Viele Argumente hatten sie nicht zu bieten, die Befürworter des Gesetzes zur »Tarifeinheit«, das am Freitag vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde. Eigentlich gar keins. Bis auf die gebetsmühlenartig vorgetragene Behauptung, das Gesetz bedeute keine Einschränkung des Streikrechts, fiel den Abgeordneten von CDU/CSU und SPD in der kurzen Aussprache kaum etwas ein. Selbst führende Unionspolitiker geben hinter vorgehaltener Hand zu, dass dies ganz offensichtlich der Realität widerspricht.
Das in namentlicher Abstimmung mit 444 Ja- zu 126 Nein-Stimmen verabschiedete Gesetz ist ein Verfassungsbruch mit Ansage. Denn das Grundrecht auf Streik wird unter einen Mehrheitsvorbehalt gestellt. Das ist, als würde die Meinungs- und Pressefreiheit nur noch für diejenigen gelten, die die Auffassungen des Mainstreams vertreten. Es wäre nicht der erste Beschluss dieser Koalition, der vom Bundesverfassungsgericht wieder kassiert wird.
In der Plenardebatte kulminierten die Beiträge aus Union und SPD im immergleichen Punkt – der öffentlichen Unterstützung von DGB-Chef Reiner Hoffmann und der Vorstände von IG Metall und IG BCE für das Gesetz. Das belegt: Für dessen Zustandekommen war die Haltung dieser gewerkschaftlichen Spitzenfunktionäre entscheidend. Sie tragen einen gehörigen Teil der Verantwortung dafür, dass das Streikrecht nun per Gesetz zur Disposition gestellt wird. Ohne ihre allein mit bornierten Apparatinteressen erklärbare Beihilfe wäre dieser Verfassungsbruch wohl gar nicht erst versucht worden.
»Die Abwehr von Eingriffen in das Streikrecht war und ist für die Zustimmung der IG Metall zwingend«, ließ IG-Metall-Vize Jörg Hofmann am Freitag per Mitteilung wissen und behauptete stur, das Gesetz beschränke dieses Recht nicht. Dabei weiß auch er ganz genau, dass in Deutschland nur für tariflich regelbare Ziele gestreikt werden darf. Wird einer Gewerkschaft das Recht vorenthalten, Tarifverträge zu schließen, können ihre Streikaufrufe für »unverhältnismäßig« und damit illegal erklärt werden.
»Mit aller Entschiedenheit« habe sich die IG Metall aber gegen diejenigen gewandt, »die etwa eine gesetzliche Zwangsschlichtung oder andere gesetzliche Eingriffe in das Streikrecht einfordern«, betonte Hofmann. Dazu lässt sich nur sagen: So was kommt von so was. Wer Konkurrenzgewerkschaften mit Hilfe des bürgerlichen Staates ausbooten will, sollte sich nicht wundern, wenn das Kapital diese Steilvorlage für weitergehende Beschränkungen nutzt.
Eben deshalb ist die Auseinandersetzung um das Streikrecht nach dem Bundestagsbeschluss nicht zu Ende, sie steht vielmehr an ihrem Anfang. Das neue Gesetz juristisch zu Fall zu bringen ist wichtig, und es ist gut, dass auch ver.di Verfassungsklage einreichen will. Für die Verteidigung dieses Grundrechts werden in den kommenden Jahren aber noch ganz andere Mittel nötig sein.
Quelle: www.jungewelt.de vom 23.05.15
Der Bundestag hat das Gesetz zur »Tarifeinheit« am Freitag mit 444 Stimmen beschlossen. 126 Abgeordnete votierten mit Nein, 16 enthielten sich. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) behauptete in der Aussprache erneut, die Neuregelung greife nicht ins Streikrecht ein. Vertreter von Linkspartei und Grünen kritisierten das als »Täuschungsmanöver«. »Das Gesetz ist die Einschränkung des Streikrechts kleinerer Gewerkschaften«, betonte der Linke-Fraktionsvizechef Klaus Ernst.
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter stellte in der Debatte klar, dass es der Regierung keineswegs darum gehe, Unterbietungskonkurrenz durch sogenannte christliche Gewerkschaften zu unterbinden. Das Gesetz solle vielmehr verhindern, dass das Tarifniveau infolge einer Überbietungskonkurrenz durch Spartengewerkschaften steigt. Und die SPD stehe an vorderster Front im Kampf dafür, dass das Tarifniveau nicht nach oben gezogen wird, so Hofreiter. An die Adresse der Sozialdemokraten gewandt fragte er: »Schämen Sie sich nicht?«
Gegen solche moralischen Appelle sind sozialdemokratische Parlamentarier mittlerweile immun. Nur eine einzige SPD-Abgeordnete stimmte gegen den Gesetzentwurf: die Oldenburgerin Kerstin Lühmann, Mitglied der rechtslastigen Polizeigewerkschaft DPolG. In der CDU/CSU-Fraktion votierten 16 Abgeordnete dagegen, wohl ebenfalls aus Loyalität gegenüber politisch konservativen Berufsgewerkschaften. Linke und Grüne lehnten das Gesetz geschlossen ab.
Die Reaktionen der Konzernlobbyisten waren am Freitag durchweg positiv. Die Entscheidung sei »ein wichtiger Schritt für die Zukunft der Tarifautonomie«, lobte Ingo Kramer von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Der BDA-Chef fiel bisher nicht gerade als Vorkämpfer des Flächentarifs auf. Mit dem Gesetz werde »das Prinzip ›Ein Betrieb – ein Tarifvertrag‹ endlich wiederhergestellt«, ergänzte »Gesamtmetall«-Chef Rainer Dulger. Er hat sonst nichts gegen unterschiedliche Tarife für Leiharbeiter, Werkvertragsbeschäftigte und andere Prekäre einzuwenden.
Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bunds und zugleich CDU-Abgeordneter, wandte sich erneut gegen die Regelung. Mit dem betriebsbezogenen Mehrheitsprinzip schaffe der Gesetzgeber »einen völlig neuen Rechtszustand«, erklärte er in einer Mitteilung. Der Zwang zur »Tarifeinheit« bedeute nicht nur einen Bruch der Verfassung, er werde auch negative Folgen für den Betriebsfrieden haben.
