Wolfgang Huste Polit- Blog

Vorwürfe gegen Gysi »alter Kaffee«

Mittwoch, 13. Februar 2013 von Huste

Berlin. Die SPD-Ostexpertin Iris Gleicke (Foto) hält wenig von den jüngsten Stasi-Vorwürfen gegen Linksfraktionschef Gregor Gysi. Dies sei nur »alter Kaffee, der wieder aufgewärmt« werde, sagte die Sprecherin der ostdeutschen SPD-Bundestagsabgeordneten am Dienstag in Berlin. Aus ihrer Sicht seien »keine neuen Fakten auf den Tisch gekommen«. Mit Blick auf das frühere DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) betonte Gleicke: »Nicht jeder, der mit dem MfS reden mußte, war automatisch ein Spitzel.«

Gysi wird vorgeworfen, bei einer eidesstattlichen Versicherung vor Jahren seine früheren Kontakte zur Staatssicherheit falsch dargestellt zu haben. Dem Linke-Politiker wird seit Jahren vorgehalten, als Rechtsanwalt in der DDR Zuträger der Stasi gewesen zu sein. Er bestreitet dies und hat sich in der Vergangenheit wiederholt erfolgreich vor Gericht zur Wehr gesetzt. (dapd/jW)

Quelle: www.jungewelt.de vom 13.02.13

Die Gysi-Story. Pünktlich zum Wahlkampf. Von Dagmar Enkelmann

Mittwoch, 13. Februar 2013 von Huste

Man hätte die Wahlkampf-Uhr danach stellen können: Kaum stand der 22. September als Termin für die Bundestagswahl fest, stieg der erste Versuchsballon gegen Die Linke auf. Keine Frage: 20 Jahre nach der Einheit würde eine »Rote-Socken«-Kampagne altbacken wirken, und mit der Frage nach dem SED-Vermögen kann man nicht einmal mehr im Bundestag punkten. Die unguten Machenschaften der Geheimdienste dagegen sind in aller Munde – und von dem Punkt an mußten nur noch die Begriffe Gysi, Stasi, Staatsanwalt und Immunität irgendwie zusammengebracht werden. Von sich aus fügen die Medien gern den Satz hinzu, daß – um staatsanwaltliche Ermittlungen zu ermöglichen – die Immunität des Abgeordneten aufgehoben wurde. Fertig ist die Story, die Gysi-Story. Die wird dann noch am Wochenende gestartet, wenn Politiker und Pressesprecher ihre Smartphones beiseite gelegt haben.

Um die Sache mit der Immunität aufzuklären: Zu Beginn der Legislatur wird durch den Bundestag für alle Abgeordneten die Immunität generell aufgehoben. Das heißt nichts anderes als: Liegt eine Anzeige gegen einen Abgeordneten vor, kann der Staatsanwalt wie gegen jeden anderen Bürger auch ermitteln. Erst wenn er von einer strafrechtlichen Verantwortung des Abgeordneten ausgeht, kommt der zuständige Bundestagsausschuß ins Spiel.

Wenn bei dieser Sachlage der Vorsitzende Thomas Strobl (CDU) gezielt den Eindruck erweckt, der Immunitätsausschuß habe die staatsanwaltlichen Ermittlungen zur Anzeige gegen Gysi geprüft, ist das weder wahr noch entspricht es den Verfahrensregeln des Bundestages. Der Ausschuß wurde von Strobl lediglich über die Ermittlungen informiert und hat sich sonst mit dem Thema Gysi nicht befaßt. Sein Verhalten ist eines Ausschußvorsitzenden eindeutig unwürdig.

Schon 2008 hatten vor allem die Unionsabgeordneten – nach vorangegangenen Presseberichten – über ein halbes Jahr lang versucht, »von Amts wegen« eine erneute Überprüfung von Gregor Gysi anzustrengen. Davon ließen sie erst ab, als die damalige Chefin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler, dem Immunitätsausschuß mitteilte, daß es keine wesentlichen neuen Hinweise gebe, wie man im Tagesspiegel nachlesen konnte.

