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Diätenwahn in Sachsen-Anhalt. Landtagsabgeordnete genehmigen sich 18 Prozent mehr Gehalt; Betreuer von Behinderten gehen leer aus. Von Susan Bonath

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Rund 1600 Mitarbeiter und Beschäftigte von Behindertenwerkstätten haben am Donnerstag in Magdeburg und Halle für eine tarifgerechte Vergütung der Behindertenarbeit demonstriert. Allein vor dem Magdeburger Landtag protestierten etwa 1000 Menschen. Ihre Abmahnung an die Politiker war deutlich: »18 Prozent nicht nur für Abgeordnete!«, forderten sie auf einem Transparent. Diese Erhöhung nämlich genehmigten sich zur selben Zeit die Parlamentarier im Plenarsaal. Ihre Grunddiäten steigen damit ab Juli von 4797 auf 5655 Euro monatlich. Das macht sie zu den bestbezahlten Landespolitikern im von Billiglöhnen gebeutelten Osten der Bundesrepublik

Die sozialen Träger der Einrichtungen für Behinderte verhandeln seit zweieinhalb Jahren vergeblich mit dem Land um ausreichende Finanzierung. Deshalb hatte die Arbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen zum Protest aufgerufen. Sie befürchtet, daß immer mehr Fachkräfte abwandern und durch Hilfskräfte ersetzt werden müssen, weil sie in Sachsen-Anhalt nicht tarifgerecht bezahlt werden. Der Geschäftsführer des Matthias-Clau­dius-Hauses in Oschersleben, Michael Lange, erklärte am Donnerstag, die Entgelte des Landes orientierten sich nicht an steigenden Kosten und geforderten Standards. »Wir müssen das Geld vorschießen und geraten zunehmend in Finanznot.« Die zuständige Sozialagentur entscheide willkürlich, mißachte gesetzliche Fristen und provoziere Streits vor Schiedsstellen und Sozialgerichten. Knapp 380 Verfahren liefen derzeit in Sachsen-Anhalt. Das Land gefährde den gesetzlichen Auftrag für Betreuung, Bildung und berufliche Rehabilitation von Behinderten, so Lange.

Landessozialminister Norbert Bischoff (SPD) beteuerte vor den Demonstranten, er könne weder einen Fachkräftemangel bei der Betreuung erkennen, noch seien die Werkstätten mangelhaft ausgestattet. In Sachsen-Anhalt würden dort rund 11000 Menschen arbeiten, mehr als in anderen Bundesländern. Dennoch sei ein Teil der Forderungen berechtigt, ergänzte er und versprach weitere Gespräche.

Lange Debatten waren im Plenum derweil nicht nötig. Zügig besiegelten die Politiker mit den Stimmen von CDU und SPD ihren exorbitanten Gehaltssprung. Den Gegenvorschlägen von Linkspartei und Grünen erteilten sie eine Absage. Letztere hatten auf Druck ihrer Basis gefordert, die Diäten gestaffelt anzuheben und gleichzeitig die Altersbezüge auf das allgemeine Rentenniveau abzusenken. Die Linkspartei wollte statt 18 nur acht Prozent draufschlagen. Das hatte zuvor auch der Bund der Steuerzahler – vergeblich – verlangt, weshalb dessen Landesvorsitzende im vorigen Jahr wütend die Diätenkommission verlassen hatte. Einzig eine von der Opposition zur Sprache gebrachte Verkleinerung des Parlaments wurde nicht sofort vom Tisch gewischt und soll nun in den Ausschüssen geprüft werden.

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Wulf Gallert, erklärte sich am selben Abend der Mitteldeutschen Zeitung (Freitagausgabe). Nein, es sei keine Doppelmoral, erst gegen die Erhöhung zu stimmen und dann das Geld doch zu nehmen, so Gallert. Dann könne man die Grünen auch fragen, »warum sie nach ihrem Parteitagsbeschluß für fünf Mark pro Liter Sprit nicht freiwillig mehr an der Tankstelle bezahlt haben.« Ob ein Teil des Geldes in den Solidarfonds der Partei komme, müsse man noch besprechen. Derzeit zahle dort jeder linke Abgeordnete 250 Euro pro Monat ein, sagte er. Man unterstützte damit etwa Opfer rechter Gewalt oder soziale Projekte. – Vielleicht können künftig ja auch Träger von Behindertenwerkstätten bei der Linkspartei eine Förderung beantragen? Das kollidiere immer ein wenig, da man damit das Land zum Teil aus der Verantwortung entlasse, sagte Fraktionssprecher Thomas Drzisga auf jW-Nachfrage. Trotzdem stehe der Fonds seines Wissens auch dafür offen. »Man muß nur einen Antrag stellen.«.

Quelle: www.jungewelt.de vom 09.06.12

Dieser Beitrag wurde am Samstag, 09. Juni 2012 um 12:03 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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