Ebenfalls kritisch äußerte sich der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske, dessen Gewerkschaft gemeinsam mit GEW und NGG in den vergangenen Wochen rund 84.000 Unterschriften gegen das Gesetz gesammelt hatte. Dieses greife zumindest indirekt in das Streikrecht ein und verschärfe die Konkurrenz der Gewerkschaften untereinander, so Bsirske am Freitag gegenüber dpa. »Das stärkt nicht das Tarifvertragssystem, sondern birgt die Gefahr, dass Konzern-, Flächen- und Branchentarifverträge durchlöchert werden.«
Wie recht der ver.di-Vorsitzende mit dieser Einschätzung hat, machte die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) deutlich, mit der ver.di derzeit um die tarifliche Eingruppierung von Erzieherinnen und Sozialarbeitern streitet. VKA-Hauptgeschäftsführer Manfred Hoffmann begrüßte das Gesetz als »Schritt in die richtige Richtung« und forderte zugleich eine stärkere Reglementierung von Arbeitskämpfen in der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Quelle: www.jungewelt.de vom 23.05.15
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat ein Problem: Zu wenige Jobs und Fördermittel für zu viele Erwerbslose. Die mit der Einführung von Hartz IV 2005 verkündete »Eingliederungsrevolution« will nicht recht funktionieren. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen stagniert seit Jahren bei über einer Million. Aus dem Dilemma half bislang auch kein sanktionbewehrter Zwang.
Doch die Ministerin hat einen Plan: Jetzt will sie Unternehmen Gutes tun. Noch höhere Zuschüsse zu den Lohnkosten sollen sie erhalten, wenn sie Menschen einstellen, die länger als ein Jahr Hartz IV beziehen. 750 Millionen Euro soll das für 43.000 Betroffene ausgelegte sozialdemokratische »Sonderprogramm« kosten. Das geht aus einer Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) auf eine Anfrage der Grünen hervor. Doch woher das Geld nehmen, wenn nicht stehlen?
In Ermangelung zusätzlicher Mittel will Nahles für ihren Plan den Fördertopf der Jobcenter für »langfristige Maßnahmen« anzapfen. Aus diesem werden etwa mehrjährige Berufsausbildungen für junge Erwachsene finanziert. Im Klartext heißt das: Eine dreiviertel Milliarde soll den Jobcentern entzogen und Unternehmen für billige Arbeitskräfte geschenkt werden. Jugendlichen ohne Lehrstelle droht damit noch häufiger als bisher die Abschiebung aufs Abstellgleis. Verschiedene Gruppen von Erwerbslosen würden also einmal mehr gegeneinander ausgespielt, kritisierte die Abgeordnete der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, zu Recht. Die Langzeiterwerbslosigkeit wird so jedenfalls nicht substantiell verringert.
Dies ist nicht der erste Griff ins Eingliederungsbudget. Auch der teurer werdende Verwaltungsapparat wird längst aus diesem mitfinanziert. Während die Zahl der Hartz-IV-Bezieher seit 2006 von rund 5,4 auf 4,4 Millionen sank, kletterten die Kosten für das »bürokratische Monster« von 3,6 auf knapp 4,6 Milliarden Euro. Bei den Mitteln für Eingliederung verhält es sich umgekehrt: Gab es dafür vor fünf Jahren noch 6,6 Milliarden Euro, flossen 2014 nur noch 3,1 Milliarden. Davon zweigten die Jobcenter zuletzt mehr als eine halbe Milliarde ab, um sich selbst zu füttern – so viel wie nie zuvor. Inzwischen verschlingt die Administration fast das Doppelte der Summe für die Förderung Erwerbsloser.
Nicht nur bei der Eingliederung, auch an Leistungen wird gespart. Über eine Million meist dreimonatige Sanktionen verhängten Jobcenter 2014 gegen ungehorsame oder säumige Hartz-IV-Bezieher (siehe Seite 5). So fließen mehr als 320 Millionen Euro zurück an die BA. Wofür sie verwendet werden, ist nicht bekannt. Die Tendenz ist deutlich: Die Mammutbehörde verwaltet vor allem sich selbst und sorgt dafür, dass vielen Hartz-IV-Beziehern von dem wenigen Geld, das ihnen gezahlt wird, noch etwas weggenommen wird.
Quelle: www.jungewelt.de vom 18.05.15
Die Anklage gegen Édouard Perrin ist ein Angriff auf die Pressefreiheit. (…) Nach Antoine Deltour sowie einem ungenannten Angestellten von PWC (der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers – jW) muss nun die dritte Person Strafverfolgung in Luxemburg fürchten. Die Anklage eines Journalisten unterstreicht, dass die Pressefreiheit in der EU unzureichend geschützt ist. Wer das öffentliche Interesse verteidigt und über die Enteignung von Millionen Steuerzahlern aufklärt, landet vor Gericht, während die politisch Verantwortlichen des Steuerdiebstahls die EU-Kommission führen oder direkt bei dem Steuerkartell anheuern, wie der langjährige Luxemburger Finanzminister Luc Frieden als Chefberater der Deutschen Bank. Die Linksfraktion im EP wird daher heute beantragen, dass die EU-Kommission im Parlament Stellung bezieht und Haltung einnimmt. Wir respektieren selbstverständlich die Unabhängigkeit der Justiz. Aber die Kommission hat es sich bisher nie nehmen lassen, Justizverfahren gegen Journalisten im Ausland kritisch zu begleiten. Die Anklage ist zudem ein Ausdruck unzureichenden Rechtsschutzes von Journalisten und Whistleblowern in der EU. Die derzeit verhandelte Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen würde den Schutz noch weiter absenken. Eine rechtliche Lösung ist möglich: So müssen Betroffene unabhängig von einer letztendlichen Entscheidung von Gerichten geschützt sein, wenn sie davon ausgehen können, durch Whistleblowing höhere öffentliche Interessen zu schützen. Journalisten müssen im vollen Umfang Rechtssicherheit genießen. Der Sonderausschuss TAXE muss daher zwingend Vorschläge für den Schutz von Whistleblowern und Journalisten unterbreiten. Die Linksfraktion wird darauf drängen, Édouard Perrin, Antoine Deltour und weitere wichtige Zeugen im Sonderausschuss anzuhören und legislative Vorschläge zu unterbreiten.