Viel Lärm um nichts, könnte man sagen. Ganz so einfach ist es aber nicht. Der Antikommunismus bekommt mal wieder neue Nahrung. Und es soll gerade der getroffen werden, der der Linken in Deutschland Gesicht und Stimme gibt, der mit seinem Engagement Vertrauen und Glaubwürdigkeit erwirkt hat. Insofern geht es eben nicht um Gysi. Die Partei als Ganzes soll aus der Geschichte verschwinden. Eine Partei, die diese Gesellschaft in ihren Fundamenten infrage stellt, soll mit allen Mitteln bekämpft werden. Da hilft nur: Gemeinsam gegenhalten.

Dagmar Enkelmann ist Erste parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion im Bundestag

Quelle: www.jungewelt.de vom 13.02.13

Votum kontra Konzerne. Kabarettist Erwin Pelzig verhilft zu einer Million Unterschriften im Kampf um Wasserversorgung. Von Arnold Schölzel

Dienstag, 12. Februar 2013 von Huste

Mehr als 1021000 Unterschriften hat die Aktion »Wasser ist ein Menschenrecht – Right2Water« bisher gesammelt. Sie übersprang damit als erste Europäische Bürgerinitiative (EBI) die im EU-Vertrag von Lissabon festgelegte Hürde für Volksbefragungen. Das teilte »Right2Water« am Montag auf ihrer Internetseite mit. Die Initiative strebt nun die Zwei-Millionen-Marke bis September 2013 an. Sie setzt sich für freien Zugang zur Wasser- und sanitären Grundversorgung ein. Seit September konnte im Internet abgestimmt werden, Anfang Januar waren aber erst 100000 Unterschriften erreicht. Dann gelangte eine Richtlinie des EU-Binnenmarktausschusses an die Öffentlichkeit, wonach Kommunen die Wasserversorgung unter bestimmten Bedingungen europaweit ausschreiben sollten.

Die Unterschriftenzahl schnellte enorm nach oben, als der Kabarettist Erwin Pelzig in der ZDF-Satiresendung »Neues aus der Anstalt« am 22. Januar eine Rede über Europäer hielt, die »keinen Bock mehr haben auf irgendwelche nicht demokratisch gewählten EU-Kommissare, die sich von irgendwelchen geldscheißenden Lobbyisten bei ihren Puffbesuchen in Brüssel reinreden lassen, daß der Markt schon alles richten wird«. Anschließend zeigte er die Internetadresse der Initiative auf einem Pappstreifen, weil er sie wegen »Schleichwerbung« nicht einblenden lassen dürfe. Auch die ZDF-»heute show« befaßte sich mit der Unterschriftensammlung.

Laut dem EU-Vertrag von Lissabon kann die EU-Kommission eine Gesetzesinitiative zu dem Anliegen einer EBI vorschlagen, wenn sie dazu von mindestens einer Million EU-Bürger aus sieben Mitgliedsländern aufgefordert wird. Von diesem Instrument kann seit 1. April 2012 Gebrauch gemacht werden. Eine Volksabstimmung ist allerdings nicht vorgesehen. Die EU-Kommission ist nur verpflichtet, Gründe dafür anzugeben, wenn sie einer Aufforderung nicht Folge leistet.

Ebenfalls am Montag wurde bekannt, daß am Donnerstag in Paris ein Prozeß gegen den Film »Water Makes Money« der beiden deutschen Dokumentarfilmer Leslie Franke und Herdolor Lorenz beginnt. Der französische Konzern Veolia hat den Filmvertrieb und den »Whistleblower« Jean-Luc Touly in Frankreich im September 2010 verklagt, weil er sich in einen Zusammenhang mit Korruption gebracht sieht. Bereits zuvor gab es Hinweise, daß das Unternehmen versuchte, den Film mit Hilfe einer einstweiligen Verfügung am Erscheinen zu hindern. Dem begegneten die beiden Filmemacher damit, daß sie die Dokumenta­tion 2010 in 150 europäischen Städten gleichzeitig starten ließen. Sie wiesen jetzt darauf hin, daß die Verpflichtung der Kommunen zur Ausschreibung bei der Wasserversorgung von einem Lenkungsausschuß empfohlen wurde, in dem »fast alle privaten Wasserkonzerne der Welt vertreten sind.« Genau mit solcher Verquickung von Öffentlichem und Privatem befasse sich ihr Film. Die Klage sei ein »ernsthafter Anschlag auf die Pressefreiheit«.

