In der SPD mehren sich die Stimmen, Gespräche mit der Linkspartei über mögliche Koalitionen auf Bundesebene zu führen. Zuletzt machte sich Karsten Voigt am 28. März im Neuen Deutschland Gedanken über »Rot-Rot-Grün« . »Deutschland (wird) auch bei einer Regierungsbeteiligung der Linken im Rahmen der bestehenden Verträge von NATO und EU agieren müssen. Ein einseitiger Ausstieg Deutschlands aus diesen Vereinbarungen würde schwerwiegende Konflikte mit unseren Partnern und Nachbarn provozieren«, argumentiert der SPD-Politiker. Welche Konflikte sehen Sie im Fall eines Austritts der BRD aus der NATO?
Karsten D. Voigt wiederholt damit nur etwas Selbstverständliches: Verträge müssen eingehalten werden. Zugleich unterschlägt er aber zwei weitere Wahrheiten; erstens: Verträge können auch verändert oder aufgekündigt werden – zumal zwischen souveränen Staaten. Zweitens: Innerhalb der Verträge gibt es in der Regel Interpretationsspielraum. So bedeutet die Beistandspflicht des NATO-Vertrages nicht, daß dieser Beistand auch militärisch erfolgen muß.Voigt drängt weiter, Die Linke müsse »als Regierungspartei in der Außen-, Sicherheits- und Europapolitik und bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr erhebliche Abstriche an ihrem Programm in Kauf nehmen, und zwar sowohl was den zeitlichen Ablauf als auch den Inhalt betrifft«. Sehen Sie das auch so?
Nein! Warum? Den Anspruch einer verantwortungsvollen Außen- und Europapolitik erfüllt die SPD mitnichten. Auf das SPD-Konto geht auch der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen Jugoslawien, wie jüngst der damalige Kanzler Schröder selbst eingeräumt hat. Die Liste verantwortungsloser Politik der SPD ist lang. Auch im Falle Afghanistans haben die PDS und später Die Linke den richtigen Kurs gefahren, ebenfalls in der Bewertung der Umstände in und um die Ukraine.
»Verantwortungsvolle Außen- und Europapolitik« heißt bei der SPD und den Grünen, ihre Politik mitzutragen – also das Kriegsbündnis NATO zu akzeptieren und die EU in ihrem gegenwärtigen Zustand zu akzeptieren.Noch mal Voigt im ND: »Wenn Deutschland nicht als Urheber von Krisen in EU und NATO isoliert werden will, kann es sich nationale Alleingänge noch weniger leisten als seine kleineren Nachbarn. Das Nein der Linkspartei zum Euro, zum Lissaboner Vertrag und allen wesentlichen Europa-Verträgen widerspricht diesen Erwartungen.« Muß linke Politik sich nach den Wünschen der Nachbarn richten?
Nein! Deutschland ist ein souveränes Land, wie auch unsere Nachbarstaaten. Die Entscheidung über die Ausrichtung der deutschen Außenpolitik hat nicht in Washington oder Brüssel zu fallen, sondern haben die Bürgerinnen und Bürger zu fällen, was leider seitens der Politik anders gehandhabt wird.
Im übrigen richtet sich Deutschland nicht nach den Wünschen seiner Nachbarn. Vielmehr ist es so, daß Deutschland die NATO und noch vielmehr die EU als Vehikel seiner nationalen Machtpolitik in und jenseits der EU nutzt. Die Europäische Union wird von Deutschland dominiert. Die Gefahr eines deutschen Europas ist real. Hinter der Aussage »Kein deutscher Sonderweg mehr« steckt etwas anderes: Deutschland hat zwei imperialistische Kriege, den Ersten und Zweiten Weltkrieg, verloren. Danach erkannten die deutschen Eliten, daß man mit den einstigen Kriegsgegnern gemeinsam viel mehr in Fragen globaler Machtpolitik erreichen kann als gegen die anderen Großmächte. Auch Aussagen wie, die EU muß eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik realisieren, um weltweit als ernstzunehmender Akteur gehört zu werden, verweisen auf diesen Paradigmenwechsel deutscher Imperialpolitik nach 1945 theoretisch und ab 1990 auch praktisch.Immerhin gibt es seitens der SPD auch gute Zensuren: »Die Linke hat in ihrem Programm für die Wahlen zum Europaparlament die Passagen gestrichen, in denen die EU pauschal abgelehnt wurde. Das ist ein Fortschritt«, frohlockt Voigt. Selbst der linke Flügel in der Linkspartei verteidigt das revidierte Europawahlprogramm als positiv.
Im Volltext des Programms wurden inhaltsähnliche Formulierungen, die die EU als militaristisch etc. benennen, beibehalten. Der friedenspolitische Bereich wurde nicht angetastet. Dennoch bedauere ich es sehr, daß die Präambel aufgeweicht wurde. Und das ohne Nöte.Steter Tropfen höhlt offensichtlich den Stein: Wird die Linksfraktion im Bundestag bei der Abstimmung über die deutsche Beteiligung an der militärischen Absicherung der Vernichtung syrischer Chemiewaffen von ihrem »Nein« zu Auslandseinsätzen abrücken? Ihr »Amtsvorgänger« Paul Schäfer hat in einem Schreiben an die Linkspartei-Abgeordneten am 1. April für Zustimmung geworben: Beim »Ja« zum bewaffneten Auslandseinsatz gehe es »mitnichten darum, unseren Antimilitarismus aufzuweichen, sondern darum, unsere abrüstungs- und friedenspolitische Glaubwürdigkeit zu unterstreichen«.