Sahra Wagenknecht, erste stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, kommentierte am Montag den Konzernumbau bei der Deutschen Bank:
»Die Bundesregierung sieht tatenlos dabei zu, wie die Deutsche Bank wieder auf die ungehemmte Zockerei an den Finanzmärkten setzt. Angela Merkel hat diese Entwicklung sogar gefördert, da durch die mangelhafte Bankenregulierung die Bevölkerung weiterhin für Verluste in Haftung genommen werden kann. Deshalb hätte die Postbank nie privatisiert und später an die Deutsche Bank verkauft werden dürfen.« Wagenknecht weiter: »Wenn Merkel und Gabriel zulassen, dass die Deutsche Bank wieder ihr Spielkasino ausbaut, zünden sie mit Jain und Fitschen zusammen die Lunte zur nächsten Finanzkrise. Das ist deshalb besonders unerträglich, weil die Deutsche Bank durch ihren Umbau zur Zockerbank 2.0 auch noch die Versorgung der Bevölkerung mit Bankdienstleistungen reduzieren, Filialen schließen und Arbeitsplätze abbauen will. Dabei hat gerade erst die Rekordgeldstrafe von 2,5 Milliarden Euro für die Manipulation der Libor- und Euribor-Zinssätze gezeigt, dass das Frankfurter Geldhaus längst zu einer kriminellen Vereinigung mit angeschlossenem Bankgeschäft geworden ist.«
Quelle: www.jungewelt.de vom 28.04.15
Ostermärsche 2015 fordern das Ende des Konflikts in der Ukraine und mahnen zu einer friedlicheren Welt. Mit weit über 70 Kundgebungen, Mahnwachen, Fahrradtouren, Wanderungen und weiteren Aktionen melden sich bis Ostermontag Friedensgruppen zu Wort. Die drei wichtigsten Themen der diesjährigen Ostermärsche sind:
– der Konflikt in der Ukraine und die Gefahr eines neuen Kalten Krieges mit Russland
– die Abschaffung der Atomwaffen, bzw. ihr Abzug aus Deutschland/Büchel
– der Stopp deutscher Rüstungsexporte
Deeskalation des Ukraine-Konflikts – Kooperation statt Konfrontation
Die Situation in der Ukraine bleibt weiterhin besorgniserregend. Die Spannungen zwischen der NATO und Russland nehmen zu. Ein neuer Kalter Krieg und weitere Eskalation werden befürchtet. Die Veranstalter der Ostermärsche fordern daher Deeskalation und Kooperation statt Eskalation und Konfrontation. Die jüngste Minsker Vereinbarung wird dabei als ein erster wichtiger Schritt gesehen,der aber vom guten Willen der Konfliktparteien abhängt. Als »völlig kontraproduktiv« bezeichnet das Netzwerk Friedenskooperative die Militärmanöver und scharfe Töne beider Seiten. »Die Drohungen Russlands gegenüber Dänemark oder der US-Konvoi von Radpanzern durch Osteuropa gießen zusätzlich Öl ins Feuer. Dabei sind dringend Zurückhaltung und ein konstruktiver Dialog gefragt«, so das Netzwerk Friedenskooperative.
Atomwaffen abziehen und abschaffen
Auch dieses Jahr fordern die Ostermarschierer eine atomwaffenfreie Welt sowie den Abzug der letzten Atomwaffen aus Deutschland. Noch immer sind auf dem Fliegerhorst Büchel (Rheinland-Pfalz) rund 20 US-Atomwaffen stationiert, die im Ernstfall von deutschen Flugzeugen und Piloten abgeworfen werden sollen. Neben einem Ostermarsch zum Fliegerhorst am Montag wird der Fliegerhorst über Ostern auch durch das Bündnis »Büchel 65« gewaltfrei blockiert. »Atomwaffen werden gerne als alter Hut oder als Relikt des Kalten Krieges bezeichnet. Doch die Atomwaffenproblematik ist hoch aktuell! Besonders durch die wachsenden Spannungen zwischen Russland und den USA, die mehr als 90 Prozent der Atomwaffen besitzen, steigt die Gefahr eines Einsatzes oder auch eines Unfalls«, so Philipp Ingenleuf vom Netzwerk Friedenskooperative. »70 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki wird es endlich Zeit, dass die Menschheit reagiert und diesen Wahnsinn beendet.«
Stopp von Rüstungsexporten – Frieden schaffen, ohne Waffen
Die Brisanz deutscher Rüstungsexporte zeigt sich aktuell im Konflikt im Jemen, der in Gewalt und Chaos zu versinken droht. Mit der Intervention Saudi-Arabiens werden sehr wahrscheinlich wieder einmal deutsche Waffen in einem Krieg zum Einsatz kommen. Deutsche Waffen töten in aller Welt. Der Ruf nach einem Stopp deutscher Rüstungsexporte ist auch dieses Jahr eines der wichtigsten Anliegen vieler Friedensaktivisten auf den Ostermärschen und findet Ausdruck in der Forderung »Frieden schaffen ohne Waffen!«. (…)
Das Netzwerk Friedenskooperative stellt auf seiner Webseite www.ostermarsch-info.de eine umfangreiche Liste der verschiedenen Termine inklusive Aufrufe zur Verfügung. Während und kurz nach den Ostermärschen werden auch Redetexte online gestellt.
