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Henkel im Eimer. Von Sebastian Carlens

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Frank Henkel (CDU) wird zum Stammgast im Innenausschuß des Abgeordnetenhauses und zum Sorgenkind der Berliner SPD-CDU-Regierung: Bereits in der vergangenen Woche mußte der Innensenator Rede und Antwort zu einem vom Hauptstadt-Landeskriminalamt (LKA) gedungenen Neonazi stehen. Am gestrigen Montag nahm ihn das Gremium erneut ins Verhör. Henkel wird vorgeworfen, entscheidende Informationen nicht an den zuständigen Bundestagsausschuß zur Aufklärung des Behördenversagens im Falle des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) weitergeleitet zu haben. Der ganze Fall ist ein Paradebeispiel für jene strukturellen Defizite im deutschen Behördendschungel, die ihrerseits den Terrorfeldzug des NSU erst möglich machten.

LKA-»Vertrauensmann« Thomas Starke war ein NSU-Helfer der ersten Stunde, er beschaffte Sprengstoff und konspirative Quartiere, war zeitweise mit einem mutmaßlichen Mitglied der terroristischen Vereinigung, Beate Zschäpe, liiert. Und Starke verpfiff seine »Kameraden« ungeniert – selbst einen Tip zum Verbleib der abgetauchten NSU-Gruppierung lieferte er seinem V-Mann-Führer im Jahr 2002. Davon erfuhr allerdings niemand etwas; die Berliner Behörde hortete ihr Wissen, obwohl die NSU-Gründer zu dieser Zeit noch steckbrieflich gesucht wurden. Das allein hat die Dimensionen eines ausgewachsenen Behördenskandals. Doch Henkel erhielt bereits im März diesen Jahres Kenntnis von der düsteren Altlast in den Aktenschränken seines LKA, und hier beginnt die eigentliche Affäre: Ein vom Bundestag eingesetztes Aufklärungsorgan, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß, wird als potentiell »undichte Stelle«, als Sicherheitsrisiko eingeschätzt – und deshalb nicht informiert. Er fühlte sich, so Henkel, an eine Verschwiegenheitserklärung gebunden, die gegenüber dem Neonazi abgegeben worden war. Erst im Juli erfuhr der Ausschuß von Starke – wiederum nicht von Henkel, sondern direkt vom Generalbundesanwalt (GBA). Der Innensenator argumentierte, der GBA habe darum gebeten, den Ausschuß nicht zu informieren. Dieser dementierte prompt und scharf; es habe zu keiner Zeit irgendwelche Absprachen über Aktenweitergabe gegeben. Auch die Innenausschußsitzung am Montag konnte keine weitere Klarheit bringen; es steht weiterhin Wort gegen Wort: Entweder hat Henkel gelogen, oder aber die Bundesanwaltschaft.

Im Dickicht aus Verschlußsachen und Verschwiegenheitsklauseln scheiterte nicht nur die strafrechtliche Verfolgung der NSU-Terroristen zu einem Zeitpunkt, als mehrere Morde noch hätten verhindert werden können. Der Geheimhaltungswahn einer Exekutive, die keinen Begriff mehr davon hat, wem sie eigentlich rechenschaftspflichtig ist, torpediert nun auch die Aufklärung des Behördenversagens selbst. Die Neonazis, die sich als »Vertrauensleute« verdingen, bleiben Neonazis, doch sie genießen Narrenfreiheit, wenn sie sich erst mit den Ämtern eingelassen haben. V-Mann Starke gab der Welt am Sonntag zwar gerade ein langes Interview, doch die Verschwiegenheitserklärung für ihn gilt weiter – und jeder Abgeordnete, der im öffentlichen Teil des Berliner Innenausschusses Zeitungswissen über ihn äußert, könnte sich schon damit strafbar machen. Diese zahnlosen Aufklärer, die vor jeder Wortmeldung eine juristische Expertise einholen müssen, können dem abstrusen Schattendasein der Behörden nicht gefährlich werden. Hinter vorgehaltener Hand ist im Abgeordnetenhaus sowieso klar: Tritt Henkel zurück, ist die angeschlagene SPD-CDU-Koalition am Ende. Schon deshalb muß sich der Innensenator keine Sorgen machen. Ihn rettet die Staatsräson.

Quelle: www.jungewelt.de vom 25.09.12

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 25. September 2012 um 08:59 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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