Heute, am 28. Februar 2013, streikt die Frühschicht bei Apollinaris Bad Neuenahr, und zwar von 6 Uhr bis 14 Uhr.
Das Bürgerhaus in Heppingen, ca. 10 Fußminuten vom Werk entfernt, dient als Streiklokal. 100 Beschäftigte sind dort anwesend.
Zum Warnstreik aufgerufen hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Roland Henn, der sehr engagierte und bekannte Geschäftsführer der NGG für die Region Mittelrhein, war schon um 5 Uhr morgens vor Ort. Vor den Werkstoren sehe ich jeweils 8 – 10 Kolleginnen und Kollegen als Streikposten. Ich begrüßte sie gegen 8.30 Uhr mit Handschlag und stellte mich als Vorstandsmitglied des DGB Ahrweiler und als Mitglied im Sprecherrat der Linken, KV Ahrweiler, kurz vor. Streikbrecher gab es nur zwei, wie mir gesagt wurde. Überall schaute ich in freundliche Gesichter. Die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen ist bestens, sie ist auch kämpferisch.
Was führte zu diesem Warnstreik? Auch in der 6. Tarifverhandlung hat die Unternehmensleitung immer noch kein akzeptables Angebot vorgelegt. Die Beschäftigten haben lange genug verzichtet. Nun fordern sie bescheidene 6% und familienfreundliche Arbeitszeiten, ebenso gesundheitlich unbedenkliche Arbeitsplätze und einen Beschäftigungssicherungsvertrag. Zurzeit hat der Betriebsrat keinen Einfluss auf die Arbeitszeitgestaltung im Betrieb, die sehr familienunfreundlich ist. Beschäftigte werden oftmals nur einen oder zwei Tage vorher informiert, wann sie zu welchen Zeiten sie, z.B. an einem Samstag oder Sonntag, zu arbeiten haben. Der Betriebsrat wird, was die Arbeitszeitenregelung angeht, von der Unternehmensleitung nicht beachtet. Die Arbeiterinnen und Arbeiter wollen sich das nicht mehr weiter gefallen lassen. Apollinaris hat 300 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, davon sind rund 85% (!) gewerkschaftlich organisiert. Schon vor 14 Tagen gab es einen Warnstreik. Der war jedoch auf 3 Stunden begrenzt. Wenn man bedenkt, dass die offizielle Inflationsrate in Deutschland bei rund 2,5% liegt und die inoffizielle noch deutlich darüber liegt, ist die Forderung nach einer 6% Lohnerhöhung sicherlich recht bescheiden ausgefallen. Der Slogan der Streikenden lautet: „Machen wir aus dem Streiktag ein Fest für unseren Tarifvertrag! Für mehr Einkommen, eine bessere Beschäftigungssicherung und familiengerechte Arbeitzeiten!“. Das Bundesarbeitsgericht stellt fest:
„… Kurze Warnstreiks zur Unterstützung von Tarifverhandlungen nach Ablauf der Friedenspflicht sind zulässig, wenn sie von der Gewerkschaft getragen werden …“. Ein Warnstreik ist demnach rechtmäßig. Die Streikteilnahme ist keine Verletzung der vertraglichen Arbeitspflicht. Während des Warnstreiks ruht die Arbeitspflicht. Eine Kündigung wegen Teilnahme am Warnstreik ist unzulässig. Die Durchführung des Warnstreiks wird durch die NGG-Beauftragten geregelt. Apollinaris wurde dem Coca Cola – Konzern einverleibt. Der allgemeine Tenor unter den Beschäftigten lautet: „Coca-Cola braucht ein deutliches Signal! Wenn der Arbeitgeber sich nicht bewegt, müssen wir uns bewegen!“. Die nächste Verhandlung der Tarifkommission ist für den 7./8. März 2013 angesetzt. Falls die Unternehmensleitung nicht einlenkt, wird es zur Urabstimmung kommen, danach mit Sicherheit zum Streik.
Im Bürgerhaus Heppingen führte ich ein interessantes Gespräch mit dem Kollegen Roland Henn, der seit langem gute Kontakte zur Partei DIE LINKE hat.
Auch im Kreis Ahrweiler hat DIE LINKE ein sehr gutes Verhältnis zu den Gewerkschaften. Marion Morassi und Wolfgang Huste, beide Mitglied im Sprecherrat der Linken im Kreis Ahrweiler, sind selbst gewerkschaftlich organisiert (bei Ver.di) und Mitglied im DGB-Vorstand des Kreisverbandes Ahrweiler. Demnach sind die Kontakte zur Gewerkschaft sehr gut, ebenso die Kontakte zu anderen fortschrittlichen Gruppen und Organisationen vor Ort!
DIE LINKE Ahrweiler wünscht den Apollinaris-Beschäftigten viel Erfolg bei der Durchsetzung ihrer berechtigten Forderungen. Wir bleiben wie gehabt weiter im engen Kontakt, werden weiterhin mit den Gewerkschaften und anderen fortschrittlichen Gruppierungen und Organisationen eng zusammenarbeiten.