Quelle: www.jungewelt.de vom 02.04.15
»Einwanderung nur unter dem Aspekt der Nützlichkeit zu betrachten, ist zynisch und menschenfeindlich. Die Autoren der Studie haben sich vor den Karren der deutschen Wirtschaft spannen lassen, die mittels Fachkräfteeinwanderung Ausbildungskosten sparen und die Beschäftigten weiter spalten will.« Dagdelen weiter: »Immer wieder wird der ›Umbau‹ des Sozialstaates mit der Anpassung an die veränderten demographischen Bedingungen gerechtfertigt. In der Realität sinkende Renten, längere Wochen- und Lebensarbeitszeiten und die Pflicht zur privaten Vorsorge für Krankheit und Alter sind die Folge. Doch nicht die Alterung der Gesellschaft und damit der Rückgang der arbeitsfähigen Bevölkerung sind das Problem. Sie sind durch Produktivitätssteigerungen leicht zu bewältigen. Das eigentliche Problem, von dem die Studie der Bertelsmann-Stiftung abzulenken versucht, ist die Verteilungsungerechtigkeit sowohl in Deutschland als auch im weltweiten Maßstab. Was tatsächlich fehlt, sind eine soziale Umverteilung von oben nach unten und gleiche soziale und politische Rechte für alle hier lebenden und einwandernden Menschen.«
Am gleichen Tage, zur gleichen Stunde versammelten sich in Berlin im Lustgarten, in Rostock am Universitätsplatz, in Schwerin am Alten Garten, in Cottbus vor der Oberkirche, in Magdeburg auf dem Domplatz, in Leipzig auf dem Karl-Marx-Platz, in Dresden auf dem Theaterplatz und an zentraler Stelle in sieben weiteren Bezirksstädten der DDR Menschen, um gegen die sie Regierenden zu protestieren. Es handelte sich nicht um eine der heutzutage gern beschriebenen Demonstrationen vom Herbst 1989, die inzwischen – als Präludium zur deutschen Einheit eingeordnet – ihren Weg in die bundesdeutschen Schulbücher gefunden haben.
Das Datum dieser Kundgebungen war vielmehr der 5. April 1990. Diejenigen, gegen die sich im September und Oktober die Proteste der Demonstrierenden gerichtet hatten, waren längst abgetreten. Nach den Wahlen vom 18. März stand die Bildung einer vom Ost-CDU-Vorsitzenden Lothar de Maizière geführten Koalitionsregierung unter Ausschluss der SED-Nachfolgepartei PDS unmittelbar bevor. Die Proteste sollten sich laut dem Aufruf der Gewerkschafter »gegen die Empfehlung der Bundesbank und führender BRD-Politiker« richten, »die DDR-Mark im Verhältnis zwei zu eins umzutauschen«. Diese Empfehlung, hieß es in dem Aufruf des FDGB, des Dachverbands der Einzelgewerkschaften in der DDR, vom 4. April, »sei nicht nur Wahlbetrug, sondern ein unzumutbares Spiel mit den Erwartungen und Ängsten vieler Menschen.« Dem Aufruf des FDGB schlossen sich innerhalb von 24 Stunden mehr als 20 Organisationen und Parteien an. Die DDR-Bürger erschienen in Massen.
Am Abend des 5. April demonstrierten im Berliner Lustgarten und auf dem Marx-Engels-Platz über 100.000 Menschen gegen die Umtauschpläne, was einer Halbierung der Einkommen und der Vermögen im Falle der von der Bonner Regierung propagierten Währungsunion zwischen beiden Staaten gleichgekommen wäre. Die Tageszeitung Neues Deutschland veröffentlichte ein Foto von einer großen Menschenmenge, die sich um 17 Uhr zwischen Altem Museum, Dom, Palast der Republik, Staatsratsgebäude und Spreeufer versammelt hatte. Die Kundgebungsteilnehmer trugen handgefertigte Plakate. »2:1 ist Wahlbetrug!« war darauf zu lesen. Oder auch »Kohl, wie wär’s mit einer Halbierung Deines Gehalts«. Die Schauspielerin Käthe Reichel vom Berliner Ensemble schilderte den Demonstranten die Konsequenzen der bekanntgewordenen Umtauschpläne: »Wir haben jetzt die einmalige Chance, zum Hinterhof und Armenhaus der BRD zu werden.«
Eine solche Lösung der Währungsunion, das wurde auch von den Demonstranten auf den Plätzen und Straßen in den 14 Bezirksstädten verkündet, komme nicht in Frage. Man wusste sehr wohl, worum es nach dem Ausgang der Wahlen vom 18. März ging: Die Ostdeutschen kämpften gegenüber der westdeutschen Führung um ihre finanzielle Situation beim Start in die sich demnächst erweiternde Bundesrepublik. Auch in den Bezirksstädten war die protestierende Menge dementsprechend groß: Die Teilnehmerzahl wurde in Dresden auf 70.000 und in Leipzig auf 50.000 geschätzt. Weitere 10.000 gingen in Cottbus, Rostock, Halle, Magdeburg und Gera auf die Straße.
Auch in diesen Städten trugen die Demonstranten Transparente mit Forderungen wie »Ein Neubeginn mit Wahlbetrug? Mit uns nicht!« und der Losung »Ohne 1:1 werden wir nicht eins«. Der Protestzug in Leipzig nahm bewusst jenen Weg durchs Stadtzentrum, den im Herbst 1989 die Montagsdemonstrationen gewählt hatten. In Halle protestierten 20.000 Gewerkschafter mit dem Ruf: »Wir sind keine halben Deutschen!«
Da diese Massendemonstrationen, denen bereits einige kleinere vorausgegangen waren und in den nächsten Tagen noch weitere folgen sollten, so gar nicht in die offizielle deutsche Geschichtsschreibung über die von Bundeskanzler Helmut Kohl genial herbeigeführte »Wiedervereinigung« passten, werden sie kaum erwähnt, ja regelrecht verschwiegen. Deshalb sind einige erläuternde Bemerkungen zum Anlass der Kundgebungen angebracht.
Am 29. März hatte der Zentralbankrat der Bundesbank – in Anwesenheit von Bundesfinanzminister Theodor Waigel – für die Währungsunion, der nach dem Sieg der »Allianz für Deutschland« bei den Wahlen vom 18. März in der DDR kein politisches Hindernis mehr im Wege stand, und für einen Umstellungskurs der DDR- in D-Mark von zwei zu eins plädiert. In einem Schreiben des Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl vom Folgetag an den Kanzler begründete er diese Entscheidung so: »Eine Umstellung zwei zu eins ist vor allem im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der DDR notwendig. Ein Umstellungssatz eins zu eins würde die Wirtschaft der DDR dem internationalen Wettbewerb mit einem Kostenniveau und einer Verschuldung aussetzen, dem die meisten Betriebe nach unserer Auffassung nicht gewachsen wären. Die Folge wäre möglicherweise ein dramatischer Anstieg der Arbeitslosigkeit in der DDR mit allen Konsequenzen.« Auch finanzpolitisch ließe sich, so Pöhl, ein Umtauschsatz eins zu eins nicht verantworten.