Die Fraktion befindet sich noch in einem Verständigungsprozeß. Am kommenden Montag soll darüber abschließend entschieden werden. Ich sehe für mich keine Möglichkeit einer Zustimmung oder auch nur einer Enthaltung. Es handelt sich um einen Auslandseinsatz der Bundeswehr, ja sogar formal um einen Kampfeinsatz. Das Grundsatzprogramm unserer Partei ist da sehr eindeutig. Ich wende mich gegen die Aufweichung.In der Debatte in der Linksfraktion am Dienstag haben nach jW-Informationen Befürworter des deutschen Militäreinsatzes bizarre Argumente vorgebracht: »Der aktuelle Fall ist vom Parteiprogramm gar nicht abgedeckt.« Oder: »Die Deutsche Marine wird ja nicht in einen ›Out of Area‹-Einsatz geschickt, sondern ins Mittelmeer.« Oder, noch besser: »Die Linke fordert in ihrem Programm das Ende der deutschen Auslandseinsätze – das bezieht sich aber nur auf die laufenden.« Da hätten SPD und Grüne 1999 im Zuge des Jugoslawien-Krieges nicht besser argumentieren können: Das Grundgesetz verbietet die Vorbereitung eines Angriffskrieges – aber nicht dessen Durchführung …
Die Debatte über die Entsendung einer Fregatte zur Vernichtung des syrischen Giftgases fand leider in geschlossener Sitzung statt. Ich möchte mich daher über deren Verlauf öffentlich nicht äußern …Warum stimmen Sie dagegen?
Zum einen aus Überzeugung. Zum anderen aus dem oben genannten Grund: Wir haben eine klare Beschlußlage der Partei. Die Fraktion kann sich nicht einfach darüber hinwegsetzen. Und die Partei ist auch mehr als der Parteivorstand. Das Grundsatzprogramm wurde in einer Urabstimmung und einem anschließenden Bundesparteitag doppelt legitimiert. Das gilt es zu respektieren.Aber wer soll die syrischen Chemiewaffen vernichten? Paul Schäfer und Co. sagen, sie müssen »von denjenigen zerstört werden, die dafür die geeigneten Möglichkeiten haben – und das sind ganz wenige Staaten, unter anderem Deutschland«.
Das tun die USA und Deutschland doch: Die USA mit dem entsprechenden Schiff im Mittelmeer. Die dabei anfallenden Reststoffe werden nach Deutschland verbracht und in einer bundeswehreigenen Gesellschaft abschließend entsorgt. Die Bundeswehr ist also an der Vernichtung beteiligt – hier in Deutschland. Die Entsendung einer Fregatte hingegen ist reine Symbolpolitik, hat also keinen wirklichen militärischen Nutzen. Es geht der Bundesregierung vielmehr darum, internationale Präsenz zu demonstrieren und die Übernahme von Verantwortung zu suggerieren. Wenn Deutschland dies tatsächlich tun wollte, gäbe es viele zivile Möglichkeiten – Stichwort Entwicklungszusammenarbeit etc.»Wer A sagt, muß auch B sagen«, hält Schäfer dagegen. Die Linke werde mit einer Haltung »Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß« nicht weiterkommen.
Die Aussage verstehe ich nicht. Paul Schäfer kann mir den militärischen Mehrwert durch eine deutsche Fregatte nicht plausibel erklären. Die Sicherheitsmaßnahmen sehen so aus: Auf dem US-Schiff, das die Vernichtung der Chemiewaffen vornimmt, ist eine US-Spezialeinheit. Um das Schiff herum bilden US-Kriegsschiffe einen »Schutzgürtel«. Jenseits dieses Schutzgürtels soll es einen zweiten durch Kriegsschiffe anderer Staaten, darunter der deutschen Fregatte, geben. Zugleich wird seitens der Bundesregierung gesagt, die Bedrohungslage sei »gering«. Der zweite, äußere Schutzgürtel ist faktisch nicht erforderlich. Im übrigen, wenn der zweite so wichtig wäre, warum hat die NATO dann Rußland im Hinblick auf die Sicherungsmaßnahmen kurzerhand rausgeworfen?
« Angst vor Kontroversen. Neue Studie bemängelt Strategien im Umgang mit Rechtsextremen in der Kommunalpolitik. Rassismus und Nationalismus werden meist ignoriert. Von Jan Greve – »Unterschiede bleiben«. Zusammenarbeit bei Protesten gegen Neonazis in Dortmund. Beim Thema Sozialabbau und der Friedensfrage geht man weiter getrennte Wege. Ein Gespräch mit Sebastian Förster. Interview: Florian Osuch »
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