Die Parlamentswahlen in Italien haben das befürchtete Patt zwischen Mitte links und Rechts gebracht. Das Bündnis Bersanis von der Demokratischen Partei (DP) mit der Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL) erreichte nach den bisherigen amtlichen Ergebnissen im Parlament mit 31,63 Prozent den ersten Platz, kam jedoch im Senat, der zweiten Kammer, mit 113 Mandaten nur auf den 2. Platz. Hier erreichte Expremier Silvio Berlusconi mit der rassistischen Lega Nord mit 116 Sitzen Platz eins, im Parlament mit 29,18 Prozent Platz zwei. Die Liste des bisherigen Übergangspremiers Mario Monti kam im Parlament abgeschlagen auf 10,5 Prozent. Hier ging die Kalkulation, mit den früheren Bündnispartnern Berlusconis, der von dem vorherigen Führer der AN-Faschisten, Gianfranco Fini, mit »geläuterten« Parteigängern gebildeten Partei Zukunft und Freiheit (FEL) und der Union Demokratischer Christen (UDC) der Liste Montis den Rücken zu stärken, nicht auf. Die UDC sackte von 6,7 Prozent 2008 auf 1,8 ab und Finis FEL kam sogar nur auf 0,5 Prozent. Mit 25,5 Prozent erreichte die chaotische 5-Sterne-Bewegung des Starkomikers Beppe Grillo einen spektakulären dritten Platz, im Senat 54 Sitze.
Bersani erhält nach dem unter Berlusconi eingeführten undemokratischen Wahlgesetz im Parlament als Sieger 340 Sitze (54 Prozent) und kann Ministerpräsident werden. Im Senat, der allen Gesetzen und Verordnungen (Dekreten) der Regierung zustimmen muß, ist der DP-Chef jedoch auf die Stimmen Berlusconis oder Grillos angewiesen. Ein Zusammengehen mit dem faschistoiden Mediendiktator dürfte ausgeschlossen sein. Auch Grillo wurde von Bersani vor der Wahl abgelehnt. Inzwischen gibt es, wie die Repubblica, Sprachrohr der DP, am Dienstag verlauten ließ, erste Signale, dieses Wagnis einzugehen. Eine Bereitschaft des Starkomikers, der im Siegestaumel »das Ende aller Politiker« in den nächsten Monaten ankündigte, scheint fraglich, wird aber nicht ausgeschlossen. Große Enttäuschung herrscht unter den beiden KP (PRC und PdCI), die hofften, in der Koalition Rivoluzione Civile (Bürgerliche Revolution) den Wiedereinzug ins Parlament zu schaffen. Das Bündnis blieb unter zwei Prozent und scheiterte damit an der Vier-Prozent-Sperrklausel.
In Berlin und Brüssel gibt man sich schockiert über das Comeback Berlusconis, der neben haltlosen Wahlversprechen mit Steuersenkungen und der Schaffung von drei Millionen Arbeitsplätzen demagogisch den von ihm in drei Regierungen selbst praktizierten Sozialabbau Montis kritisierte und Stellung gegen Berlin und Brüssel bezog. Dabei wird vergessen, daß dort Berlusconi einst mit seinen aus der früheren Mussolini-Partei hervorgegangenen faschistischen Verbündeten (der MSI) salonfähig gemacht wurde. Exkanzler Helmut Kohl feierte das damals als einen »historischen Augenblick« und schwadronierte vom »gemeinsamen Aufbau der Demokratie« mit Berlusconis Faschisten und Rassisten. Daß von der Merkel-Regierung in letzter Minute sogar ein Mitte-links-Sieg mit Wohlwollen bedacht wurde, nützte Berlusconis »antideutschen« Attacken.
In Italien bewirkte die von Berlin beförderte Verharmlosung der von Berlusconi ausgehenden faschistischen Gefahr noch eine Vergrößerung derselben. Abgesehen von einem Aufruf von Intellektuellen wie Nobelpreisträger Dario Fo, Umberto Eco oder Nanni Moretti spielte das Thema jedoch auch diesmal in der Wahlkampagne keine Rolle. Obwohl Berlusconi sich mit seinem Bekenntnis zu »guten Taten »des »Duce« die meisten Stimmen der früheren AN-Faschisten (12 Prozent) sicherte und das Bündnis mit der Rassistischen Lega Nord erneuerte, wurde er auch in Bersanis PD und der römischen Repubblicca unverändert als Centro destra (Rechtes Zentrum) verharmlost. Hinzu kam, daß von Mitte links und auch dem amtierenden Übergangspremier Monti nichts unternommen wurde, das reaktionäre Wahlgesetz Berlusconis durch ein normales, wenigstens bürgerlichen Ansprüchen genügendes zu ersetzen. In der DP spekulierte man, davon zu profitieren, was nun im Senat daneben ging. Erneut konnte der Mediendiktator beim Stimmenfang auch sein Fernsehmonopol von drei Privatsendern einsetzen, das zu begrenzen und zu kontrollieren ebenfalls nichts unternommen wurde.
In Rom sind hektische Konsultationen im Gange, ob Bersani eine Regierungsbildung wagen oder der Weg sofortiger Neuwahlen eingeschlagen wird. Die Erörterungen sind vor allem von der Furcht geprägt, ob ein erneuter Wahlgang der faschistoid-rassistischen Rechten weiteren Auftrieb verschaffen könnte.
Beim Berufungsprozess gegen 6 Antifaschisten am 21. Februar 2013 am Koblenzer Landgericht sah sich der Chef des Koblenzer Staatsschutzes Frank Thomas besorgt um. Doch diesmal ist es noch mal gut gegangen, denn der eigentlich parallel hätte stattfindende Prozess gegen die Neonazis des Aktionsbüros Mittelrhein fiel aus. Obwohl die Anklage gegen den AB Mittelrhein sich vor allem auf massive und systematische Bedrohung und Angriffe von AntifaschistInnen beruft, legte die Staatsanwaltschaft Koblenz beide Termine fast zeitgleich in das selbe Gebäude!
