Es gibt nichts geileres, als erfolgreich zu streiken.« Mit dieser Auffassung stand der Schweizer Gewerkschaftssekretär Adrian Durtschi bei der Konferenz »Erneuerung durch Streik« am Wochenende in Stuttgart nicht allein. Sehr konkret diskutierten die 500 Teilnehmer auf dem von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gemeinsam mit ver.di Stuttgart ausgerichteten Kongreß darüber, wie das Mittel des Streiks wieder stärker genutzt werden kann und welche Arbeitskampfmethoden sinnvoll sind. Zu Beginn der dreitägigen Veranstaltung – die größte ihrer Art seit Jahren – verwies der Erste Bevollmächtigte der Stuttgarter IG Metall, Uwe Meinhardt, in seinem Grußwort darauf, daß es bei Streiks um weit mehr als um Lohnprozente geht. »Das Erleben eines Arbeitskampfs ist eine unmittelbar prägende Erfahrung von Organisationsmacht«, sagte er mit Bezug auf seine Erfahrungen im bayerischen Metallerstreik von 1995.
»Der Streik ist das wichtigste Mittel der Gewerkschaften, ihre Forderungen durchzusetzen«, stellte der Linke-Vorsitzende Bernd Riexinger fest. Allerdings sei dieses Mittel gerade in den Industriebetrieben in den vergangenen Jahren nur sehr wenig genutzt worden. Anders im Dienstleistungssektor, wo die Zahl der Arbeitskämpfe deutlich zugenommen hat. Als Beispiele nannte Riexinger die zum Teil wochenlangen Arbeitsniederlegungen im öffentlichen Dienst, in Kitas, im Einzelhandel, in Krankenhäusern, in der Gebäudereinigung, in Call-Centern und anderswo. Diese seien auch Folge »dramatischer tarifpolitischer Veränderungen«, durch die Löhne und Arbeitsbedingungen insbesondere im Dienstleistungsbereich unter Druck gerieten.
Wie schwierig es ist, in solchen Betrieben Arbeitsniederlegungen zu organisieren, machte die Stuttgarter ver.di-Sekretärin Christina Frank mit Bezug auf den Einzelhandel deutlich. So werde beispielsweise die Belegschaft des Textilhändlers H&M statistisch gesehen alle fünf Jahre komplett ausgetauscht. Die Beschäftigungsverhältnisse seien extrem flexibilisiert. Bei C&A gelte jeder Einsatz als neues Arbeitsangebot, so daß es de facto nur tägliche Arbeitsverträge gebe. »Unter diesen Bedingungen ist es sehr schwer, gewerkschaftliche Strukturen aufzubauen«, so Frank. Dennoch sei es in Stuttgart vielfach gelungen, flächendeckende Streiks auf die Beine zu stellen. Die intensive Beteiligung der Beschäftigten an den Strategie- und Forderungsdiskussionen sei dafür ebenso nötig gewesen wie die Entwicklung einer eigenen »Streikkultur«.
Im voll besetzten Saal des Stuttgarter DGB-Hauses – in dem Riexinger »gefühlte 300 Streikversammlungen« erlebte – faßte der ehemalige ver.di-Bezirksgeschäftsführer die zentralen Lehren aus den Arbeitskämpfen der vergangenen Jahre zusammen. »Wichtig ist, möglichst viele Betriebe gleichzeitig zum Streik aufzurufen und zu gemeinsamen Versammlungen zu mobilisieren«, sagte Riexinger. So könnten auch schwächer organisierte Belegschaften die Stärke der Streikbewegung erleben. Gute Erfahrungen habe ver.di in Baden-Württembergs Landeshauptstadt auch mit der Organisierung öffentlicher Kampagnen zur Vorbereitung und Begleitung von Streiks gemacht. »Insbesondere im öffentlichen Dienst sind Arbeitskämpfe immer auch politische Auseinandersetzungen«, betonte Riexinger. »Wenn es gelingt, die Bevölkerung auf unsere Seite zu ziehen, kann das ein zusätzliches Druckmittel auf den Arbeitgeber sein.«
Zentral sei zudem eine »Demokratisierung von Streiks«, meinte Riexinger. »Streiks können eine Emanzipationsbewegung sein, wenn die Streikenden tatsächlich Akteure und nicht nur Objekte sind.« Tägliche Versammlungen, auf denen die Streikenden selbst über Forderungen und Strategie entscheiden, seien hierfür wichtig. Dazu gehöre auch eine offene Diskussion über Verhandlungsstände und -ergebnisse. »Das Ergebnis muß den Streikenden schmecken, nicht der Verhandlungsführung«, so Riexinger. »Eine Arbeitsteilung, bei der die einen streiken und die anderen über das Ergebnis entscheiden, ist jedenfalls wenig erfolgversprechend.«
Günter Busch, stellvertretender Leiter des ver.di-Landesbezirks Baden-Württemberg, betonte, hierfür sei auch ein Rollenwechsel der Hauptamtlichen nötig. Diese müßten eher »Prozeßbegleiter« sein als diejenigen, die Entscheidungen vorgeben. Carsten Becker, Sprecher der ver.di-Betriebsgruppe am Berliner Uniklinikum Charité, erklärte, die Gewerkschaften müßten »den Kollegen Angebote für die Hilfe zur Selbsthilfe machen«. Partizipation bedeute, daß die Beschäftigten von Anfang an in die Diskussions- und Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Riexinger nannte es eine »Aufgabe der Gewerkschaften, die vielfältigen Streikerfahrungen zu bündeln und zu verbreiten, und so die Streikfähigkeit insgesamt zu stärken«. Die Stuttgarter Konferenz hat hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet.
« Apollinaris – Beschäftigte in Bad Neuenahr im Warnstreik. DIE LINKE Ahrweiler vor Ort. Ein Bericht von Wolfgang Huste – Umnachtete Ermittler. Neonaziterror: Polizeibeamte von BKA und LKA geben sich vor Untersuchungsausschuß im Bundestag völlig inkompetent. Die Alternative dazu wäre Vorsatz. Von Sebastian Carlens »
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