Der Bundesbankpräsident war sich in dieser Hinsicht einig mit dem prominenten Banker und Sprecher des Vorstandes der Deutschen Bank, Hilmar Kopper, der auf die Frage, welche Meinung er zu den Auseinandersetzungen um den »richtigen« Umtauschsatz habe, in einem Interview und bezogen auf die notwendige Umstellung der Schuldverhältnisse der Betriebe erklärte: »Wenn Sie alle Schuldverhältnisse eins zu eins umstellen, dann schadet man der DDR-Wirtschaft, dann gibt es bald keine Arbeitsplätze mehr. Selbst ein Kurs zwei zu eins ist beinahe schon abenteuerlich.«
Bereits am 30. März war die Empfehlung des Zentralbankrats für den Zwei-zu-eins-Umtauschsatz durch eine Indiskretion bekanntgeworden. Wie der Generalsekretär der Ost-CDU, Martin Kirchner, berichtete, gingen nur Stunden, nachdem der Beschluss durchsickerte, in der CDU-Parteizentrale in Berlin »zahlreiche Anrufe besorgter Bürger ein, in denen von Wahlbetrug die Rede war, da viele DDR-Bürger die CDU in der Hoffnung auf eine schnelle Wirtschafts- und Währungsunion und einen Umtauschkurs eins zu eins gewählt hätten«. Während die Führung der DDR-CDU sich ungeachtet dessen nach außen bedeckt hielt, meldeten sich Vertreter von anderen Parteien, Bürgerbewegungen und Gewerkschaften zu Wort und kritisierten den Beschluss. Sie forderten die unverzügliche Rücknahme der Empfehlung. Der Generalsekretär der Deutschen Sozialunion (DSU), Peter-Michael Diestel, bestand öffentlich auf einem Kurs von eins zu eins für den Währungsumtausch. Diese Forderung, begründete er für seine Partei, die Bestandteil der in den Wahlen siegreichen »Allianz für Deutschland« war, habe die DSU schon im Wahlkampf aufgestellt und sei dabei von Kohl und Waigel unterstützt worden.
Der Bundeskanzler war über die heftige Resonanz auf den Beschluss des Zentralbankrats verwundert und beunruhigt zugleich. Er hatte zwar bei seinen Auftritten auf Kundgebungen der Ost-CDU in Leipzig und anderen Städten eine Vielzahl blumiger Versprechungen gegeben, damit die Wähler für die »Allianz für Deutschland« stimmten, sich aber zu keiner konkreten Umtauschrate bekannt. Das half ihm allerdings wenig, nachdem die vom Zentralrat der Bundesbank vorgeschlagene konkrete Umtauschrelation publik geworden war, und er sah sich zum Teil heftigen Vorwürfen ausgesetzt. Norbert Blüm, Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, warnte den Kanzler in einem Schreiben vom 27. März davor, dem vom Zentralbankrat verlangten Umtauschsatz zuzustimmen und argumentierte dabei – sicherlich darüber informiert, dass die Bruttolohn- und Gehaltssumme in Ostdeutschland nur ein gutes Drittel des vergleichbaren westdeutschen Niveaus betrug – folgendermaßen: »Die Menschen in der DDR müssten krasse Einbußen gegenüber ihrem bisherigen, ohnehin niedrigeren Lebensstandard hinnehmen; dies gilt insbesondere für Rentner, Familien und Arbeitslose. Millionen Menschen würden unter die Sozialhilfeschwelle geraten. (…) Aller Voraussicht nach würde das mit der Wirtschaftsgemeinschaft und Währungsunion verfolgte Ziel gefährdet, die Menschen zu bewegen, in ihrer Heimat zu bleiben, denn das Wohlstandsgefälle würde nicht kleiner werden, sondern wachsen.« Blüms Fazit: Kohl möge nicht auf die Bundesbank hören. »Ich bin der Überzeugung, dass ein Umstellsatz, der unter der Relation eins zu eins liegt, zu tiefgreifenden sozialen Verwerfungen sowie zu destabilisierenden politischen Folgewirkungen führen könnte.«
Auch de Maizière, der von der Volkskammer am 12. April zum Ministerpräsidenten der DDR gewählt wurde, ließ gegenüber Kohl keinen Zweifel daran, dass es »unser Ziel ist, die Gehälter und Löhne im Verhältnis eins zu eins in einer Währungsunion zu behandeln. Von diesem Ziel haben wir keinerlei Abstriche im Moment zu machen.« Damit lag der Vorsitzende der DDR-CDU ganz auf der Linie seines Generalsekretärs Kirchner, der den Zwei-zu-eins-Beschluss als »unzumutbar und unaushaltbar« bezeichnet hatte.
Der Bundeskanzler war vor eine schwerwiegende Entscheidung gestellt, da die Argumente beider Seiten gut fundiert waren. Blüms dringliche Bitte an seinen Kanzler, sich für einen Umtauschsatz von eins zu eins einzusetzen, war sozial und politisch begründet, während der Zentralbankrat unter Pöhl seinen Standpunkt mit ebenso guten Argumenten, vor allem ökonomischen, untermauert hatte. Gab es keine für alle akzeptierbaren finanzpolitischen Kriterien, die beim Finden der »richtigen« Umtauschrelation hätten helfen können?
Ein Blick in die Währungsgeschichte seit Kriegsende zeigte: Es war so gut wie unmöglich, einen ökonomisch gerechtfertigten Umtauschkurs zu bestimmen. Zwischen der Mark der DDR, die 1948 in der sowjetischen Besatzungszone als Deutsche Mark (DM Ost) die Reichsmark abgelöst hatte und zeitweilig als Mark der Deutschen Notenbank (MDN) zirkulierte, und der DM West gab es keinen offiziellen Wechselkurs. Die bilateralen Abkommen von 1949 und 1951, einst geschlossen zur Gewährleistung des Interzonen- bzw. des sogenannten innerdeutschen Handels, legten ein Verrechnungsverhältnis von eins zu eins zwischen beiden Währungen zugrunde. Dieses sagte über den Wert der DDR-Mark aber genau so wenig aus wie die Relation vier zu eins bzw. fünf zu eins des im Westberlin der fünfziger Jahre üblichen Schwarzmarktkurses oder das Umtauschverhältnis DM zu Mark der DDR in privaten Wechselstuben, das zwischen November 1989 und Juni 1990 zwischen drei zu eins und elf zu eins schwankte. Die von der DDR in den siebziger und achtziger Jahren intern benutzten Devisenertragskennziffern und Richtungskoeffizienten, die dazu gedient hatten, beim Warenexport West den Valutawert der Mark der DDR zu berechnen, erreichten 1989 den Wert 4,4 zu eins. Um ein echtes Kursverhältnis handelte es jedoch auch in diesem Fall nicht, da sich die Berechnung nur auf »handelbare Waren« bezog, Dienstleistungen, die einen günstigeren Devisenertragswert aufwiesen, aber ausklammerte.