Beim kommenden Termin des Prozesses gegen die sechs Antifaschisten am 28. Februar wird es jedoch für die Angeklagten und die ProzessbesucherInnen gefährlich, denn dann müssen sie damit rechnen, von den 30-50 Neonazis, die sich dann im selben Gebäude aufhalten, bedroht oder angegriffen zu werden. Schon bei früheren Prozessen kam es zu bedrohlichen Situationen für die ProzessbesucherInnen, die von Nazis des AB Mittelrhein in und vor dem Gerichtsgebäude fotografiert wurden. Der Staatsschutz Koblenz weiß schon länger von den Überschneidungen der Termine, da er bei der Aufklärung der Verbrechen des AB Mittelrhein eine entscheidene Rolle spielt. Die Besorgnis von Polizei und Justiz scheint nur dann zu gelten, wenn es um die Einschränkung von Bürgerrechten oder den Schutz von politischer Prominenz geht. Der Staatsschutz sorgt sich nur zum Schein, aber scheint sich nicht zu sorgen.
Ansonsten gab es beim Prozess gegen die Antifaschisten am 21. Februar nicht viel Neues. Ob die Straftat Landfriedensbruch überhaupt begangen wurde, blieb mehr als fraglich und keinem der Angeklagten konnte diese nachgewiesen werden.
Polizei und Justiz sollten nach dem Bekanntwerden der Dimension des Rechtsterrorismus im November 2011 ihrer Aufgabe nachkommen und den Schutz von Menschen nicht wieder mit Füßen treten. Sie müssen die Sicherheit der ProzessteilnehmerInnen garantieren und dürfen nicht kurze Zeit später wieder so tun, als hätten sie nichts gewusst.
Mehr zu den Prozessen und was hat das zum Teufel mit John Wayne zu tun verraten wir hier!
Solidaritätsgruppe für die kriminalisierten Antifaschist_inn_en von Remagen
c/o Buchladen Le Sabot . Breite Str. 76 . 53111 Bonn
Der Prozess stellte sich in erster Instanz als ein klarer Versuch von Kriminalisierung antifaschistischen Engagements dar. Der Vorwurf des „Landfriedensbruch“ diente letztendlich der absurden Konstruktion einer passiven Tatbeteiligung der Beschuldigten. Einzig die vermutete Anwesenheit reichte für eine Verurteilung aus. Allerdings basiert die Beweiskraft über die Anwesenheit ebenfalls auf sich widersprechenden Aussagen von Polizeibeamt_innen. Die Beweisaufnahme zeigte ein fragwürdiges Vorgehen der Polizei bei der Identifikation der Beschuldigten auf. Unterschiedliche Aussagen, wage Vermutungen und lückenhafte Erinnerungen waren die Grundlage, auf der die Staatsanwaltschaft ihre Anklage stützte und der sich das Gericht anschloss. Es zeigen sich Ähnlichkeiten zum Fall Tim H. in Dresden, der bundesweite Aufmerksamkeit erlangte. Auf einer ebenso dünnen Beweiskraft wird die bloße Anwesenheit von Antifaschist_innen genutzt, um diese stellvertretend zu verurteilen: Abschreckung ist hier das Ziel.
„Wir sehen hier einige Parallelen zum Versuch der sächsischen Justiz im Fall Tim H., legitimen Protest gegen den jährlichen Naziaufmarsch in Dresden zu kriminalisieren“, so Tim Sonnenschein von der Remagen Solidaritätsgruppe. „Dort gab es auch eine Verurteilung eines Gegendemonstranten ohne Beweise oder eine konkrete Zuordnung einer Tatbeteiligung. In Dresden wie in Remagen marschieren jährlich Neonazis auf. Antifaschistischer Protest ist hier notwendig. Genau dieser soll verhindert werden“
„Wir rufen nicht nur alle Antifaschist_innen, sondern auch die Presse dazu auf, die Berufungsverhandlung kritisch zu begleiten, um einer erneuten skandalösen Verurteilung entgegenzuwirken,“ fordert Sonnenschein.
Hintergründe: Die Situation in Remagen
Seit 2009 marschieren jährlich mehrere hundert Neonazis durch Remagen, um an die sogenannten »Rheinwiesenlager« zu erinnern. Die Nazis versuchen, die in diesen alliierten Kriegsgefangenenlagern Gestorbenen als zu Unrecht Ermordete darzustellen und damit “den Deutschen” den ersehnten Opferstatus zuzusprechen. Gleichzeitig soll die Grausamkeit der Alliierten dargestellt werden, um die Schuld “der Deutschen” zu relativieren. Dieser Naziaufmarsch stellt inzwischen den größten regelmäßig stattfindenden in Rheinland-Pfalz dar. Auch 2010 versammelten sich 300 Neonazis für diese geschichtsrevisionistische Veranstaltung. Dem Aufruf von antifaschistischen Gruppen und dem „Bündnis Remagen für Frieden und Demokratie“ zu einer Mahnwache und Gegenprotesten folgten etwa 200 Menschen. Zu Beginn der Mahnwache versuchten einige Gegendemonstrant_innen auf die Route der Nazis zu kommen, was jedoch aufgrund der starken Polizeipräsenz nicht gelang. Die Gegendemonstrant_innen zogen sich daher zurück, wobei es zu einer Auseinandersetzung mit der Polizei kam, bei der einige Antifaschist_innen durch Schlagstockeinsatz und Tränengas, sowie ein Polizist leicht am Kopf verletzt wurden. Insgesamt gab es in Folge des Vorfalls 15 Festnahmen von Antifaschist_innen.
