Wolfgang Huste Polit- Blog

»Aus meiner Sicht sind da seltsame Sachen passiert«. Absurde Vorwürfe gegen den thüringischen Landtagsabgeordneten Frank Kuschel. Ein Gespräch mit Bodo Ramelow. Interview: Gitta Düperthal

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Das Amtsgericht Erfurt hat den Landtagsabgeordneten der Partei Die Linke in Thüringen Frank Kuschel wegen Beleidigung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe in Höhe von 3200 Euro verurteilt. Was wird ihm vorgeworfen?
Unsere Abgeordneten Susanne Hennig und Matthias Bärwolff hatten mit Gästen am 30. Oktober 2009 in Erfurt den fünften Geburtstag des Wahlkreisbüros, des »RedRoXX«, gefeiert. Es ist zugleich Jugendbüro unserer Fraktion. Aus meiner Sicht passierten dort an diesem Tag seltsame Dinge. Polizeiprotokollen ist zu entnehmen, daß es einen Übergriff mit Flaschenwürfen auf Menschen in der Erfurter Innenstadt gegeben haben soll; die Täter sollen angeblich gezielt in diese Party geflüchtet sein. Was aber verwundert: Bereits zum Zeitpunkt des Geschehens waren meiner Kenntnis nach Polizisten in Zivil dort. Was die bei unserer Party zu suchen hatten – ein Mysterium! Innerhalb von 30 Sekunden nach dem Vorkommnis stand ein großes Polizeiaufgebot vor dem Wahlkreisbüro, das sofort eingreifen wollte. So schnell? Das ist doch phänomenal, oder?!

Susanne Hennig hat ihnen gesagt: »Dies ist ein Wahlkreisbüro« – ohne richterliche Verfügung könne die Polizei nicht hereinkommen. Nach eigener Aussage kam der Abgeordnete Frank Kuschel hinzu, um zu deeskalieren. Der Vorwurf gegen ihn lautet, er solle einen der Zivilpolizisten als »Spitzelpolizisten« bezeichnet haben. Ganz klar zu sagen ist: Abgeordnete genießen Immunität und Indemnität.

Was ist Indemnität?
Damit soll die Möglichkeit genommen werden, wegen angeblicher oder tatsächlicher Vergehen Einfluß auf Abstimmungsverhalten und Zusammensetzung des Parlaments zu nehmen. So kann sichergestellt werden, daß Abgeordnete in ihrer Mandatsausübung nicht behindert oder sanktioniert werden, indem man sie mit Verfahren überzieht. Im Gegensatz zur Immunität kann die Indemnität weder vom Parlament, noch einer anderen Stelle aufgehoben werden! In ihrer Urteilsbegründung hat aber die Richterin Frank Kuschel nicht als Abgeordneten gesehen, sondern ihn zur Privatperson erklärt. Das »RedRoXX« hat sie als Jugendzentrum umdefiniert, worin sich auch Wahlkreisbüros befänden. Das ist Unsinn. Sie hat die Dinge auf den Kopf gestellt und die Grundrechte eines Abgeordneten ignoriert.

Kuschel geht in Berufung, die Fraktion stellt sich hinter ihn. Was ist zum Vorwurf selber zu sagen?
Tatsächlich hat er eine Anrede als »Spitzelabgeordneter« mit der Frage zurückgewiesen: Ob es Zivilbeamten denn umgekehrt gefallen würde, als »Spitzelpolizisten« bezeichnet zu werden? Es gibt weitere Merkwürdigkeiten: Der Zivilfahnder, den er beleidigt haben sollte, hatte von der Strafanzeige gegen Kuschel keine Ahnung. Sein Vorgesetzter hatte diese gestellt. Er selber fühle sich, sagte er, wie seine Kollegen auch, weder persönlich beleidigt noch genötigt. Ein weiterer Polizist, der jetzt im CDU-geführten Innenministerium arbeitet, sagte, sich zunächst nicht beleidigt gefühlt zu haben. Erst dort habe er gelernt, sich durch die Worte beleidigt fühlen zu müssen.

Was ist der Hintergrund dieser Absurditäten?
Die Mehrheit des Landtages will Kuschel am heutigen Freitag morgen für parlamentsunwürdig erklären, weil er dienstlich als stellvertretender Bürgermeister von Ilmenau am Ende der DDR-Zeit mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet hat. Er selber meint, daß eine politische Kampagne gegen ihn gefahren wird.

Man könnte meinen, Schikanen gegen Die Linke erfolgten hauptsächlich in Landtagen, wo sie nur schwach vertreten ist. Wie in Hessen, wo Janine Wissler und Willi van Ooyen wegen Teilnahme an einer Antinazidemo in Dresden verurteilt wurden. Wie erklären Sie sich das in Thüringen, wo die Linke zweitstärkste Fraktion ist?
Die von Ihnen erwähnten Angriffe erfolgen gegen linke Abgeordnete, unabhängig von Fraktionsstärke, Ost- oder Westzugehörigkeit: Immer, wenn sie sich Faschisten entgegenstellen, weil sie so das Versagen des Staates verdeutlichen. Genau wie gegen die Hessen läuft deshalb ein Verfahren gegen mich und André Hahn, Fraktionsvorsitzender Die Linke Sachsen. Zurück zu Kuschel: Er hat gemacht, was wir alle getan hätten. Er hat sich mit Dienstausweis in der Hand vor von polizeilichen Maßnahmen betroffene Frauen gestellt, um sie zu schützen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 01.06.12

Dieser Beitrag wurde am Freitag, 01. Juni 2012 um 01:25 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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Ein Kommentar

  1. Zurzeit laufen in ganz Deutschland, insbesondere in NRW, mehrere Verfahren gegen Antifaschisten, die zu Blockaden von Neonazi-Aufmärschen aufgerufen haben. In der Regel sollen die beteffenden Personen eine Strafe von rund 3000 (!)Euro zahlen. Merke: Antikommunismus und Antisozialismus wird als Staatsdoktin gefördert (das hat insbesondere in Deutschland eine lange Tradition!)- Antifaschismus und demokratisches Engagement gegen Neonazis dagegen bestraft (und auch das hat in Deutschland eine lange Tradition!)!

    Comment: Wolfgang – 01. Juni 2012 @ 01:28

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