Wolfgang Huste Polit- Blog

Befeuert von der Mitte. Biedermänner und Brandstifter: Vor zwanzig Jahren tobte in Rostock-Lichtenhagen der Mob. Aufgestachelt nicht nur von Neonazis, sondern auch aus SPD und CDU heraus. Von Ulla Jelpke

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»Kein Volk wird eine Überfremdung ohne Konflikt hinnehmen, es kann sie gar nicht hinnehmen.« Es war kein Neonaziführer, der mit diesen Worten eine Rechtfertigung für rassistische Gewalttaten lieferte. Es war Norbert Geis, damaliger Vorsitzender der Arbeitsgruppe Recht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der abschließenden Beratung über den »Asylkompromiß«, also die von Union, SPD und FDP verabredete faktische Abschaffung des Rechts auf Asyl in Artikel 16 Grundgesetz am 26. Mai 1993. Noch deutlicher war sein Parteifreund Edmund Stoiber mit seiner Warnung vor einer »durchmischten und durchraßten Gesellschaft« bereits 1988 geworden. Das Plakat mit dem Slogan »Das Boot ist voll – Schluß mit Asylbetrug« der Partei »Die Republikaner« aus dem Bundestagswahlkampf 1990 hätte genau so gut von der CDU stammen können. Auch vermeintlich kritische Medien wie der Spiegel – die Schlagzeile »Asyl – Die Politiker versagen« prangte auf dem Titel einer April-Ausgabe 1992 – beteiligten sich nach Kräften an der Debatte über den vermeintlichen massenhaften »Mißbrauch« des Asylrechts durch »Scheinasylanten« und »Wirtschaftsflüchtlinge«.

Dieser medialen und politischen Zuspitzung der »Asyldebatte« entsprach eine zunehmende rassistische Mobilisierung der Bevölkerung durch neofaschistische Kräfte. Die Pogrome gegen Roma und Vietnamesen vom 22. bis 26. August 1992 in Rostock-Lichtenhagen waren nach den Ausschreitungen von Hoyerswerda im September 1991 ein weiterer Höhepunkt rassistischer Gewalt. Insgesamt fielen im Jahr 1992 diesen Attacken 17 Menschen zum Opfer. Täglich gab es fünf bis sechs gewalttätige Übergriffe, zahlreiche Asylbewerber-Wohnheime quer durch die Republik brannten. Verläßliche Angaben sind nicht möglich, weil eine bundeseinheitliche Erfassung der Zahlen zu rechter Gewalt zu dieser Zeit noch nicht stattfand und von der Bundesregierung verweigert wurde. Anstatt der zunehmenden Gewalt gegenüber Asylsuchenden und »Ausländern« entschieden entgegenzutreten, rechtfertigten Politiker bis hinein in die SPD sie als Reaktion auf die tatsächlich einmalig hohen Asylbewerberzahlen. Der Rostocker SPD-Innensenator Peter Magdanz ließ sich angesichts zunehmender rassistischer Übergriffe im Umfeld der »Zentralen Aufnahmestelle« (ZASt) in Lichtenhagen am 8. August 1992 in der Ostsee-Zeitung mit den Worten zitieren: »Bonn ignoriert einfach den Druck der Menschen.« Und wenige Wochen nach dem Pogrom äußerte der SPD-Oberbürgermeister von München, Georg Kronawitter: »Der Unmut bei den Menschen ist riesig. Glauben Sie denn, daß die ruhig hinnehmen werden, wenn Millionen Ausländer ungeordnet in unser Land fluten?«

Die Antwort auf diesen »Unmut« war der »Asylkompromiß« vom Dezember 1992, dem nach langem Widerstand gegen eine Grundgesetzänderung dann auch die SPD zustimmte. Ein reguläres Asylverfahren erhält seitdem nur noch, wer nicht über einen »sicheren Drittstaat«, also alle anderen EG- bzw. EU-Staaten, eingereist ist. Die CDU/CSU hatte diese Grundgesetzänderung schon lange gefordert und auf vielfältigen Wegen das bestehende Asylrecht ausgehöhlt. Wie es Wolfgang Schäuble als Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion in jener Debatte am 26. Mai 1993 auf den Punkt brachte: »Wir wissen aus den anderthalb Jahrzehnten, in denen wir um dieses Problem und mit diesem Problem ringen, daß es ohne eine Änderung des Grundgesetzes eine zureichende Steuerung nicht gibt. (…) Wir haben die Asylgesetze, die Asylverfahrensgesetze, ein Dutzend Mal geändert, Verfahren beschleunigt, Arbeitsverbote eingeführt und wieder abgeschafft – es hat am Ende alles nichts genützt.« Um den »inneren Frieden in unserem Land« zu wahren, so Schäuble, ginge nun kein Weg mehr an einer Änderung des Grundgesetzes vorbei. Teil des Gesetzespaketes waren zahlreiche Einschränkungen im Asylverfahren (verkürzte Rechtsschutzfristen etc.), die Reduzierung der Sozialleistungen für Asylbewerber und die krasse Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit durch die »Residenzpflicht«.

Quelle: www.jungewelt.de vom 13.08.12

Dieser Beitrag wurde am Montag, 13. August 2012 um 17:13 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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