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Neruda unerwünscht. Chemnitzer Grundschule soll umbenannt werden. Kinder hätten keinen Bezug zu dem antifaschistischen Dichter. Stadtrat entscheidet am Mittwoch. Von Susan Bonath

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Offenbar will die Stadt im Süden Sachsens, die zu DDR-Zeiten den Namen Karl-Marx-Stadt trug, auch die letzten Überbleibsel aus jenen Jahren verbannen. Ein weiterer »Störenfried« in Chemnitz ist zur Zeit der chilenische Dichter, Antifaschist und Literaturnobelpreisträger Pablo Neruda (1904–1973). Die Grundschule im Stadtteil Kaßberg trägt seinen Namen. Nach dem Willen der Schulleiterin Martina Schwermer soll sie bald schlicht »Grundschule Kaßberg« heißen. Am Mittwoch muß der Stadtrat über die Beschlußvorlage des Chemnitzer Dezernats für Bildung, Jugend, Soziales, Kultur und Sport entscheiden. Die städtische Linksfraktion und Kulturschaffende sind empört und laufen dagegen Sturm.

Die Schulleiterin beruft sich in ihrem Antrag vom 8. Dezember vorigen Jahres, der jW vorliegt, auf einen Beschluß der Schulkonferenz, die sich aus zwölf Lehrern und Elternvertretern zusammensetzt. »Unsere Grundschüler haben keinen altersgemäßen Bezug zu Pablo Neruda«, heißt es in der Begründung. In seinen Büchern und Texten mit »meist politischem Inhalt« wende sich der Dichter hauptsächlich an erwachsene Leser. Der Name »Grundschule Kaßberg« führe hingegen zur Identifikation mit dem »traditionsreichen Wohngebiet«. Schwermer meint, man könne ihn besser in den Sachunterricht zur »heimatbewußten Erziehung« integrieren.

Der Vorschlag, den Namen »Pablo Neruda« abzustreifen, ist nicht neu. In den Jahren 2002 und 2003 hatten das die Stadträte allerdings mehrheitlich abgelehnt. Gegenwind gibt es auch diesmal. In der SPD hat man dafür kein Verständnis. »Die Begründungen sind an den Haaren herbeigezogen«, sagte SPD-Fraktionssprecher André Horváth jW-Nachfrage. Schließlich sei Neruda ein weltweit bekannter Dichter und immerhin Träger des Literaturnobelpreises. »Anscheinend hat man sich keine Gedanken darüber gemacht, wie man das den Kindern rüberbringen kann«, glaubt Horváth. Den Grund des Ansinnens könne er sich nicht vorstellen. Die Linksfraktion hingegen ahnt es. »Man will wohl alle Erinnerungen an die DDR-Zeit tilgen«, monierte deren Sprecher Raimon Brete am Montag gegenüber junge Welt. Dabei sei es doch gerade in Sachsen, wo es viele rechte Tendenzen gebe, »an der Zeit, Schüler altersgemäß mit demokratischen Grundanliegen und dem Kampf gegen Militärdiktaturen vertraut zu machen«. Brete ist überzeugt, daß die meisten Chemnitzer den Namen Neruda behalten wollen. Das sei den vielen Briefen zu entnehmen, die seine Fraktion erhalten habe. Er hofft darauf, daß die Mehrheit der Stadträte dies auch so sieht. »Der Schulausschuß empfahl vorige Woche, der Vorlage nicht zuzustimmen«, so Brete. Mit Ausnahme von FDP und CDU seien alle dagegen gewesen.

Der Chemnitzer Verein für die spanische Sprache und Kultur »amistad« kritisiert zudem in einer Stellungnahme vom 14. April, daß »ein Gremium von einem Dutzend Lehrern und Eltern eine jahrzehntelange Tradition beenden will«. Viele Chilenen seien nach dem Militärputsch 1973 – das ist auch das Gründungsjahr der Schule – von der Stadt aufgenommen worden. Sie hätten die Kultur entscheidend mitgeprägt. Das sei ein »gemeinsames Erbe«, das es zu erhalten gelte. Chemnitzer Künstler forderten in einem offenen Brief (jW berichtete) den Stadtrat auf, den Namen »Pablo Neruda« als Herausforderung an Schüler und Lehrer und als Sinnbild für Weltoffenheit zu erhalten.

Die Schulleiterin war am Montag gegenüber jW nicht zu einer Stellungnahme bereit. Im Sekretariat hieß es, Schwermer sei zuerst im Unterricht, später habe sie Termine. Ein in Aussicht gestellter Rückruf erfolgte bis zum Nachmittag nicht. Auch im zuständigen Dezernat der Stadtverwaltung war keine Auskunft zu bekommen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 24.04.12

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 24. April 2012 um 09:29 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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