Seit dem gestrigen Mittwoch gilt auch für Bulgaren und Rumänen die sogenannte Arbeitnehmerfreizügikeit innerhalb der EU. Für die CSU Anlaß genug, eine Kampagne gegen »Armutsmigration« loszutreten, die mit einer herbeiphantasierten Überlastung der deutschen Sozialsysteme emotionalisieren soll: »Wer betrügt, der fliegt«, so der Slogan einer Beschlußvorlage der CSU-Landesgruppentagung in Wildbad Kreuth vom 7. bis zum 9. Januar. Mit »Gute Heimreise« hatte bereits vor Jahren die neofaschistische NPD gegen Migranten gehetzt.
Hunderttausende verarmte Osteuropäer, auf dem Wohlstandstreck nach Deutschland? Mitnichten. Der aktuelle Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) entlarvt die Phrasen der Christsozialen. Im Jahr 2014 sei nur mit einer mäßig wachsenden Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien zu rechnen, faßte die Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch die IAB-Zahlen zusammen. Für das abgelaufene Jahr gehen die Wissenschaftler von einer sogenannten Nettozuwanderung von 70000 Personen aus. Zur Jahresmitte 2013 hätten rund 60 Prozent der Bulgaren und Rumänen im erwerbsfähigen Alter in Deutschland eine Arbeit gehabt. Rund zehn Prozent der Zuwanderer aus diesen osteuropäischen Staaten seien zu diesem Zeitpunkt auf Hartz-IV-Bezug angewiesen gewesen; dieser Wert liegt nur knapp über dem gesellschaftlichen Mittel von 7,5 Prozent. In strukturschwachen Kommunen wie Duisburg, Dortmund und Berlin konzentrierten sich zwar die sozialen und wirtschaftlichen Probleme, 60 bis 70 Prozent der aus den beiden Ländern stammenden Menschen seien dort erwerbslos. Doch sie bezögen auch keinerlei Sozialleistungen. Der Kollaps der Sozialsysteme wird also auf sich warten lassen.
Doch am 25. Mai wird das Europaparlament gewählt, dafür schießt sich die CSU bereits jetzt ein. Nach dem Erfolg der »Alternative für Deutschland« (AfD), die bei der Bundestagswahl mit 4,7 Prozent der Wählerstimmen nur knapp den Einzug ins Parlament verpaßte, geht es darum, diese Konkurrenz auszustechen. Die Unionsparteien übertrumpfen also entsprechende populistische Forderungen derart, daß rechts von ihnen kein Platz mehr bleibt.
Passend dazu kündigte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) in der Welt (Donnerstagsausgabe) für 2014 mehr verdachtsunabhängige Personenkontrollen im tschechischen Grenzgebiet an. »International agierende Banden und reisende Tätergruppierungen nutzen auch in Bayern die Freiheit des zusammenwachsenden Europas zunehmend für ihre kriminellen Machenschaften«, so Herrmann. Also Schlagbaum runter vor der Festung Bayern: »Der Zustand, daß man sich durch Betrug Sozialleistungen erschleicht und nach einer Ausweisung wieder einreisen kann, muß beendet werden«, sekundierte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt im gleichen Blatt – und vergaß vor lauter Furor glatt das Schengen-Abkommen.
Eine Zeitungsente der Bild vom 30. Dezember über Kürzungen der Kindergeldbezüge von »Armutszuwanderern aus Rumänien und Bulgarien« übernahmen derweil die Agenturen AFP, Reuters und dpa ungeprüft, kritisierte der Medienjournalist Stefan Niggemeier am Dienstag auf seiner Webseite. Nach den EU-Regeln sei dies allerdings sowohl rechtlich als auch sachlich nicht möglich, hatte das Bundesfamilienministerium schon vor Wochen klargestellt.
Zu einer Hetzkampagne gehören Opfer, die sich nicht wehren können, Verzerrungen und gut verteilte Rollen. Die Sozialdemokraten mögen sich daher über die CSU aufregen – aber erneut in die Regierungsverantwortung gehievt hat diese bayerische Rechtsaußen-Regionalpartei erst die SPD.
« Zwei Ungeheuerlichkeiten in nur drei Sätzen. Der Bundessprecherrat der Kommunistischen Plattform der Partei Die Linke äußerte sich am Freitag aus aktuellem Anlaß zur Gleichsetzung von deutschem Faschismus und DDR: – Schlicht verharmlosend »
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