Mike Nagler von ATTAC-Deutschland erklärte am Montag, der Zwang zur Privatisierung sei »ein organisierter Angriff auf das Gemeinwesen.« Statt einer Schuldenbremse seien »Privatisierungsbremsen« nötig. Aus Solidarität mit den Angeklagten wird »Water Makes Money« in dieser Woche in vielen deutschen Städten gezeigt, der Sender Arte strahlt ihn am heutigen Abend um 22 Uhr aus.

Internetseite der Initiative »Wasser ist ein Menschenrecht«: www.right2you.eu

Quelle: www.jungewelt.de vom 12.02.13

Tiefbrauner Vorwand. Hetzschrift unter falschem Namen: Offensichtliche Neonaziprovokation führte in München zu Hausdurchsuchung bei bekanntem linken Aktivisten. Von Claudia Wangerin

Samstag, 09. Februar 2013 von Huste

Walter Listl ist in München als langjähriger Aktivist und Sprecher des Bündnisses gegen Krieg und Rassismus sowie als Bezirkssprecher der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) bekannt. Zuletzt zitierten ihn Medien als Kundgebungsredner bei den Protesten der Friedensbewegung gegen die Münchner »Sicherheitskonferenz«. Das von der CSU-dominierten Staatsregierung betriebene Portal »Bayern gegen Linksextremismus« nennt ihn namentlich als »maßgeblichen Aktivisten« des Bündnisses, in dem »neben demokratischen auch linksextremistische Parteien und Gruppierungen« vertreten seien. Dennoch kam es weder der Staatsanwaltschaft München I noch dem zuständigen Ermittlungsrichter des Amtsgerichts unlogisch vor, daß ausgerechnet in Listls Namen ein Neonazipamphlet verschickt wurde. In Maschinenschrift hatten der oder die unbekannten Verfasser »Millionen Asylbetrüger, Zigeuner und Juden« sowie einen »linksvertrottelten Polit- und Medienmob« gegeißelt. Wegen des Elaborats mit der Überschrift »Hallo multikulturellbereicherte Kanaken- und Judenbüttel« wurde gegen Listl ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet, das am Donnerstag zu einer Hausdurchsuchung führte.

Die Beamten suchten nach einer nicht vorhandenen Schreibmaschine, beschlagnahmten dann aber Listls Terminkalender mit Telefonverzeichnis. Der Betroffene äußerte am Freitag gegenüber junge Welt den Verdacht, die Hetzschrift sei nur ein willkommener Vorwand für die Durchsuchungsaktion gewesen, da über seine Aktivitäten in antifaschistischen und antirassistischen Zusammenhängen genug Erkenntnisse bei Justiz und Polizei vorlägen. Es handle sich ganz offensichtlich um eine Provokation von Neonazis. »Man kann davon ausgehen, daß dies auch der Ermittlungsrichter erkennen mußte«, so Listl in einer Beschwerde an das Amtsgericht. Mit der Polizeiaktion gegen ihn sei für die Rechtsextremen bereits ein Teilerfolg zu verbuchen.

Briefe gleichen antisemitischen Inhalts wurden auch mit dem Absender des 87jährigen Münchner Antifaschisten und KZ-Überlebenden Martin Löwenberg verschickt, der in seiner Jugend während des Hitlerfaschismus nach den Nürnberger Gesetzen selbst als »jüdischer Mischling ersten Grades« eingestuft war. Sowohl Listl als auch Löwenberg standen mehrfach als Verantwortliche im Sinne des Presserechts mit vollem Namen und Adressen auf antifaschistischen Flugblättern. Auch der Name der Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V. (a.i.d.a.) wurde für den Versand von Hetzschriften mißbraucht, ebenso die Personalie eines für a.i.d.a. tätigen Journalisten. Mitarbeiter der Archivstelle wollen nun Anzeige gegen Unbekannt erstatten. Zu Hausdurchsuchungen kam es bei ihnen und Martin Löwenberg in diesem Zusammenhang nicht. Zur Durchsuchung bei Listl aufgrund der Hetzschrift, die »legitime Notwehr gegen diesen zunehmenden Kanaken- und Judenstaat« propagiert, erklärte am Freitag das Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus: »Kein auch nur mit etwas Vernunft ausgestatteter Mensch käme auf die Idee, daß dieses Nazipamphlet von einem der angegebenen Absender stammen könnte.« Bündnissprecher Claus Schreer warf Polizei, Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter vor, »Nazis als Hilfstruppe für ihre eigenen Zwecke« zu nutzen – »für ihre Repressionsmaßnahmen gegen Linke und Antifaschisten«.

