Nach wie vor steht der Feind für die bundesdeutschen Inlandsgeheimdienste links. Auch nach den verschiedenen Enthüllungen über Verstrickungen der Verfassungsschutzämter in das mörderische Treiben des neofaschistischen Terrornetzwerkes »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU) bleiben sich die Behörden treu und beobachten auch weiterhin ausgerechnet engagierte Antifaschisten. Silvia Gingold, Tochter der mittlerweile verstorbenen antifaschistischen Widerstandskämpfer und Kommunisten Etti und Peter Gingold, hatte sich am 16. Oktober 2012 an das Landesamt für Verfassungsschutz in Hessen gewandt und um Auskunft gebeten, welche Informationen zu ihrer Person gespeichert seien. Am 8. November hatte die Behörde geantwortet, daß sie »seit dem Jahre 2009 im Bereich Linksextremismus gespeichert« sei. Gingold wird unter anderem vorgeworfen, daß sie »am 15. Oktober 2011 im Rahmen der GegenBuchMasse im Themenspektrum Antifaschismus für die Vorstellung der Autobiographie von Peter Gingold als Referentin angekündigt« gewesen sei (siehe Spalte).
Da die Behörde sich aufgrund eines vermeintlich »öffentlichen lnteresse(s) an der Geheimhaltung der Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen« weigerte, über die in dem an Gingold gerichteten Schreiben enthaltenen Informationen hinausgehende Auskünfte zu erteilen, legte die Antifaschistin Widerspruch gegen den Bescheid der Behörde ein. Dieser wurde nun weitestgehend zurückgewiesen.
Zwar sah sich der hessische Inlandsgeheimdienst offensichtlich gezwungen, den Eintrag über die Lesung Gingolds aus der Autobiografie ihres Vaters zu löschen. Jetzt nimmt der Geheimdienst ein junge Welt-Interview vom 28. Januar 2012 zum Vorwand, um der enagierten Antifaschistin vermeintliche »linksextremistische« Aktivitäten wie etwa ihre Mitgliedschaft in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) nachzuweisen, die – so heißt es im Bescheid der Behörde – »vom LfV Hessen als linksextremistisch beeinflußte Organisation beobachtet« werde. Daher könne auch dem »Löschungsbegehren«, welches Gingold geltend gemacht hatte, »nicht weiter entsprochen werden«.
Die Betroffene kritisiert den Bescheid scharf. »Ich empfinde es als ungeheuerlich, daß meine antifaschistischen Aktivitäten als Konsequenz aus den Erfahrungen meiner Familiengeschichte, die Lesungen aus der Biographie meines Vaters sowie mein Engagement für die Rehabilitierung der vom Berufsverbot Betroffenen der 70er Jahre eine Überwachung und Speicherung durch den Verfassungsschutz zur Folge haben und als linksextremistisch stigmatisiert werden«, konstatierte Silvia Gingold am Dienstag im Gespräch mit junge Welt. »Der Aufwand, der hier bei der Überwachung derjenigen betrieben wird, die im Sinne der Verfassung alles tun, um das Erstarken von Neonazis zu verhindern, während Geheimdienste bei der Aufdeckung des mörderischen Neonaziterrors versagt haben, zeigt, wie prägend für dieses Amt der aus der Nazizeit hinübergerettete antikommunistische Geist ist.«
Zwar steht zu befürchten, daß auch diese Aussagen der Antifaschistin den hessischen Verfassungsschutz erneut zur Speicherung »neuer Erkenntnisse« veranlassen wird. Silvia Gingold will sich jedoch davon keineswegs einschüchtern lassen. »Die Behörde wird mich nicht daran hindern, in der Tradition meiner Familie weiterhin aktiv zu bleiben«, bekräftigte sie gegenüber junge Welt.
« Konzepte und Strategien. ATTAC Deutschland verbreitete am Sonntag zum Abschluß seiner Sommerakademie folgende Pressemitteilung: – Fiktive Dunkelmänner. Zeugenaussagen sind oft unpräzise. Doch Vernehmungen zum NSU-Mord an einem Münchner Händler lassen Verdacht auf manipulierte Protokolle aufkommen. Von Sebastian Carlens, München »
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