In dieser Woche streiken die Beschäftigen des öffentlichen Dienstes. Ein Plus von 6,5 Prozent wird gefordert, mindestens jedoch 200 Euro mehr im Monat. Es gibt einen deutlichen Nachholbedarf. Die Warnstreiks müßten Anlaß sein im Bundestag zu diskutieren, wie dieser Arbeitskampf unterstützt werden kann. Und wie die Regierung gedrängt werden könnte, die Gelder für die Lohnerhöhung bereitzustellen. Bei Bankenrettungen werden die Milliarden schließlich auch im Blitztempo zur Verfügung gestellt.
Diese Debatte will die SPD nicht führen. Fraktionschef Steinmeier setzt lieber die Tarifeinheit auf die Tagesordnung und fordert, daß die Regierung diese gesetzlich regelt. Wenn zwei Gewerkschaften in einem Betrieb vertreten sind, dann soll nur einer das volle Streikrecht zustehen. Für die andere laufen alle Modelle auf eine Einschränkung, ja auf ein Verbot des Streiks hinaus.
Gerade weil es Gewerkschaften immer schwerer fällt, zu guten Ergebnissen zu kommen, ist nicht die Einschränkung, sondern die Ausweitung des Streikrechtes erforderlich. Wir brauchen die Klarstellung, daß Solidaritätsstreiks unbeschränkt legal sind. Kein Arbeitsrichter soll mehr über die Verhältnismäßigkeit richten. Auch politische Streiks gehören unbeschränkt legalisiert. In vielen anderen entwickelten Ländern ist das selbstverständlich. Ausgerechnet Deutschland hinkt hier hinterher.
Für gewerkschaftliches Handeln ist es wichtig, daß sich die Stärkeren für die Schwächeren mit einsetzen. Daß Fluglotsen, Ärzte, Piloten und Lokführer für ihre Interessen eintreten und streiken, ist ihr gutes Recht. Aber gleichzeitig ist es auch problematisch, weil sie ihre besondere Kampfkraft nur für sich und nicht gleichzeitig auch für die Krankenschwester, die Stewardeß und den Zugbegleiter einsetzen.
Aber die Zusammenführung der verschiedenen Gruppen zu gemeinsamem gewerkschaftlichen Handeln muß politisch vorangebracht werden und nicht durch die gesetzliche Beschränkung des Streikrechtes.
Es ist zunehmend schwieriger geworden, eine einheitliche gewerkschaftliche Interessenvertretung zu organisieren. Dies hat viel damit zu tun, daß SPD und Grüne die Handlungsmacht der Gewerkschaft geschwächt haben. Wer befristet arbeitet oder gar verliehen ist, hat es viel schwerer zu streiken. Weil so die Verhandlungsergebnisse immer schlechter wurden, fühlten sich manche Beschäftigtengruppen benachteiligt und kamen in die Versuchung, ihren Vorteil im isolierten Kampf zu suchen.
Die Hauptverantwortliche für die Schwächung der Gewerkschaften – die SPD – will die Folgen der verhängnisvollen Politik der Agenda 2010 mit der Einschränkung des Streikrechtes beantwortet. Das ist zynisch und menschenverachtend.
Michael Schlecht ist ehemaliger Chefvolkswirt von ver.di. Er ist Bundestagsabgeordneter für Die Linke, gewerkschaftspolitischer Sprecher im Parteivorstand und Chefvolkswirt seiner Bundestagsfraktion.
Quelle: www.jungewelt.de vom 09.03,12
« Innenministerium erklärt sich im Ausschuss zu Polizeieinsatz in Münster – SPD paßt Streikrecht nicht. Sozialdemokraten wollen kampforientierte Kleingewerkschaften per Gesetz kaltstellen. Der Regierungskoalition ist das im Moment zu heiß. Von Mirko Knoche »
No comments yet.
Sorry, the comment form is closed at this time.