Quelle: www.jungewelt.de vom 09.02.13

Befremden und Entsetzen. Der Vorstand des Verbandes der Verfolgten des Naziregimes-Bund der Antifaschisten e.V. im Freistaat Sachsen protestierte am Donnerstag in einem offenen Brief gegen die Verfolgung eines antifaschistischen Demonstranten durch die sächsische Justiz.

Freitag, 08. Februar 2013 von Huste

Mit Befremden und Entsetzen haben wir im Verband der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten im Freistaat Sachsen das am 16. Januar 2013 gegen Tim H. gefällte Urteil wegen angeblich schweren Landfriedensbruchs vernommen. Wir sehen darin und erst recht im nachgefolgten Widerspruch der Staatsanwaltschaft gegen die Höhe des Strafmaßes die Umkehrung des Notwendigen, das in der gegenwärtigen Situation zu tun wäre. Wir sehen ein Exempel, Antifaschisten einzuschüchtern, welches aber künftig geschichtsrevisionistischen, rassistisch unterlegten und demokratiefeindlichen Aktivitäten von Neonazis Rückenwind geben wird. (…)

Noch unter uns lebende Verfolgte des Naziregimes werden an die Zeit erinnert, die sie als Widerständler und Opfer der NS-Diktatur durchleben mußten. Wir Mitglieder des Verbandes werden uns stets mit antifaschistischer Überzeugung dem Neofaschismus entgegenstellen, so auch am 13. Februar 2013, das sehen wir als unsere Pflicht an. Deshalb solidarisieren wir uns als Verband mit Tim H. und allen anderen, bei denen allein der auf die Erhaltung der Demokratie gerichtete politische Widerstand Grundlage von Verfahren und Verurteilungen ist. Im Interesse der Demokratie in Deutschland fordern wir die Richterschaft auf, mit ihrem Tun antifaschistisch demokratische Gesinnung zu stärken und dem Neofaschismus entschieden Einhalt zu gebieten.

Als inakzeptabel und als einen erneuten Versuch, Militarismus in der Breite der Gesellschaft zu etablieren, hat die Kooperation für den Frieden, ein Zusammenschluß von mehr als 50 Friedensorganisationen und -initiativen, am Donnerstag die von DGB-Chef Michael Sommer am 5.2. angekündigte Zusammenarbeit der Gewerkschaften mit der Bundeswehr und insbesondere die Aussage des Bundesverteidigungsministers de Maizière, wonach die »Bundeswehr Teil der Friedensbewegung« sei, kritisiert:

Die Kooperation für den Frieden verurteilt die zunehmende Vereinnahmung friedenspolitischer Begriffe. (…) Desweiteren sieht die Kooperation für den Frieden das Streben des DGB nach einer engeren Zusammenarbeit mit der Bundeswehr als einen großen Rückschritt an, der in krassem Widerspruch zu dem starken Engagement der Gewerkschaften gegen die Wiederbewaffnung und die beabsichtigte atomare Bewaffnung der Bundeswehr in den 1950er und 1960er Jahren stehe. Die Motivation hinter dieser Zusammenarbeit sieht die Kooperation für den Frieden in dem Bemühen des DGB um Erhaltung und Ausbau von Arbeitsplätzen in der florierenden deutschen Rüstungsindustrie. Die aktuellen Problematiken von Kampfdrohnen und Rüstungsexport hätten jedoch den DGB nachdenklich machen müssen. In Kauf zu nehmen, daß auch in Zukunft Waffen an menschenrechtsverletzende Regime wie u.a. Saudi-Arabien exportiert werden, hieße das Thema Arbeitsplätze über jegliche moralische Verantwortung zu stellen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 08.02.13