Der Hauptangeklagte, der den Polizisten verletzt haben soll, wurde bereits in einem Berufungsverfahren im Oktober 2011, ohne Beweise und konkrete Identifikation, zu 1 ½ Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Ein Zeuge der Verteidigung, der im ersten Prozess gegen den Hauptangeklagten im Gerichtssaal wegen angeblicher Falschaussage verhaftet worden war, wurde inzwischen ebenfalls verurteilt. Seine Aussage war nahezu identisch mit der Aussage, einer als Zeugin geladenen Polizistin. Gegen weitere 6 der 15 festgenommen Antifaschist_innen wurde Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruch erhoben. Im März 2012 wurden diese ohne Beweise und Zeug_innen, die eine Tatbeteiligung bestätigen können, zu 70
Tagessätzen in unterschiedlicher Höhe verurteilt. Einzig ihre Anwesenheit auf einer Demonstration genügte hier zu einer Verurteilung. Im Februar 2012 beginnt nun der Berufungsprozess vor dem Landgericht Koblenz.
Die Prozesse um Remagen sind Teil einer massiven Kriminalisierung antifaschistischer Proteste. Am deutlichsten zeigte die sächsische Demokratie 16.01.2013, was sie von antifaschistischen Protesten hält. Nach einem lächerlichen Verfahren wurde Tim zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Ihm wird vorgeworfen bei den Anti-Nazi Protesten/Blockaden vom 19.02.2011 in Dresden mit einem Megafon zum Durchfließen von Polizeiketten aufgerufen zu haben. Weder das Polizeivideo noch die geladenen Zeugen konnten ihn belasten bzw. identifizieren. Trotzdem wurde er von Richter Hans Hlavka wegen Körperverletzung, Beleidigung und besonders schwerem Landfriedensbruch verurteilt.
Das Aburteilen ohne Vorliegen von Beweisen in Remagen wie in Dresden zeigt, dass die Unschuldsvermutung für antifaschistischen Widerstand nicht gilt. Wo Gerichte politisch urteilen, wo legitimer Protest kriminalisiert wird, wird Widerstand zur Pflicht.
Gemeint sind wir alle, betroffen sind einzelne.
Lassen wir sie nicht allein.
Solidarität mit allen kriminalisierten Antifaschist_innen.
Quelle: Rote Hilfe e.V. Bonn
In die Vereine gehen, in der Kommunalpolitik mitmischen und sich immer wieder bei Veranstaltungen zeigen – das schafft Bürgernähe. Auf der Internetseite der Hessen-NPD ist zu lesen: „Verlassen wir endlich die parlamentarische Einbahnstraße und fangen wir endlich an, konzentrierte politisch-weltanschauliche Graswurzelarbeit zu betreiben.“
Regionen wie die Westpfalz mit ihren ländlichen Strukturen sind ideal für die NPD, um neue Mitglieder zu werben.
Die SPD-Ortsbürgermeisterin der kleinen Gemeinde Herschberg (Kreis Südwestpfalz), Lydia Westrich, hat das erlebt. Vor drei Jahren hat die NPD ein leer stehendes Café angemietet: „Sie wollten es zu einem bundesweiten Zentrum für kommunale Fragen ausbauen und wir mussten es ertragen, dass hier Partei-Größen wie Udo Voigt, Holger Apfel, Volksverhetzer Pastörs und Wehrsport-Hoffmann ein und aus marschieren. Es war unsäglich.“
Das Dorf hat sich gewehrt: Es gab Demonstrationen, die Vereine haben ihre Mitglieder aufgeklärt, die Kreisverwaltung zog vor Gericht. Die Herschberger waren erfolgreich: Die NPD darf zurzeit keine Veranstaltungen in dem angemieteten Café abhalten. Doch das Engagement in der Westpfalz geht weiter.
Beispiel Pirmasens: Im Juni wird dort eine Großveranstaltung stattfinden: Die Stadt richtet den Rheinland-Pfalz-Tag 2013 aus. Gesucht sind zahlreiche freiwillige Helfer, die als Ordner die Veranstaltung begleiten. NPD-Stadtrat Markus Walter will seine Leute unter die Ehrenamtlichen bringen, hat sie angeblich schon angemeldet. Die Stadt prüft zurzeit, ob das stimmt.
Für Pressesprecherin Dunja Maurer ist klar, dass beim Rheinland-Pfalz-Tag kein Platz für die politische Propaganda der NPD ist: „Bei unseren Helferschulungen, werden wir Personen, die solche Absichten haben, aufrufen, ihre Bewerbung zurückzuziehen.“ Oder sie werden ausgeschlossen.
Gut in die Parteistrategie passt auch das Porträt über die NPD-Aktivistin Ricarda Riefling, das vergangene Woche in der Pirmasenser Lokalzeitung erschien. In einer Portrait-Reihe der Zeitung werden jeden Tag Menschen aus der Stadt vorgestellt. Riefling ist nicht nur die Lebensgefährtin von Stadtrat Markus Walter. Sie ist auch im Bundesvorstand der Partei und eine der prominentesten Frauen in der NPD. Welche Rolle Riefling in der Partei spielt, hatte sie der Zeitung gegenüber nicht klar gemacht. In dem Artikel geht es auch nicht um rechtsextreme Inhalte, wohl aber um Stadtpolitik – ein Werbeerfolg für die NPD.
