Wolfgang Huste Polit- Blog

Wessen Demokratie? Moslembrüder rüsten zum Gegenschlag. Von Werner Pirker

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Ägyptens Moslembrüder gefallen sich derzeit in der Rolle aufrechter Verteidiger der Demokratie. Keineswegs zu Unrecht nehmen sie die Absetzung des demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär als Angriff auf die Demokratie wahr. Und doch ist die Frage nach der demokratischen Legitimität wesentlich komplizierter, als es den Anschein hat. Denn der von den Streitkräften vollzogene Machtwechsel ist von einer deutlichen Bevölkerungsmehrheit erkämpft worden. Für den Wahlsieger Mursi votierten vor einem Jahr weniger Menschen, als in diesen Tagen gegen ihn auf die Straße gegangen sind. Sich unter Lebensgefahr an einer Demonstration zu beteiligen erfordert ein größeres gesellschaftliches Engagement als die Stimmabgabe in einem Wahllokal.

Die Islamisten haben nicht weniger als der vor ihnen die Macht ausübende Oberste Militärrat versucht, die versprochene Demokratie nach eigenem Gutdünken – das heißt stets am Rande des Ausnahmezustandes – zu gestalten. Der wirtschaftliche Niedergang beschleunigte die Verelendung breiter Bevölkerungsschichten, die nun in weit größerer Zahl als während der Tahrir-Platz-Revolte von 2011 die politische Bühne betraten. Es spricht so ziemlich alles dafür, daß die angeblich zugunsten der Volkserhebung erfolgte Intervention der Streitkräfte auf deren Disziplinierung, das heißt auf die Abwehr des sozialen Demokratismus hinausläuft. Die Revolution von unten soll wieder einmal durch eine Revolution von oben neutralisiert werden. Auf deren Agenda steht die nationale Versöhnung. Klassenkämpfe sind daher tunlichst zu vermeiden.

Zur großen Versöhnung bedarf es freilich der Reintegration der von den Militärs tödlich beleidigten muslimischen Brüder. Militärischer Widerstand des islamistischen gegen das säkulare Ägypten ist keineswegs ausgeschlossen. Zumal die islamistische Aggression in Syrien auch die ägyptische Bruderschaft in erhöhte Kampfbereitschaft versetzt hat. Mursi und seine Brüder haben sich voll in die westlich-wahhabitische Aggressionsgemeinschaft gegen das säkulare Syrien eingegliedert und vehement einer ausländischen Militärintervention das Wort geredet.

Äußerungen aus Washington, in denen der Sturz des »demokratisch legitimierten Präsidenten« beklagt wird, lassen vermuten, daß die ­Obama-Administration vom Machtwechsel in Kairo eher auf dem falschen Fuß erwischt wurde. Der von ihr vollzogene Strategiewechsel von der strikten Gegnerschaft zum politischen Islam zur Nutzung des sunnitischen Sektierertums im Kampf gegen die »Achse des Widerstandes« sieht sich von den Ereignissen in Ägypten konterkariert. Da Washington aber großen Einfluß auf das ägyptische Militär besitzt, wird es den Schaden in Grenzen zu halten versuchen. Doch könnte der jüngste Aufstand eine soziale Dynamik freigesetzt haben, der mit den bisherigen Mitteln des Machterhalts nicht mehr beizukommen sein wird.

Quelle: www.jungewelt.de vom 06.07.13
Dieser Beitrag wurde am Samstag, 06. Juli 2013 um 11:27 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

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