Symbol des Widerstands. Für Djamila Boupacha, algerische Freiheitskämpferin, zum 75. Geburtstag. Von Florence Hervé

Freitag, 08. Februar 2013 von Huste

Ende der 50er Jahre. In meinem Mädchengymnasium im Pariser Vorort Saint-Cloud lesen wir heimlich Henri Allegs »Die Folter« unter den Schultischen. Das Buch des bekannten französisch-algerischen Journalisten und Kommunisten war damals in Frankreich verboten. Er hatte die Folter beschrieben, die er 1958 wochenlang in El-Biar erlitten hatte. Durch das französische Militär.

Zwei Jahre später, am 2. Juni 1960, schockiert ein Artikel von Simone de Beauvoir in der Zeitung Le Monde das Land: »Für Djamila Boupacha«. Beauvoir beschreibt, wie die junge FLN-Freiheitskämpferin wochenlang mit Fußtritten und Faustschlägen, mit Stromstößen an den Brüsten und am Geschlecht, mit dem, was heute unter dem berüchtigten Begriff »Waterboarding« bekannt ist, gefoltert und vergewaltigt wurde. Sie zitierte Djamila: »Man hat mir eine Flasche in die Vagina gesteckt. Ich schrie und verlor etwa zwei Tage lang das Bewußtsein«. Le Monde darf das Wort Vagina nicht veröffentlichen. Wegen der Zensur. Statt dessen hieß es: »Man hat mir eine Flasche in den Bauch gesteckt«. Die Ausgabe des Blattes, in der der Artikel stand, wurde beschlagnahmt.

Zwei Wochen später veröffentlichte die Schriftstellerin Françoise Sagan den Artikel »Die junge Frau und der Großmut« in der Wochenzeitung L’Express, in dem sie ihre Scham für ihr Land ausdrückt. Ein spektakulärer Prozeß beginnt. Ein Komitee für Djamila Boupacha wird gegründet unter dem Vorsitz von Simone de Beauvoir. Unter den Mitgliedern: die Schriftstellerin Elsa Triolet, ihr Kollege und Ehemann Louis Aragon, Aimé Césaire und Jean-Paul Sartre, die Widerstandskämpferinnen und Ravensbrück-Deportierten Geneviève de Gaulle-Anthonioz und Germaine Tillion. Die Anwältin Gisèle Halimi schreibt mit Simone de Beauvoir eine Dokumentation über den Fall, die 1962 unter dem Titel »Djamila Boupacha« erschien. Picasso zeichnet ein Porträt der jungen Frau, der chilenische Architekt und Künstler Roberto Matta widmet ihr das Bild »Djamilas Qualen«, der italienische Komponist Luigi Nono das »Lied des Lebens und der Liebe«.

Nach dem Abkommen von Évian (1962), das das Ende des schmutzigen Algerienkrieges und die Unabhängigkeit des nordafrikanischen Landes nach 130 Jahren Kolonialherrschaft Frankreichs besiegelte, wird Djamila Boupacha freigelassen. 50 Jahre später – 2012 – erinnerte der Fernsehfilm »Pour Djamila« der Regisseurin Caroline Huppert (Schwester der Schauspielerin Isabelle Huppert) an die Kämpferin.

Djamila, am 9. Februar 1938 in Bologhine, einem Vorort im Norden Algiers, geboren, stammt aus einer Familie von Freiheitskämpfern. Khelida war ihr Name in der FLN-Befreiungsfront, in der nur wenige Frauen aktiv waren. Die junge Muslima, die als Pflegehelferin tätig war, wurde mit ihrem Vater, ihrer Schwester und ihrem Schwager 1960 im Haus der Familie verhaftet. Djamila wurde beschuldigt, eine Bombe in die Brasserie des Facultés gelegt zu haben – was nicht bewiesen werden konnte. Unter der Folter »gestand« die damals 22jährige ein Dutzend Bombenattentate. Als der Vater seinem und Djamilas Peiniger vorhielt, Frankreichs Präsident Charles de Gaulle habe doch die Folter verboten, antwortete dieser: »De Gaulle geht uns einen Dreck an.« Die Folterung und Verstümmelung von algerischen Frauen als Vergeltungsmaßnahme für vermutete Unterstützung der nationalen FLN war gang und gäbe – aber berichten durfte man darüber nicht.