Spätestens wenn rechte Propaganda Verbotenes beinhaltet, wird die Polizei aktiv. Ermittlungen gegen rechtsextreme Propaganda ist für die Polizei deshalb ein wichtiger Bestandteil im Kampf gegen Rechts, nicht nur in Rheinland-Pfalz. Karl-Heinz Ruff vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg: „Mit Propaganda ist ja auch verbunden, dass man sein Gedankengut, sein äußeres Erscheinungsbild anderen mitteilt und versucht sie, für sich zu gewinnen. Ein Teil der baden-württembergischen Bekämpfungsstrategie gegen Rechtsextremismus besteht darin, möglichst junge Leute durch präventive Aktionen und Aufklärung von Beginn an fernzuhalten.“
Autorin: Jana Lange, Onlinebearbeitung: Miriam Kruse
Quelle: http://www.swr.de/nachrichten/rp/-/id=1682/nid=1682/did=11062206/8qn8n4
Griechenland geht ins sechste Jahr der Rezession. Eine ständig steigende Erwerbslosigkeit – die offizielle Statistik spricht von 27 Prozent der Bevölkerung, von über 60 Prozent bei Jugendlichen unter 24 Jahren –, der permanente Rückgang des Bruttoinlandsprodukts sowie der Ruin Tausender kleiner und mittlerer Geschäfte und Betriebe sind die Eckdaten einer Ökonomie am Abgrund. Die Schockprogramme der Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank sind dazu geeignet, das Land in rasantem Tempo zu deindustrialisieren und auf Trikont-Niveau zurückzusparen. In vielen Betrieben gibt es Arbeiter und Angestellte, die über Monate hinweg keinen Lohn bekommen, nur um dann gekündigt zu werden, so etwa jene Beschäftigten der Metropolis-Musikgeschäfte, die am 19. Februar in Athen für ihre Rechte demonstrierten.
Ähnlich war es zuvor auch den Arbeitern von Vio.Me – einer Tochterfirma des vor der Krise bedeutenden, dann pleite gegangenen Philkeram-Johnson-Konzerns – in Thessaloniki ergangen. Seit Mai 2012 hatten sie keine Löhne erhalten. Die Fabrik, in der Baustoffe hergestellt wurden, stand wegen des krisenbedingten Einbruchs der Profite, so hieß es von Eigentümerseite, vor der Schließung.
Anstatt sich nun aber individuell auf die ohnehin recht aussichtslose Suche nach neuen Jobs zu machen, beschlossen die 70 Beschäftigen, kollektiv und organisiert einen Ausweg aus ihrer prekären Situation zu suchen. Sie trafen sich weiter zu Vollversammlungen, einige Arbeiter bewachten die Produktionsmittel in der Fabrik, damit sie nicht vom Eigentümer abtransportiert werden. Dann die zündende Idee: »Wegen des Ausfalls der Lohnzahlungen und der Probleme bei der Muttergesellschaft hat ein Mitglied bei einer Versammlung etwas Außergewöhnliches vorgeschlagen. Nachdem wir uns über einen ähnlichen Versuch in Argentinien und auch im allgemeinen informiert hatten, hat die Versammlung beschlossen: Wir Arbeiter wollen die Fabrik in die eigene Hand nehmen«, erinnert sich Dimitris Mokas, einer der Beschäftigten, im Interview mit Unterstützern (www.viome.org).
Vor wenigen Tagen, nach einiger Vorbereitungszeit und einer Reihe von Solidaritätsaktionen, war es dann am 12. Februar soweit: Die Produktion wurde wieder aufgenommen, das höchste Gremium der Fabrik ist nun die Arbeitervollversammlung.
Gleichwohl dürfte der Weg, den die Vio.Me-Beschäftigten eingeschlagen haben, kein einfacher werden. »Im Moment versuchen wir die zwei größten Schwierigkeiten zu überwinden. Zum einen den Zugang zu den Märkten, zum anderen den zu Krediten«, sagt ein Aktivist aus dem Unterstützerkomitee, Theodoros Karyotis, im Videointerview mit der Journalistin Laura Flanders.
Darlehen auf den Finanzmärkten für das Projekt aufzutreiben, wird schwierig bis unmöglich, eine Unterstützung der Regierung des konservativen Premiers Antonis Samaras ist so gut wie ausgeschlossen. Auch auf den Gewerkschaftsdachverband GSEE können die Arbeiter nicht hoffen.
Die Fabrik wird sich, anders als ähnliche Versuche etwa in Venezuela, in einer politisch wie ökonomisch äußerst schwierigen Umgebung zu behaupten haben. Die Zukunft der selbstverwalteten Fabrik ist also eng mit der Entwicklung des Klassenkampfs in ganz Griechenland verbunden. Bleibt das Projekt isoliert, hat es kaum Aussichten auf Erfolg.
Die Einsicht, daß die Arbeiterklasse jene legalistische Politik des Bettelns und Verhandelns, die immer noch von den Bürokraten des Gewerkschaftsdachverbands GSEE favorisiert wird, hinter sich lassen muß, ist das eigentlich Bedeutende an dem Versuch der Vio.Me-Arbeiter, nunmehr ohne Kapitalisten zu wirtschaften. Die kann ihnen schon jetzt keiner mehr nehmen.
Ein historischer Tag in Pforzheim: Mit 1600 Beamten kam es am Samstag zum größten Polizeieinsatz in der Geschichte der Stadt. Unter Zuhilfenahme von Pferden, Hunden und einem Hubschrauber schützte die Staatsmacht einen Aufzug von 95 Neonazis auf dem Wartberg vor den Protesten aufgebrachter Antifaschisten.
Seit zehn Jahren gedenkt Pforzheim offiziell der Opfer der alliierten Bombenangriffe vom 23. Februar 1945, bei denen Schätzungen zufolge 17600 Menschen ums Leben kamen. Bereits seit fast zwanzig Jahren zieht es auch Neonazis aus Anlaß dieses Jahrestages in die Stadt am Nordrand des Schwarzwalds. Als »Freundeskreis ›Ein Herz für Deutschland‹« provozieren sie dort regelmäßig mit einer »Fackel-Mahnwache« und bagatellisieren die Verbrechen des deutschen Faschismus.
