Die tief antidemokratische Geisteshaltung als Kernbestand der Berliner Preussenrepublik wurde für einen kurzen historischen Augenblick des Papstbesuchs in grelles Licht getaucht:
Der Repräsentant einer bürgerlich- parlamentarischen Republik huldigte dem Oberhaupt eines antidemokratischen Gottesstaates mit militärischen Ehren und das Parlament entblödete sich nicht, dem ehemaligen Geheimdienstchef dieses Gottesstaates seine Tore zu öffnen.
Dieser Gottesstaat mit seinem Oberhaupt stehen in mehrfacher Hinsicht in diametralem Gegensatz zur Verfassungsordnung der Berliner Republik:
– Die ausdrückliche Ablehnung der Gewaltenteilung
– Zensur von Texten und Ablehnung eines Vernunftgebrauchs ohne Gottesbezug
– Gedankenkontrolle durch einen Geheimdienst, dessen Zusammensetzung vom Staatschef bestimmt wird. Gegen die Urteile dieses Dienstes ist keine Revision möglich.
Folgerichtig hat sich dieser Gottesstaat und sein Vorsitzender bis heute beharrlich geweigert, die UNO – Menschenrechtserklärung sowie die Menschenrechtsdeklaration des EU-Parlaments zu unterzeichnen. Damit setzt er bis heute die Kampftradition gegen die Menschenrechtserklärung der Franz. Revolution fort, als jeder Priester exkommuniziert wurde, der die Menschenrechtserklärung anerkannte.
Man huldigte in Berlin einem Papst, der die reaktionärsten Tendenzen des Katholizismus wiederbelebt und fördert:
Judenfeindschaft
Am 21. Januar 2009 erfüllte Papst Benedikt XVI (Joseph Ratzinger) die Forderung der Anhänger des abtrünnigen Erzbischofs Marcel Lefebvre und hob die Exkommunikation des Meisters und der vier 1988 auf eigene Faust geweihten Bischöfe auf. Damit sind sie wieder vollwertig in die kath. Kirche integriert. in Einer von ihnen ist der bekennende Holocaustleugner Richard Williamson. Ebenso wie er fordern auch die übrigen Anhänger die Rückkehr zum absoluten Wahrheitsanspruch des 19. Jhdts. zu der nach deren Aussage ausdrücklich der christliche Antijudaismus zählt. Sie fordern nicht nur seine Rehabilitierung, sondern betrachten ihn ausdrücklich als Pflicht für jeden Katholiken.
Im Dankesbrief des Generaloberen der Priesterbruderschaft an den Papst nach deren Wiederaufnahme in die Kirche heisst es unmissverständlich: „Wir sind bereit, das Glaubensbekenntnis mit unserem eigenen Blut zu schreiben, den anti-modernistischen Eid zu leisten…….“
Republikfeindschaft
Der Distriktoberste der deutschen Lefebvisten, Schmidberger, schrieb vor ca. einem Jahr in einem Grundsatzartikel, wie ein christlicher Staat heute aussehen müsste: ein Ständestaat ohne gleiches Wahlrecht, Abschaffung von Gewerkschaften und Streikrecht zugunsten korporatistischer Strukturen, Verbot der Freimaurerlogen, Verbot aller Religionsgemeinschaften außer der fundamentalistisch gewendeten katholischen Kirche sowie ein langer Verbotskatalog :Verbot der Ehescheidung, Verbot der Abtreibung und Verbot von Verhütungsmitteln, Einführung der Todesstrafe etc.etc Die Franco-Diktatur lässt grüßen…
Kinderschänderring
In einer Sendung des WDR vor wenigen Tagen wurde darauf hingewiesen, dass von den 27 Diözesen in Deutschland erst 11 Zahlen vorgelegt haben. Doch sind die Aussagen völlig vage und man ist auf Mutmaßungen angewiesen, welche Art von Missbrauch stattgefunden hatte. Was beinhalten Formulierungen wie „Hinweise auf Missbrauch“ (Osnabrück) oder was sagt es aus, wenn auf „staatsanwaltschaftliche Ermittlungen“ verwiesen wird, die zudem „eingestellt“ wurden (Köln) Oder wenn von vorliegenden „Fällen“ (Berlin) die Rede ist. Hat nun ein Missbrauch stattgefunden oder nicht?
Klarer und erschreckend deutlich formuliert dagegen der Leiter des Berliner Canisiuscollegs. Er berichtet von 210 Opfermeldungen an seiner Berliner Schule seit 1970. Täteranzahl: Plus Minus vier.
Rechnet man die bekannt gewordenen Opferzahlen aus Irland, den USA (wo die Kirche sich mit einigen Millionen von einem öffentlichen Prozess loskaufte) hinzu, so ergibt sich das Bild einer weltweit operierenden kriminellen Vereinigung, die an der Vertuschung ihrer Taten aktiv arbeitet.
Pöbelnder Papst
Als der Papst vom 17-20 September in England tourte, schockte er die anglikanischen Christen mit der Aussage, dass ihre Orden „völlig nichtig“, seien. Zugleich verfolgt er eine gezielte Abwerbung deren Priesterschaft, wie es zuvor gegenüber der Orthodoxie in Russland praktiziert wurde.
Bei seiner Ankunft in Edinburgh ging er jedoch noch weiter und machte die „Atheisten“ für die Verbrechen Hitlers und Stalins verantwortlich. (1)
So versuchte er, seine Amtskirche von den tiefbraunen Flecken zu säubern. Hitler war Katholik, hat seine Taufe nie in Frage gestellt und schreibt in seinem Buch ausdrücklich: „Mein christliches Gefühl weist mich hin auf meinen Herrn und Heiland“.
