigsten sanktionierten die Jobcenter in Bremen (2,7 Prozent).

Als »unverantwortliche Stimmungsmache« kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband die Berichterstattung der Bild-Zeitung. Faktisch seien Leistungsmißbrauch und Arbeitsverweigerung sogar deutlich zurückgegangen, erklärte der Verband. »Hier wird ohne jede empirische Grundlage auf unverantwortliche Art und Weise gegen Millionen Menschen gehetzt und ein Bild der schmarotzenden Massen geschürt, das mit der Realität nichts zu tun hat«, kritisierte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Lediglich rund 0,5 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsbezieher seien auf Grund von Arbeitsverweigerung sanktioniert worden. »Die Zahlen belegen die große Disziplin und Leistungsbereitschaft der Menschen in Hartz IV. Die ganz breite Mehrheit tut alles, um aus ihrer Situation heraus und wieder in Arbeit zu kommen.«

Das »Erwerbslosenforum Deutschland« kritisierte den Anstieg der Strafen als Ausdruck von Hilf- und Konzeptlosigkeit der Jobcenter. Die Zahl sage »nichts darüber aus, ob die Sanktionen rechtlich haltbar waren«, erklärte Forumssprecher Martin Behrsing.

Gegen wie viele dieser Strafbescheide erfolgreich Widerspruch oder Sozialgerichtsverfahren geführt wird, ist nicht so leicht in Erfahrung zu bringen. Zwar würden Widersprüche gegen Verwaltungsakte insgesamt erfaßt, sagte ein Sprecher der BA-Regionaldirek­tion Berlin-Brandenburg auf Nachfrage. Es gebe aber keine gesonderte Statistik darüber, wie oft sich »Kunden« speziell gegen Sanktionen wehrten. Insgesamt seien 2011 in Berlin 101599 Widersprüche eingelegt und 13569 Klagen gegen Jobcenterbescheide vor dem Sozialgericht erhoben worden. Von letzteren sei »etwa die Hälfte erfolgreich« gewesen.

In der BA-Zentrale in Nürnberg dagegen werden die Widerspruchs- und Klageverfahren sehr detailliert aufgelistet – allerdings ausschließlich aufgeschlüsselt nach Bundesländern, Monaten und differenzierten Erfassungsmerkmalen. Überblickszahlen waren gestern nachmittag nicht zu bekommen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 12.04.12

Dieser Beitrag wurde am Donnerstag, 12. April 2012 um 13:31 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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