Gegen den diesjährigen Naziaufmarsch, der am Samstag stattfand, demonstrierten am frühen Abend auf dem Pforzheimer Marktplatz rund 1300 Menschen. Bürgermeister Gert Hager (SPD) verurteilte den »schändlichen Mißbrauch« des Gedenktags durch die Nazis. Am Nachmittag hatte zuvor in der Innenstadt eine Kundgebung der »Inititative gegen Rechts«, einem breiten überparteilichen Bündnis, mit etwa 700 Teilnehmern stattgefunden. Dort wandte sich u.a. ver.di-Landeschefin Leni Breymaier, in einer Ansprache dagegen, »daß die Rechten diesen Tag mißbrauchen«.
Bereits im Vorfeld hatte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Kai Hoffmann und Rüdiger Jungkind, die beiden Gründer der »Initiative gegen Rechts«, eingeleitet und Flugblätter des Bündnisses beschlagnahmen lassen. Karin Binder, MdB der Linkspartei und Teilnehmerin an den Protesten vom Samstag, hatte diese Schikanen in der vergangenen Woche als »Skandal« bezeichnet.
Teilnehmern einer anderen Demonstration erging es noch ärger: Als 600 Personen versuchten, sich dem Naziaufzug auf dem Wartberg zu nähern und diesen zu blockieren, wurde etwa die Hälfte von ihnen von Einsatzkräften der Polizei umstellt. Bei eisigen Temperaturen und Schneefall mußten die Festgehaltenen bis zu sechseinhalb Stunden in dem Kessel ausharren. Gegen 20 Uhr verkündete der Einsatzleiter über Megaphon – dokumentiert auf youtube – die Versammlung sei aufgelöst, es handle sich um eine »Notstandsmaßnahme im Sinne der Verwaltungsgerichtsordnung«. Aus Protest gegen die Schikane, die noch bis 23.30 Uhr andauerte, warfen einzelne Demonstrationsteilnehmer Schneebälle und kleinere Gegenstände in Richtung Polizei, die daraufhin fünf Personen festnahm.
Karin Binder bekundete am Sonntag gegenüber jW Respekt für die Demonstranten, die mit körperlichem Einsatz und »zivilem Ungehorsam« versucht haben, sich den Nazis entgegenzustellen. Mit friedlichen Bürgerprotesten auf Marktplätzen allein sei gegen die braune Brut nichts auszurichten. Zu einer anderen Einschätzung kam dagegen Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD): »Es darf nicht sein, daß Extreme, ob rechts oder links, diesen Gedenktag an die fürchterlichen Folgen des Angriffskrieges der Nazis für ihre Zwecke mißbrauchen», betonte er am Sonntag. Am Samstag hätten sich in Pforzheim «unschöne Szenen» zugetragen. Das Beispiel Sachsen scheint Schule zu machen.
Quelle: www.jungewelt.de vom 25.02.13
In zahlreichen Fertiggerichten wurde in den letzten Tagen Pferdefleisch nachgewiesen, das dort nicht hineingehörte. Wann haben Sie zum letzten Mal Pferd gegessen?
Vor ungefähr zehn Jahren, bei einem Campingurlaub im Tessin gab es ein herrliches Pferdesteak mit grünem Pfeffer und Polenta, sehr lecker.Auch andernorts gilt Pferdefleisch – etwa in Form von rheinischem Sauerbraten – als Delikatesse …
Im Ernst: Es geht um Verbrauchertäuschung rein aus Gründen des Profits. Die Waren waren als Rindfleischprodukte gekennzeichnet. Darauf müssen sich die Leute verlassen können. Die Verbraucher fragen sich: Diesmal geht es um Pferdefleisch, was kommt als nächstes?
Das Problem ist doch, daß wir es mit systembedingtem Betrug zu tun haben. Der Pferdefleischskandal zeigt, daß die angeblich lückenlose Kontrolle in der Lieferkette ein Märchen der Lebensmittelindustrie ist. Tatsächlich haben die Handelskonzerne keine Ahnung, was in den Produkten ihrer Eigenmarken steckt. Sie vertrauen darauf, nicht erwischt zu werden. Die Verbrauchertäuschung steckt schon in den Selbstkontrollen durch die Hersteller. Behörden können oft nur untersuchen, ob die Hersteller ihre Waren überhaupt auf Rückstände oder Belastungen prüfen. Oft muß ein amtlicher Kontrolleur über 1000 Betriebe überwachen. Da bleibt nicht nur »schwarzen Schafen« viel Raum für Tricksen und Täuschen.Die Politik hat auf die aktuellen Enthüllungen reagiert, wie sie es auch in der Vergangenheit tat, nämlich mit Sondersitzungen und Allgemeinplätzen. Welche Konsequenzen sollten gezogen werden?
Nach Skandalen mit Gammelfleisch, Dioxin und Krankheitskeimen im Essen wird uns jetzt der Etikettenschwindel mit Pferdefleisch aufgetischt. Wie immer spricht die Lebensmittelindustrie von »bedauerlichen Einzelfällen«. Die Bundesregierung fordert »rückhaltlose Aufklärung« und holt wieder einmal einen Aktionsplan aus der Schublade. Statt die Gesetzesmängel endlich zu beseitigen, erteilt Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) erneute Prüfaufträge für eventuelle Verbesserungen und schaltet Infohotlines für die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Dagegen fordern wir, endlich Sofortmaßnahmen gegen die Panscherei von Lebensmitteln. Schon bei einem begründeten Verdacht über belastete oder falsch gekennzeichnete Lebensmittel sollen Behörden verpflichtet sein, die Öffentlichkeit zu informieren. Derzeit müssen sie abwarten, bis Unternehmen selbst etwas veröffentlicht und zum Beispiel einen Rückruf von Lebensmitteln gestartet haben.