Gisèle Halimi übernahm Djamilas Verteidigung und konnte erreichen, daß sie in ein französisches Gefängnis verlegt wurde, denn in Algerien bestand für sie die Gefahr, in ihrer Zelle ermordet zu werden, denn die Folterer taten alles, ihre Praktiken nicht bekannt werden zu lassen. In Frankreich wurde Djamila zunächst zum Tode verurteilt, kurz danach aber nach Erlaß des Amnestiegesetzes freigelassen.

Sie heiratet, bekommt drei Kinder, arbeitet als Sekretärin. 1981 war sie beim Protest gegen das reaktionäre Familiengesetz in Algier dabei. Im vergangenen Jahr soll sie bedauert haben, daß der Fernsehfilm zu sehr auf den Prozeß und ihren Fall konzentriert sei und die berechtigten Anliegen der Befreiungsbewegung in den Hintergrund dränge.

Simone de Beauvoir hatte 1962 die gesamte Bewegung und das schreiende Unrecht des Krieges gegen Algerien im Blick, als sie schrieb, es reiche nicht, sich gegen das Verbrechen an Djamila zu stellen, sondern man müsse gegen die »kaum bessere Behandlung ihrer Mitkämpfer« rebellieren. Sie forderte ihre Landsleute auf, sich mit den Verbrechern nicht durch Schweigen gemein zu machen – und nicht nur »bestimmte Methoden« abzulehnen, »sondern den Zweck, der nach ihnen verlangt und der sie legitimiert. Dann lehnen Sie diesen Krieg ab, … die Armee … und die Regierung, die vor der Armee in die Knie geht. Dann setzen Sie alles in Bewegung, damit Ihre Ablehnung nicht ohne Wirkung bleibt. (…) Sie können sich nicht mehr herausreden, indem Sie sagen: »Aber wir hatten ja keine Ahnung …«

 

Quelle: www.jungewelt.de vom 08.02.13

Aufschrei in Tunesien. Mord an linkem Oppositionspolitiker löst Proteste und Regierungskrise aus. Linke Parteien und Gewerkschaften rufen zum Generalstreik auf. Von André Scheer

Freitag, 08. Februar 2013 von Huste

Der am Mittwoch ermordete tunesische Oppositionspolitiker Chokri Belaïd soll am heutigen Freitag in Tunis beigesetzt werden. Das kündigte der Bruder des Getöteten im tunesischen Rundfunk an. Die von Belaïd geführte Partei der Demokratischen Patrioten (PPD) hat für diesen Tag zusammen mit der Volksfront, einem Zusammenschluß von rund einem Dutzend linker Organisationen, einen Generalstreik proklamiert. Auch der Gewerkschaftsbund UGTT hat seine Mitglieder aufgerufen, in allen Städten Tunesiens die Arbeit niederzulegen, um damit gegen das »abscheuliche Verbrechen« zu protestieren, »das als Versuch, die freie und demokratische Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen, die Tür zu politischen Morden öffnet«. In einer Erklärung macht die UGTT die Übergangsregierung für die Zunahme der politischen Gewalt verantwortlich.

Chokri Belaïd war am Mittwoch morgen von bislang unbekannten Tätern erschossen worden (jW berichtete). Der am 26. November 1964 geborene Politiker war eine der bekanntesten Führungspersönlichkeiten der im Herbst 2012 gegründeten Volksfront und Generalsekretär der kleinen, marxistisch und panarabisch orientierten PPD, die mit einem Abgeordneten in der verfassunggebenden Versammlung vertreten ist. Bereits unter der Herrschaft des 2011 gestürzten tunesischen Staatschefs Zine Al-Abidine Ben Ali war er als Menschenrechtsaktivist bekannt geworden. Der studierte Rechtsanwalt verteidigte in dieser Zeit immer wieder Angeklagte in politischen Prozessen, wurde jedoch auch selbst mehrfach inhaftiert. Ab 2005 gehörte er gemeinsam mit dem früheren US-Justizminister und bekannten Antikriegsaktivisten Ramsey Clark dem internationalen Verteidigerteam im Prozeß gegen den früheren irakischen Staatschef Saddam Hussein an. Nach dem Sturz Ben Alis wurde Belaïd zu einem harten Gegner der von der islamistischen Ennahda-Partei geführten tunesischen Übergangsregierung. Noch am Dienstag hatte er deren Anhängern vorgeworfen, den tunesischen Staat auflösen zu wollen und mit Milizen zur Terrorisierung Andersdenkender eine »Spirale der Gewalt« in Gang gesetzt zu haben.