Eher als durch den Außenwert wurde der Wert der DDR-Mark sicherlich durch die Binnenkaufkraft des Geldes bestimmt. Diese war in den siebziger und achtziger Jahren und bis zuletzt nach den sehr gründlichen Berechnungen des in Berlin-Zehlendorf beheimateten Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung etwa mit der der DM gleich bzw. lag leicht über der der D-Mark. Sich an historischen Wechselkursen zu orientieren wäre für die mit Einführung der DM in der bevorstehenden Umtauschaktion demnach wenig sinnvoll gewesen.
Helmut Kohl, seitens führender Vertreter des BRD-Establishments in der Wechselkursfrage mit ganz unterschiedlichen Vorschlägen konfrontiert, entschied sich zunächst – wie er es bei anderen kniffligen politischen Problemen bereits erprobt hatte – für das Abwarten und Aussitzen. Der Bundeskanzler lavierte und verständigte sich erst einmal telefonisch mit dem designierten DDR-Ministerpräsidenten de Mazière dahingehend, »dass noch keine Entscheidung über den Umtauschkurs getroffen worden sei«. Die Modalitäten sollten in den folgenden Monaten in Verhandlungen der beiden deutschen Regierungen festgelegt werden.
Doch für derartige Vertröstungen erwiesen sich die entrüsteten Ostdeutschen nicht zugänglich. Nach den Protesten vom 5. April musste das auch Kohl begreifen. Drei Tage später erklärte er in einem Interview mit der Illustrierten Bunte, er halte an seinem Ziel fest, die Währungsunion bis zum Sommer zu verwirklichen. Zugleich versicherte er, Bonn werde sich für »die normalen Sparer um einen Umtauschkurs bemühen, der eins zu eins beträgt«. Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann (FDP) schränkte die Versicherungen des Kanzlers aber noch am selben Tage mit der Bemerkung ein, lediglich »ein wichtiger« Teil der ostdeutschen Guthaben werde eins zu eins getauscht werden können. Am 19. April 1990 unternahm Haussmann mit dem neuernannten Wirtschaftsminister der Regierung de Maizière, Gerhard Pohl (CDU), in einer gemeinsamen Erklärung vor der Presse in Berlin einen Versuch, die Eins-zu-eins-Regelung erneut in Frage zustellen. Tags zuvor hatte die FDGB-Vorsitzende Helga Mausch in einemSpiegel-Interview weitere Streiks, ja einen Generalstreik in der DDR nicht ausgeschlossen, wenn die Regierung den mit dem Zwei-zu-eins-Umtausch geplanten »Ausverkauf der DDR« nicht verhindere.
Nun gab Kohl seine Verzögerungstaktik auf und bekannte sich in aller Eile zur Eins-zu-eins-Regelung, noch bevor die neue DDR-Regierung überhaupt Zeit gefunden hatte, sich abschließend zu konstituieren.
Neben Demonstrationen und Streikdrohungen hatte Kohl eine andere Tatsache zum Umdenken bzw. – wie seine Wirtschaftsberater meinten – zum Einknicken gebracht. In den ersten beiden Aprildekaden war es zu einem erneuten Ansteigen der Übersiedlerzahlen aus der DDR in die Bundesrepublik gekommen, die, seitdem sich das Kabinett in Bonn Anfang Februar für eine baldige Währungsunion ausgesprochen hatte, zurückgegangen waren. Der Bundeskanzler beschloss angesichts dessen, den seit Jahresanfang von Demonstranten auf Plakaten mitgeführten Spruch »Kommt die DM, bleiben wir, kommt sie nicht, gehen wir zu ihr« wieder sehr ernst zu nehmen. Im Herbst 1990 standen Bundestagswahlen an. Und Kohl war sich dessen bewusst, dass der erneute Zustrom von »Zonenflüchtlingen«, der schon im Januar, vor der Verkündung der Wirtschafts- und Währungsunion, bei der westdeutschen Bevölkerung für Unmut gesorgt hatte, erneut seinem politischen Hauptgegner, dem SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine, Stimmen von Unzufriedenen zuführen könnte. Waren Politiker der konkurrierenden Oppositionspartei doch sowieso schon eifrig bemüht, den bekanntgewordenen Umtauschsatz gegen den Kanzler auszunutzen und die Vernünftigkeit der Politik der CDU-geführten Bonner Regierung in Frage zu stellen. Nach den im Wahlkampf geäußerten Versprechungen stehe die Bundesregierung nun »in der Pflicht, die Substanz ihrer Ankündigungen umzusetzen«, schrieb Schleswig-Hosteins Ministerpräsident Björn Engholm (SPD) in der Welt. Der SPD-Wirtschaftsexperte Wolfgang Roth bezeichnete im Bonner General-Anzeiger einen Kurs von eins zu eins bei Löhnen und Renten als selbstverständlich, weil es sonst in der DDR zu Massenarmut käme. Der Regierende Bürgermeister von Berlin (West), Walter Momper, charakterisierte einen Umtauschkurs von zwei zu eins und damit halbierte Ostgehälter als »ökonomischen Schwachsinn«.