Bei allen Produkten mit Fleisch müssen Verbraucher nachvollziehen können, woher dieses stammt. Sie sollen wissen, wo das Tier geboren wurde, wo es aufgewachsen ist bzw. gemästet wurde und wo es geschlachtet wurde. Nur so können die Verbraucher entscheiden, ob die Odyssee, die das Fleisch hinter sich hat, für sie noch vertretbar ist. Das kann in einfachen Fällen direkt auf der Verpackung angegeben sein. Außerdem müssen Hersteller und Handel offenlegen, woher sie ihre Zutaten beziehen und von welchen Unternehmen. Das gehört zur Qualitätssicherung. Die Ergebnisse ihrer betrieblichen Eigenprüfungen müssen jederzeit für die Lebensmittelkontrollbehörden zugänglich sein. Das ist heute nicht der Fall.Welche Verantwortung trägt Verbraucherschutzministerin Aigner für die Unsicherheit, die in Sachen Lebensmittel herrscht?
Verbraucherministerin Ilse Aigner wird immer erst tätig, wenn bereits Schaden entstanden ist. Man hat den Eindruck, sie schützt Hersteller und Handel vor ihren Kunden. Ein Beispiel: Obwohl schon immer klar war, daß unvollständige Angaben auf den Produkten dem Betrug mit Lebensmitteln Tür und Tor öffnen, lehnte Aigner eine Kennzeichnung der Herkunft von verarbeitetem Fleisch bislang ab. Erst jetzt lenkt sie aufgrund des öffentlichen Drucks ein. Ein zweites Beispiel: Die Behörden dürfen bisher die Öffentlichkeit selbst bei einem konkreten Verdacht auf Etikettenschwindel nicht informieren. Dafür sind nach dem Lebensmittelrecht allein Handel und Hersteller zuständig. Problematische Waren nehmen die, wenn überhaupt, still und leise aus dem Sortiment.
Die Lebensmittelüberwachung für bundesweit und international arbeitende Hersteller und Händler darf auch nicht auf Kommunen oder Bundesländern abgewälzt werden. Hierfür muß der Bund die Verantwortung übernehmen. Gemeinden und Landkreise sind mit der Kontrolle globaler oder multinationaler Lebensmittelkonzerne überfordert. Da fehlt es schon an der personellen und auch an der materiellen Ausstattung, um deren Geschäfte überprüfen zu können.Tragen denn nicht auch die Verbraucher selbst eine Mitschuld an den in der Lebensmittelindustrie herrschenden Zuständen? Wer glaubt denn ernsthaft, daß beispielsweise ein Hähnchen zum Endverbraucherpreis von knapp zwei Euro artgerecht gehalten wurde?
Fakt ist, immer mehr Menschen müssen aufs Geld achten. Es ist immer bequem, die Schuld bei den Verbrauchern abzuladen. Selbstverständlich gibt es eine Mitverantwortung. Aber zwischen Beruf, Familie und Alltagsstreß bleibt oft wenig Zeit, sich am Supermarktregal mit jedem einzelnen Produkt auseinanderzusetzen. Die Leute müssen sich darauf verlassen können, daß mit den angebotenen Lebensmitteln alles in Ordnung ist.
Auch ein hoher Preis ist keine Garantie für eine gute Produktqualität. Aber bei Lockvogelangeboten zu Dumpingpreisen ist die Erzeugung langfristig mit Qualitätsabstrichen verbunden. Eine unbequeme Wahrheit ist auch, daß Niedrigpreise durch miese Beschäftigungsbedingungen, Tierquälerei und Umweltschäden von unserer Gesellschaft teuer bezahlt werden müssen.
Die Diskussion um eine flächendeckende Schulverpflegung hat das auch verdeutlicht: Zwei Euro pro Kind für ein Mittagessen sind einfach viel zu wenig. Wir brauchen mindestens vier Euro pro Kind und Tag, um eine hochwertige Verpflegung sicherzustellen. Nur dann kann ermöglicht werden, daß unbelastete Zutaten, die frei von Aromen, Geschmacksverstärkern und anderen Zusatzstoffen sind, frisch verarbeitet werden – und zwar von tariflich bezahltem Küchenpersonal, das von dieser Arbeit auch leben kann. Das sind Investitionen in die Zukunft unserer Gesellschaft.
Wir müssen aber festhalten, daß Lebensmittelindustrie und -handel über ihre Preispolitik nicht fehlende Sozialleistungen ersetzen wollen. Selbst das billigste Sonderangebot kann für einen armen Menschen noch zu teuer sein. Für Hersteller und Handel geht es bei der Preisgestaltung um einen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb. Den verliert dann der kleine Lebensmittelproduzent. Die Frage, ob sich alle Menschen Lebensmittel leisten können oder ob Erzeuger gerecht entlohnt werden, spielt für die Manager von Lidl, Aldi, Edeka und anderen kaum eine Rolle.
Es ist eine der wichtigsten Aufgaben des Staates, die soziale Teilhabe aller Menschen zu sichern und somit auch den ausreichenden Zugang zu den Lebensmitteln, die für eine ausgewogene und gesunde Ernährung notwendig sind. Menschen, die nur ein kleines Einkommen zur Verfügung haben oder staatliche Hilfeleistungen beziehen müssen, dürfen nicht gezwungen sein, sich ihr Essen von der Tafel oder gar aus dem Müllcontainer zu suchen.Vielleicht sollte man doch, wie es die zunehmende Zahl von Vegetariern und Veganern tut, gänzlich auf Fleischprodukte verzichten?
Wer weniger Fleisch ißt, entlastet Umwelt und Klima. Die enormen Anbauflächen für viele Tonnen Tierfutter führen zu Landraub und letztlich zur Urwaldvernichtung in ärmeren Ländern. Es lohnt also, sich die Frage zu stellen, ob es jeden Tag Fleisch sein muß. Ich möchte jedoch keine Eßverbote aussprechen. Jeder Mensch muß selbst wissen, was ihm guttut. Aber Bewußtsein herstellen möchte ich schon.Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hartwig Fischer hat vorgeschlagen, die wegen Untermischung von Pferdefleisch aus dem Handel genommenen Produkte nicht zu vernichten, sondern Hilfsorganisationen wie den Tafeln zur Verfügung zu stellen. Wie bewerten Sie diesen Vorstoß aus der Union?