Der Mord an dem linken Politiker hat in Tunis eine Regierungskrise ausgelöst. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Verbrechens und den ersten Protesten hatte Ministerpräsident Hamadi Dschebali die Auflösung der Regierung und die Bildung eines Kabinetts aus »unabhängigen Experten« angekündigt. Dem widersetzte sich am Donnerstag jedoch seine eigene Ennahda. »Der Ministerpräsident hat die Partei nicht nach ihrer Meinung gefragt«, sagte der Vizechef der Islamisten, Abdel Hamid Dschelassi, der Nachrichtenagentur Reuters. Die Zentrale der Partei war am Mittwoch von aufgebrachten Demonstranten in Brand gesetzt worden. Bei den Auseinandersetzungen kam ein Polizist ums Leben. Am Donnerstag hielten die Proteste an. In Tunis zogen Hunderte Menschen durch die schwer gesicherte Habib-Bourguiba-Allee und riefen »Das Volk will den Sturz des Regimes«, wie ein AFP-Reporter berichtete. Zwischen den Demonstranten und Sicherheitskräften kam es zu Zusammenstößen, als die Menge sich dem Innenministerium näherte. Die Beamten setzten Tränengas ein und gingen mit Schlagstöcken gegen die Protestierenden vor. Auch in der Stadt Gafsa gab es vor dem Sitz der Provinzregierung gewaltsame Zusammenstöße.

Quelle: www.jungewelt.de vom 08.02.13

Mord in Tunis. Chef von tunesischer Linkspartei erschossen. Proteste in zahlreichen Städten

Donnerstag, 07. Februar 2013 von Huste

In Tunesien ist am Mittwoch der Generalsekretär der linksgerichteten »Bewegung der patriotischen Demokraten«, Chokri Belaïd, ermordet worden. Der 48jährige sei beim Verlassen seines Wohnhauses in der Hauptstadt Tunis durch zwei Kugeln tödlich getroffen worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur TAP. Auch der Vorsitzende der Partei, Mohamed Jmour, bestätigte den Tod seines Mitstreiters. Dieser sei von »Profikillern« erschossen worden.

Die Hintermänner des Attentats und das Motiv für die Tat waren zunächst unklar. Die Partei ist Teil der oppositionellen Volksfront, die sich gegen die von der islamistisch orientierten Ennahada geführte Regierung positioniert. Belaïd galt als einer der prominentesten Regierungsgegner und hatte dem Kabinett vorgeworfen, eine Marionette des Golfstaats Katar zu sein. Erst am Dienstag hatte Belaïd TAP zufolge bei einer Pressekonferenz die Einberufung einer nationalen Konferenz gegen die Gewalt vorgeschlagen, an der alle Parteien teilnehmen sollten. Die in den vergangenen Monaten eskalierten Auseinandersetzungen seien »das Ergebnis der Regierungskrise und der Konflikte innerhalb der Ennahada-Bewegung«, sagte er dabei.

Tunesiens Ministerpräsident Hamadi Jebali verurteilte den Mord an seinem Gegner. Staatschef Moncef Marzouki sagte einen Besuch in der ägyptischen Hauptstadt Kairo ab und reiste zurück nach Tunis. Trotzdem bezichtigten Anhänger des Getöteten die Regierung, hinter dem Verbrechen zu stehen. Noch am Mittwoch versammelten sich mehr als 1000 Demonstranten vor dem Innenministerium in Tunis, um gegen die »politisch motivierte Hinrichtung« zu protestierten, wie der Sender France 24 berichtete. Zudem versammelten sich zahlreiche Trauernde vor dem Krankenhaus, in das der Leichnam gebracht worden war. In den Städten Mezzouna und Gafsa wurden Büros der regierenden Ennahada-Partei in Brand gesetzt und verwüstet.