Die Machtfrage war damit, so sah es Kohl, in der Bundesrepublik wiederum gestellt. Da es um die Fortsetzung seiner Kanzlerschaft in den ersten Jahren des neuen Jahrzehnts ging, zeigte er sich in der Umtauschfrage risikobereit. Seine nunmehr endgültige Entscheidung für den Eins-zu-eins-Umtausch bei Löhnen und Gehältern sowie für Spargelder bis zu einer bestimmten Höhe widersprach zwar eindeutig dem ökonomischen Sachverstand. Das Argument der »Rechner«, Bundesbankpräsident und Bundesfinanzminister, dass »das Risiko eines Wirtschaftszusammenbruchs der DDR mit jedem Schritt näher zur Parität steigen musste«, wurde im Interesse der politischen Befriedung der erneut militant gewordenen DDR-Bürger hintangestellt. Die – von Bundesbankpräsident Pöhl in seinem Brief an Kohl exakt beschriebenen – unvermeidlichen negativen ökonomischen Folgen dieser Entscheidung ignorierte der Bundeskanzler im Interesse der Sicherung und zukünftigen Ausdehnung seiner Macht (auf ganz Deutschland).
Der rein politisch motivierten Entscheidung Kohls beugten sich letztlich auch die Vertreter der ökonomischen Sichtweise. Am 20. April akzeptierte die Bundesbank den Umtauschkurs eins zu eins »voll und ganz«. Am 26. April 1990 bekannten sich beide deutsche Regierungen offiziell zur Währungsparität. Den endgültigen Umtauschkurs bestimmten die Regierungen Kohl und de Maiziere dann am 18. Mai 1990. Zustande kam ein Kompromiss: Artikel 7 des Staatsvertrags zur Schaffung einer Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion legte eine Umtauschrelation von zwei zu eins für Guthaben und Schulden aller juristischen Personen, d. h. von Betrieben, Banken und sonstigen Institutionen fest. Der Staatsvertrag bestimmte weiter, dass Löhne, Gehälter, Stipendien, Renten, Mieten und Pachten im Verhältnis eins zu eins umzutauschen seien, alle persönlichen Vermögen dagegen zwei zu eins. Ausgenommen davon war lediglich jener Teil der Bankeinlagen, der in bestimmtem Umfang, altersgemäß gestaffelt, eins zu eins umgestellt werden sollte. Sparer zwischen 14 und 59 Jahren durften ihre Guthaben bis zu einer Höhe von 4.000 DDR-Mark eins zu eins umtauschen, Kinder unter 14 Jahren bis 2.000 Mark und über 59jährige bis zu 6.000 Mark zum gleichen Satz. Über diese Beträge hinaus war nur ein Umtausch von einer Mark der DDR für 50 Pfennig West möglich. Diese Bestimmungen liefen insgesamt für die Guthaben der Bevölkerung auf eine Relation 1,48 zu eins hinaus.
Damit folgten die beiden deutschen Regierung in nicht geringem Grade den Forderungen der Demonstranten von Anfang April. Die Folge: Die Proteste ebbten ab und hörten auf. Die DDR-Bürger sahen erwartungsvoll dem 1. Juli 1990 entgegen, dem Tag, an dem die DM zu ihnen kommen sollte. Zu einer Wiederbelebung der Herbstrevolution von 1989 im Frühjahr 1990 kam es deshalb nicht.
Immerhin: Gegen die in der heutigen Geschichtsschreibung weit verbreitete Auffassung, dass die Masse der DDR-Bürger 1990 jede sie betreffende Entscheidung, die ihnen aus dem Westen vorgegeben wurde, akzeptierte, zeugen die Demonstrationen auf den Straßen und Plätzen der ostdeutschen Städte davon, dass »das Volk« in der DDR häufiger als gedacht in der Lage war, den seitens der Bonner Regierung mit Macht vorangetriebenen Vereinigungsprozess, bei dem es eigentlich um den Anschluss der DDR an die BRD ging, zu beeinflussen. Aufgabe einer redlichen Geschichtsschreibung ist es, dafür zu sorgen, dass diese Momente nicht der Vergessenheit anheimfallen.
Jörg Roesler analysierte zuletzt auf diesen Seiten am 11.3.2015 das Jointventure-Gesetz der Regierung von Hans Modrow. Seine Bücher und Broschüren sind im jW-Shop erhältlich.
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.03.15
Das dürfte einiges mit dem bisherigen Vorgehen der Polizei zu tun zu haben. Die beschränkt seit Wochen das Demonstrationsrecht von Antifaschisten und richtet es den Rechten sehr kuschelig ein. Von Seiten der Neonazis ist der Polizei deshalb auch schon mehrfach ein Lob ausgesprochen worden.
Sie haben der Polizei jüngst vorgeworfen, sie ignoriere rechte Gewalt aus dem Umfeld der Dügida-Demonstranten. Über welche Erkenntnisse verfügen Sie?
Die Dügida-Aufmärsche finden bereits seit mehreren Wochen regelmäßig statt. Seitdem ist es vermehrt zu gewalttätigen Angriffen von Neofaschisten auf vermeintliche Linke gekommen. Und bei den Aufmärschen der Rechten wurden Journalisten, Nachbarn und Gegendemonstranten bedroht, ohne dass Beamte eingegriffen hätten. Es kam zu Anschlägen, beispielsweise auf das Wahlkreisbüro der Linke-Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht. Erst in der vergangenen Woche erreichte uns außerdem die Information, dass 15 vermummte Neonazis und Hooligans mit Baseballschlägern eine Gruppe von Menschen attackiert haben sollen, weil sie sie für Antifaschisten hielten.
Zu all dem äußert sich die Polizei nicht, geschweige denn dass sie Täter dingfest macht oder Aufmärsche wegen Gewalttätigkeiten abbricht, was sie problemlos könnte.
Wie erklären Sie sich das Verhalten der Beamten?
Wir sehen die Verantwortung für diese Zustände beim Düsseldorfer Polizeipräsidenten Norbert Wesseler (SPD). Bis vor einem Jahr hatte er dasselbe Amt in Dortmund inne. Dort konnte sich in den letzten Jahren – unter seiner Ägide und der seiner Vorgänger – eine äußerst militante Neonaziszene etablieren. Die Dortmunder Polizei beließ es bei markigen Allgemeinplätzen, ging jedoch nicht entschlossen gegen die Rechten vor. Nachdem Wesseler schon in Dortmund auf voller Linie versagt hat, setzt er seine Politik des Wegduckens nun offenbar in Düsseldorf fort.