Die Bundesregierung hat heute vor dem Verwaltungsgericht Köln, an dem die Klage der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Petra Pau gegen ihre Überwachung durch den Verfassungsschutz verhandelt wurde, erklärt und damit öffentlich bestätigt, daß die Beobachtung der Partei Die Linke durch das Bundesamt für Verfassungsschutz im November 2012 nach einem entsprechenden Erlaß des Bundesinnenministers eingestellt worden ist. Auch die Überwachung von Petra Pau ist beendet.
Das ist ein bedeutender Schritt hin zu demokratischer Normalität. 22 Jahre nach der deutschen Einheit ist damit auch bei der Bundesregierung angekommen, daß der Kalte Krieg vorbei ist und Die Linke nicht nur auf dem Boden des Grundgesetzes steht, sondern dieses verteidigt. (…)
Es bleibt äußerst kritisch zu vermerken, daß die Überwachung der Partei durch einzelne Landesämter für Verfassungsschutz verbleibt. Dagegen werden wir vorgehen. Scharf zu kritisieren ist auch, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz einzelne Zusammenschlüsse der Partei weiterhin überwachen will. (…).
Quelle: www.jungewelt.de vom 22.02.13
Union und FDP simulieren Handlungswillen in Sachen Mindestlohn. Nach der CDU haben nun auch die Freidemokraten Signale von Kompromißbereitschaft in der Frage, ob und wie man Menschen vor Ausbeutung schützen soll, ausgesandt. »Drei Euro Stundenlohn hat mit Leistungsgerechtigkeit nichts mehr zu tun«, hatte sich am Dienstag Außenminister Guido Westerwelle (FDP) via Bild zu Wort gemeldet. Im selben Blatt äußerte der Vizefraktionschef der Liberalen im Bundestag, Martin Lindner, er könne nach Branchen und Regionen differenzierten Lohnuntergrenzen zustimmen. Am Wochenende hatten Vertreter von CDU und CSU angekündigt, noch vor der Bundestagswahl bei dem Thema initiativ werden und den Koalitionspartner dafür ins Boot holen zu wollen.
Natürlich schweben der Koalition bestenfalls halbe Sachen vor. Gegenüber dem Spiegel regte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Michael Grosse-Brömer eine »allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze« für Branchen an, in denen es bislang keine Tarifverträge mit entsprechenden Regelungen gebe. Die Höhe der Bezahlung solle dabei durch eine Kommission der Tarifpartner festgelegt werden. Die FDP hatte dies bislang abgelehnt, will jetzt aber darüber mit sich reden lassen. Ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn bleibt für die Partei allerdings weiterhin ein No-Go. »Wir wollen nicht den Staat anstelle von Gewerkschaften und Arbeitgebern setzen«, stellte der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Rainer Brüderle, in der Presse klar.
Bei den Gewerkschaften fällt der CDU-Vorstoß durch. »Das wäre Murks«, sagte ver.di-Chef Frank Bsirske der Passauer Neuen Presse vom Mittwoch. »Bei der Union soll entweder das Los oder ein vom Bundesarbeitsministerium eingesetzter Experte über die Höhe des Mindestlohns entscheiden.« Außerdem würde ein »Flickenteppich unterschiedlichster Regelungen je nach Branche und Region entstehen«, monierte er. Schon heute existieren 13 Branchen mit spezifischen Lohnuntergrenzen, zu denen mit dem Wohlwollen der Koalition lediglich die ein oder andere hinzukommen könnte.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) machte am Dienstag gegen einen »Als-ob-Mindestlohn« Front. Es sei »kein Wunder, daß sich damit sogar die FDP anzufreunden scheint«, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki in einer Pressemitteilung und verwies auf eine »Ansage« von Peter Weiß, des Vorsitzenden der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion im Bundestag. Der hatte kundgetan, mit dem Vorschlag werde ein einheitlicher, branchenübergreifender Mindestlohn verhindert. Sehr schön deutlich wurde der Wirtschaftsrat der CDU, dessen Generalsekretär, Wolfgang Steiger, am Dienstag in einer Stellungnahme polterte: »Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn ist Mist.«
Dies ist aber wohl doch nicht die einhellige Meinung in der Union. Die Ministerpräsidentin des Saarlands, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), hat Unterstützung für eine Bundesratsinitiative von SPD und Grünen im Bundestag in Aussicht gestellt, die auf einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro zielt. Die CDU regiert an der Saar gemeinsam mit der SPD. »Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt: Auf der Ebene des Bundesrates eingebrachte Initiativen zur Festlegung von Lohnuntergrenzen, die eine Verbesserung des Status quo zur Folge haben, wird die Landesregierung mittragen. Dazu gehört unter anderem auch der gesetzlich flächendeckende Mindestlohn«, sagte die Regierungschefin der Zeitung Die Welt vom Mittwoch.
Zuvor hatten bereits Baden-Württemberg, Bremen und Rheinland-Pfalz erklärt, in der Länderkammer eine entsprechende Initiative zu starten. Darin verfügen SPD und Grüne nach dem Wahlsieg in Niedersachsen über eine Mehrheit. Für das Vorhaben ernten beide Parteien Lob von den Gewerkschaften. Die Partei Die Linke macht sich dagegen für einen Mindestlohn von zehn Euro stark.
Quelle: www.jungewelt.de ovm 21.02.13