Die Skandale um unterbezahlte Werkvertragsbeschäftigte bei Daimler reißen nicht ab. Wie in der vergangenen Woche bekannt wurde, ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen mehrere Unternehmen, die unter anderem für den Autobauer Test- und Probefahrten mit Neufahrzeugen durchführen. Es bestehe der Verdacht, daß Werkverträge dazu mißbraucht würden, Beschäftigten Löhne vorzuenthalten, erklärte ein Sprecher der Behörde. Es handele sich um ein »Geflecht« aus Firmen mit zum Teil ausländischen Töchtern und Subunternehmen.
Die in Ulm erscheinende Südwest Presse hatte zuvor darüber berichtet, daß bei einem für Daimler tätigen Dienstleister aus Schwäbisch Gmünd rumänische Testfahrer für einen Stundenlohn von 3,80 Euro arbeiteten. Zwar behauptete der Geschäftsführer, der Lohn werde bei Einsätzen in Deutschland auf 11,50 Euro aufgestockt. Ein Mitarbeiter der Finanzkontrolle Schwarzarbeit wird von dem Blatt aber mit den Worten zitiert: »Es sind unter fünf Euro, an 3,80 Euro ist was dran.« Die Einkommenshöhe ist für den Zoll allerdings kein Thema. Die Behörde ermittelt nur wegen des Verdachts auf Scheinwerkverträge. Diese liegen vor, wenn das Unternehmen den Beschäftigten direkte Arbeitsanweisungen erteilt. Der Auftraggeber spart so nicht nur Lohnkosten – die Einkommen der Werkvertragsbeschäftigten unterliegen zumeist nicht dem Tarifvertrag –, sondern auch Sozialabgaben.
Gegen Daimler-Manager laufen laut Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit dem Fall »Vorermittlungen«. Die Verantwortung des Konzerns als Auftraggeber werde »mitgeprüft«. Eine Daimler-Sprecherin erklärte: »Wir gehen davon aus, daß sich unsere Lieferanten an Recht und Gesetz halten.« In den Verträgen seien entsprechende Klauseln enthalten.
Die Möglichkeiten dafür sind angesichts des immer noch hohen Produktionsniveaus in der Autoindustrie aktuell gar nicht schlecht. Das Daimler-Werk Untertürkheim beispielsweise kommt mit der Fertigung von Komponenten für die neue S-Klasse – das gewinnträchtigste Mercedes-Modell, das im nahegelegenen Sindelfingen montiert wird – kaum hinterher. Bei der Genehmigung von Überstunden und Wochenendschichten ist das Management aber auf die Zustimmung des Betriebsrats angewiesen. »Das sollten wir nutzen«, meint Clauss. »Und es gibt bereits konkrete Beispiele, die zeigen: es geht.« Der Gewerkschafter plädiert zudem dafür, die Unterbezahlung von Werkvertrags- und Leihbeschäftigten weiter zu skandalisieren. In manchen Konkurrenzunternehmen geschehe das leider viel zu wenig.
Daimler jedenfalls kommt bei dem Thema kaum noch aus den Schlagzeilen, seit der SWR vor einigen Wochen in einer Reportage darüber berichtet hatte, daß Bandarbeiter mit Werkvertrag in Untertürkheim ihr Einkommen mit Hartz IV aufstocken müssen. Danach ist das Unternehmen sehr vorsichtig geworden. Betriebsräte berichten, daß einige Werkvertragsarbeiter in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernommen wurden. Andererseits würden Daimler-Mitarbeiter nun vielfach angewiesen, keinen Kontakt zu Beschäftigten von Fremdfirmen mehr zu pflegen, um Abgrenzungsprobleme zu vermeiden. Die Situation der Werkvertragsbeschäftigten, die bei Pausen-, Umkleide- und Duschräumen ohnehin vielfach benachteiligt sind, habe das nicht gerade verbessert.
Die Maßnahmen sind offenbar auch eine Reaktion auf diverse Klagen von Werkvertragsarbeitern. So forderten zwei IT-Angestellte eines Dienstleisters – die elf Jahre lang für den Autohersteller gearbeitet und vielfach direkte Anweisungen entgegengenommen hatten – vor Gericht ihre Festanstellung. In zweiter Instanz hatten sie damit nun Erfolg. Falls das Unternehmen keine Revision beim Bundesarbeitsgericht einlegt, muß Daimler den beiden einen regulären Arbeitsvertrag anbieten. In der Untertürkheimer Betriebszeitung Alternative heißt es dazu: »Dieses Urteil kann wegweisend für die weitere Rechtsprechung sein und endlich diese unwürdigen, menschenverachtenden Arbeitsverhältnisse eindämmen.«
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