Kein Zufall, dass der Münchner Kardinal nach dem gescheiterten Attentat auf den Diktator als Dank das „Te Deum“ anordnete und die Erzdiözese Köln zu „Führers Geburtstag“ eine Sonderausgabe der Bistumszeitung herausgab…
Berliner Gottesrepublik als Finanzier
Viele Atheisten ignorieren kopfschüttelnd die Unterwerfungsgesten der Republik gegenüber dieser anachronistischen mittelalterlichen Macht. Dabei unterschätzen sie jedoch die enge Kollaboration der Staatsorganisation Bundesrepublik mit dieser feindlichen Macht: So finanziert der deutsche Steuerzahler im Jahr 2009 insgesamt mit über 19 Milliarden Euro zusätzlich zum Eigenkapital von 9,4 Milliarden diesen Anachronismus. (2) Diese eklatante Bevorzugung einer Religionsgemeinschaft ist verfassungswidrig.
Die gewählten Abgeordneten des Bundestages stehen immer noch in der Pflicht, diese Sondersubventionen einzustellen, wie es bereits die Weimarer Verfassung forderte.
Wer als Abgeordneter einer Macht huldigt, die von der „Erbsünde“ des Menschen ausgeht, befindet sich in einem fundamentalen Gegensatz zum Anspruch der europäischen Menschenrechtserklärung „Der Mensch ist frei geboren“.
Wer als Abgeordneter einer Macht huldigt, die so tut, als sei der Penis ein essentielles religiöses Werkzeug und damit die Frauenverachtung legitimiert, missachtet grob die Menschenrechte.
Wer als Abgeordneter einer Macht huldigt, deren Vertreter den Protestantismus „rückgängig“ machen wollen, (3) gefährdet den inneren Frieden.
Wer als Abgeordneter die antidemokratische Tradition eines Staates und seiner Organisation fördert, die weltweit massive psychische Schäden durch Schuld- und Angstkomplexe verursacht sowie die Armut durch Verbot von Verhütungsmitteln aktiv ausweitet, vergreift sich in mehrfacher Hinsicht an den humanen Grundlagen einer Republik. Die zelebrierte devote Unterwerfungsgeste ist unter historischen Gesichtspunkten ein weiteres deutliches Anzeichen für den Zusammenbruch bürgerlich – republikanischer Ansprüche.
(1) http://www.youtube.com/watch?v=P2sOqFVPit8&feature=results_video&playnext=1&list=PL5843EEA8F6CDD6B6
(2)
(3)
http://piusbruderschaft.de/startseite/offizielle-stellungnahmen/968-antworten-auf-pressefragen/5876-der-deutsche-distrikt-zum-papstbesuch
« „Hessisches Suchthilfesystem bedarfsorientiert ausgebaut“. Sozialminister Stefan Grüttner: „Hessen setzt auf Alkoholprävention – Trend zum Komatrinken Einhalt gebieten“ – Starke Betriebsräte statt Warten auf das Himmelreich. Von Dr. Wilhelm Vollmann »
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Ein Zentrales Thema innerhalb der Papstrede war der Begriff „Positivismus“. Positivismus kann durchaus auch in einem „progressiven“ (linkspolitischen) Sinne interpretiert und angewendet werden (wie es auch linke und rechte Hegelauslegungen gibt, oder einen linken und rechten Keynesianismus). Ich selbst favorisiere da weit eher den philosophischen Begriff „Materialismus“ – der ist, in diesem Zusammenhang, deutlich treffender, nicht nur aus einer marxistischen Sicht heraus. Die Papstrede habe ich gestern auf meiner Facebook-Seite wie folgt knapp kommentiert:
„Ein Hauch von „Mittelalter“ durchzog heute den Bundestag. Nicht die innerkirchlichen Kinderschänder, die innerkirchliche Frauenfeindlichkeit, die Flüchtlingsproblematik, die imperialistischen Kriege, der allgemeine, europaweite Sozialabbau waren für den Papst die zentralen Themen, sondern der „Positivismus“. Der Papst gerierte sich als Antiaufklärer, in dem er den Rationalismus und Materialismus (im philosophischen Sinne) relativierte und die Emanzipation im Sinne einer Befreiung des Menschen aus seiner (nicht immer selbst auferlegten, meistens „von oben“ verordneten) Unmündigkeit postulierte.“
Als Linker gehe ich davon aus, dass die Welt prinzipiell (!) erkennbar, erklärbar und auch veränderbar ist. Ich gehe weiter davon aus, dass alles (!) eine prinzipiell (!) erklärbare Ursache hat. Nicht alles ist notwendig (so war z.B. der erste und zweite Weltkrieg, der historische Faschismus) sicherlich nicht notwendig- aber sie sind und waren (wissenschaftlich, historisch, politisch) erklärbar.
Der individuelle Wunsch nach Transzendenz ist o.k.- sollte aber nicht unser politisches Ziel sein, da eine solche Haltung primär entpolitisierend wirkt, statt aufklärerisch in einem marxistischen und humanistischen Sinne.
Und wenn jemand zu mir sagt: „Ich habe mit dem Hier und Jetzt meine Schwierigkeiten!“ – dann antworte ich als „klassischer Materialist“: „Womit sonst?!“. 🙂
Comment: Wolfgang Huste – 23. September 2011 @ 19:53