(dapd/AFP/Reuters/TAP/jW)

Quelle: www.jungewelt.de vom 07.02.13

Auf Beschaffungstour. Polizei durchsucht mehrere Wohnungen von hauptberuflichen Journalisten. Harsche Kritik von Journalisten-Union und Linkspartei. Von Markus Bernhardt

Donnerstag, 07. Februar 2013 von Huste

Gleich mehrere Fotojournalisten haben in den gestrigen Morgenstunden unerbetenen Besuch von Polizeibeamten erhalten. Auf Anweisung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main durchsuchten Polizisten mehrere Objekte und Privatwohnungen in Berlin, Hessen, Baden-Württemberg, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. An der Aktion waren insgesamt mehrere hundert Beamte beteiligt.

Der Grund für die Durchsuchungsaktionen liegt in Ermittlungen, die die Staatsanwaltschaft der Bankenmetropole zunächst wegen angeblichen »versuchten Totschlags«, mittlerweile offensichtlich nur noch wegen »gefährlicher Körperverletzung« gegen Unbekannt führt. So sind die Ermittler auf der Suche nach Fotos, auf denen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei beim europaweit ausgerufenen antikapitalistischen Aktionstag »M31« zu sehen sind.

Über 6000 Menschen hatten am 31. März vergangenen Jahres in Frankfurt am Main gegen die neoliberale Krisenpolitik der Europäischen Union demonstriert. Im Verlauf der damaligen Proteste war die Polizei mehrfach massiv gegen die Antikapitalisten vorgegangen und hatte die Demonstration in mehrere Teile gespalten. Über 200 Kapitalismusgegner waren außerdem für mehr als sechs Stunden von den Beamten eingekesselt worden. Infolge der Proteste hatte die örtliche Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren wegen »versuchten Totschlags« und Körperverletzung eingeleitet. Angeblich seien damals 15 Beamte verletzt worden, ein Polizist davon so schwer, daß er auf die Intensivstation habe eingeliefert werden müssen, da er eine schwere Augenverletzung durch eine Chemikalie erlitten habe (jW berichtete).

Indes behauptete die Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft, Doris Müller-Scheu, daß sich die Durchsuchungen gegen acht Sympathisanten der linken Szene gerichtet hätten, verschwieg jedoch, daß die Betroffenen als hauptamtliche Fotojournalisten tätig sind und somit gesetzlich besonderen Schutz genießen. Betroffen von der überfallartigen Aktion waren unter anderem die auch für junge Welt tätigen Bildreporter Björn Kietzmann, Christian Mang und PM Cheung.

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) wie auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) protestierten am Mittwoch scharf gegen den Polizeieinsatz, bei dem die Beamten Fotodateien aus den Computern der betroffenen Fotografen kopiert hatten. »Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang«, kritisierte etwa die dju-Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß. Sie warf den Behörden vor, »Pressevertreter mit brachialen Methoden« zu zwingen, »Hilfspolizisten zu spielen«. Die durchgeführten Durchsuchungen verstießen gegen die Pressefreiheit und seien vollkommen inakzeptabel, so Haß weiter.

Kritik kam auch von Hakan Tas, Mitglied der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Auch er geißelte die Aktion als »Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Pressefreiheit« und forderte, daß auch die Wohnungen von freien Journalisten »den grundgesetzlichen Schutz genießen« müßten, wenn dort journalistisch gearbeitet werde. Tas warnte außerdem, daß derartige Polizeiaktionen mittlerweile »zur Gewohnheit zu werden« drohten. Schließlich seien bereits zum dritten Mal innerhalb von zwei Monaten Razzien gegen Journalisten in Berlin durchgeführt worden, zuletzt im Dezember 2012 gegen die Berliner Morgenpost und die Wohnung eines freien Fotografen.

Quelle: www.jungewelt.de vom 07.02.13

Spanier erklären den Deutschen die Krise

Donnerstag, 07. Februar 2013 von Huste

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