Wolfgang Huste Polit- Blog

Abgeschottetes Amt. Jobcenter reagieren mit Klagen und Strafandrohungen auf veröffentlichte Telefonnummern. Von Susan Bonath

Tags:

Direkter Draht zur Behörde? Darauf haben auch Hartz-IV-Bezieher im Rahmen der Informationsfreiheit Anspruch, wie das Verwaltungsgericht Leipzig am 10. Januar 2013 urteilte. Demnach müssen Mitarbeiter von Jobcentern telefonisch erreichbar sein und Behörden entsprechende Rufnummern preisgeben. Doch weil das Leipziger Jobcenter in Berufung ging, ist das Urteil bislang nicht rechtskräftig, und die meisten Ämter halten sich weiterhin bedeckt. Der Arbeits- und Sozialrechtler Harald Thomé half Betroffenen auf seine Weise: Auf seiner Internetseite veröffentlichte er fast 150 Telefonlisten von Jobcentern aus der ganzen Bundesrepublik. Nun kündigt er in einer jW vorliegenden Erklärung jedoch zum 15. Januar einen Rückzieher an. Der Grund: Einzelne Behördenvertreter hätten ihn angefeindet und mit rechtlichen Schritten bedroht.

Seit der Einführung von Hartz IV im Januar 2005 schotten sich die aus diesem Anlaß installierten Jobcenter regelrecht ab. Haben Bezieher von Arbeitslosengeld II Probleme oder benötigen einen Termin, müssen sie häufig kostenpflichtige Hotlines anrufen. Dort landen sie, wenn überhaupt, im Callcenter. So können selbst dringende Anliegen oft nicht zeitnah bearbeitet werden. Dagegen hatte der Leipziger Rechtsanwalt Dirk Feiertag geklagt (jW berichtete). Und die Richter gaben ihm vor einem Jahr Recht. »Jeder hat gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang von amtlichen Informationen«, machten sie deutlich. Deshalb müßten Mitarbeiter des Amtes für Bürger erreichbar sein, Hotlines seien dafür nicht geeignet. »Dienstnummern unterliegen nicht dem persönlichen Datenschutz«, stellte das Gericht klar. Ihre Bekanntgabe gefährde auch nicht die Sicherheit der Mitarbeiter. Ebenso dürfe der Informationsanspruch der Bürger nicht durch »innere Organisation« ausgehebelt werden. Die Berufung des Leipziger Amtes liegt nun auf dem Tisch des sächsischen Oberverwaltungsgerichts. Mit einer Entscheidung sei jedoch vor Mitte dieses Jahres nicht zu rechnen, informierte dessen Sprecher Michael Raden am Montag auf Nachfrage dieser Zeitung.

Wie wenig Jobcenter von Transparenz halten, erläutert Harald Thomé in seiner Mitteilung. Zwar habe er von einigen Ämtern Zustimmung und sogar Telefonnummern erhalten. Mehr noch habe es allerdings Widerspruch und Gegenreaktionen gehagelt, »bis hin zur Androhung von Strafverfahren und sogar von Gewalt«, erklärt Thomé. Zehn Jobcenter, vor allem hessische, hätten zudem versucht, ihn per teurer Unterlassungsverfügung zum Entfernen der Telefonlisten zu zwingen. In einem Fall habe er sich rechtlich gewehrt und schließlich eine modifizierte Liste ohne Vornamen der Mitarbeiter ins Internet stellen müssen. Aktuell streite er mit zwei Behörden um die Veröffentlichung. »Im härteren Fall drohte mir das Jobcenter Berlin-Spandau am 13. Dezember 2013 mit über 500 Einzelanträgen von Mitarbeitern auf Unterlassung, was mich im Fall des Unterliegens etwa 400000 Euro kosten würde«, konstatiert Thomé.

Der Arbeitsrechtler fühlt sich »existenziell bedroht« und findet die Reaktionen einiger Jobcenterchefs »erschreckend«. Es fehle das Verständnis dafür, daß die über sechs Millionen »Klienten« der Jobcenter meist auf unmittelbaren Kontakt angewiesen seien, resümierte er. »Für eine Existenzsicherungsbehörde ist das unabdingbar, etwa wenn mal wieder kein Geld auf dem Konto oder die Wohnung wegen ausstehender Mietzahlungen in Gefahr ist«, so Thomé. Durch die Abschottung erklärten sich Jobcenter zu »Sonderrechts- und Gefahrenzonen«. »Der vermeintliche Schutz der Mitarbeiter wird höher gestellt als der Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.« Thomé hält sein Projekt deshalb für »gescheitert«. Jedoch, betont er, könnten die Listen noch bis Mittwoch heruntergeladen werden.

Quelle: www.jungewelt.de vom 14.01.14

Dieser Beitrag wurde am Dienstag, 14. Januar 2014 um 13:07 Uhr veröffentlicht und wurde unter der Kategorie Blog abgelegt. Du kannst die Kommentare zu diesen Eintrag durch den RSS-Feed verfolgen.

«  –  »

Keine Kommentare

No comments yet.

Sorry, the comment form is closed at this time.

Kategorien

über mich

antifaschismus

Linke Links

NGO Links

Ökologie

Print Links

Archive

Sonstiges

Meta

 

© Huste – Powered by WordPress – Design: Vlad (aka Perun)