Sollte das so beibehalten werden, drohen uns die bundesweit bekannten und berühmt-berüchtigten »Dortmunder Verhältnisse« – zumal die Polizei zugleich sehr aggressiv gegen Nazigegner vorgeht. Mehrfach haben die Beamten in letzter Zeit Schlagstöcke und Pfefferspray gegen Antifaschisten eingesetzt. Einem Mann wurde Ende Januar sogar ein Arm von den Beamten gebrochen, und erst am vergangenen Montag wurden die Opfer eines Neonaziangriffs festgenommen und ohne den von ihnen geforderten Kontakt zu ihrer Anwältin über Stunden festgehalten. Es gab wegen solcher Vorfälle in den letzten Wochen zahlreiche Strafanzeigen gegen Polizeibeamte, schauen wir mal, was daraus wird.
Optimistisch sind Sie diesbezüglich nicht?
Nein. Erfahrungen mit der Justiz haben wir in der Vergangenheit zur Genüge sammeln dürfen. Nur wenn der öffentliche Druck stark genug ist, gehen die Gerichte gegen Polizisten vor.
Wie reagiert die sogenannte Zivilgesellschaft Düsseldorfs auf diese Entwicklung?
Ein großer Teil schweigt dazu. Der DGB hat sich jedoch mittlerweile unserem Bündnis »Düsseldorf stellt sich quer!« angeschlossen. Gemeinsam werden wir uns auch in den nächsten Wochen Neonazis und Rassisten in den Weg stellen. Diejenigen, die sich zurückgezogen haben, sollten sich immer bewusst machen: Wenn Rechte ungestört durch Proteste durch die Stadt marschieren könnten, würden sie das als Machtgewinn und als Sieg wahrnehmen. Parolen wie »Wir springen nicht über jedes Stöckchen, das die Nazis uns hinhalten« können schnell zum Bumerang werden.
Die extrem rechte Splitterpartei »Pro NRW« hat bereits eine Kundgebung in Düsseldorf am 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, angemeldet. Ich kann nur an die Verantwortung von Organisationen der sogenannten Zivilgesellschaft, aber auch an manche Gewerkschaftsgliederungen appellieren, das nicht zu ignorieren. Es darf nicht bei Sonntagsreden bleiben! Wir müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass die Häufung von rechter Gewalt und Neonaziaufmärschen schnellstmöglich ein Ende findet, auch wenn dazu persönliches Engagement nötig ist.
Heute (30. März): Antifaschistischer Protest, 18.30 Uhr, Düsseldorf Hauptbahnhof
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.03.15
Seit die Liberalen bei der Bundestagswahl 2013 aus dem Parlament geflogen sind, geht es mit ihrer Partei ökonomisch bergab. Daran vermögen auch kleine Zwischenhochs wie der Wiedereinzug in die Hamburgische Bürgerschaft oder günstige Prognosen wie die jüngste von Emnid (fünf Prozent im Sonntagstrend) vorläufig nichts zu ändern. Kurzum: Der FDP fehlen nicht nur die Gelder aus der Wahlkampfkostenerstattung, auch die Spenden seitens großindustrieller und anderer Gönner, die sich noch 2012 auf sechs Millionen Euro beliefen, bleiben aus.
In Ermangelung neuer Ideen ist es vor allem Symbolpolitik, die die FDP retten soll. Pfiffige PR-Kampagnen, um das Wahlvolk mit den neuen Parteifarben bekanntzumachen (und die alten Gesichter wieder ins Gedächtnis zu rufen), sind allerdings nicht umsonst zu haben. So verfiel die Führung auf die Idee, einen »Solidarfonds« für die angeschlagene Partei ins Leben zu rufen. Derzeit diskutierten die Liberalen über eine befristete Sonderumlage, um die politische Arbeit und die Wahlkämpfe in den Ländern intensivieren zu können, bestätigte Bundesschatzmeister Hermann Otto Solms am Samstag. Presseberichten zufolge soll jedes der rund 57 000 FDP-Mitglieder in den Jahren 2015, 2016 und 2017 neben dem normalen Mitgliedsbeitrag jährlich 25 Euro extra zahlen. Eine Entscheidung darüber soll an der Basis, beim Parteitag Mitte Mai in Berlin fallen. Ob dieser Appell an den Gemeinsinn beim neoliberalen Klientel verfängt, wird sich zeigen. Möglicherweise erkennen die vereinigten Zahnärzte, Apotheker und Steuerberater, dass Solidarität eine Waffe ist. Auch im Kampf gegen sozialen Fortschritt. (shu)
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.03.15
Die Dortmunder Polizei ist am Sonnabend wieder einmal ihrem Ruf gerecht geworden, Neofaschisten gewähren zu lassen, und hat rund 500 von ihnen einen Aufmarsch durch die Straßen der Ruhrgebietsmetropole ermöglicht. Unter ihnen befanden sich auch rund 100 Anhänger des rassistischen Netzwerks »Hooligans gegen Salafisten« (»Hogesa«), die in der Vergangenheit versucht hatten, sich als vermeintlich unpolitisch zu präsentieren. Im Anschluss an ihren Umzug veranstalteten die Rechten unter freiem Himmel ein Konzert mit verschiedenen Neonazibands in der Nähe des Dortmunder Westfalenstadions. Auf Twitter reagierte der Fußballklub BVB umgehend: »Unser Stadion ist keine Kulisse für ein Nazikonzert! Wir machen das Licht aus. Borussia verbindet – gemeinsam gegen Rassismus! #nonazisdo«.
Insgesamt mehrere tausend Beamte aus verschiedenen Bundesländern, Wasserwerfer und Räumfahrzeuge hatte hingegen die Polizei aufgeboten, um die neuerliche Provokation der extremen Rechten abzusichern. Um den Neofaschisten einen störungsfreien Ablauf ihres Aufmarsches zu ermöglichen, hatten die Beamten außerdem darauf verzichtet, im Vorfeld der Proteste die Demonstrationsroute der Nazis zu veröffentlichen. Derlei Geheimniskrämerei war auf harsche Kritik seitens antifaschistischer Organisationen gestoßen.
Am Sonnabend selbst wurden sämtliche Versuche von insgesamt etwa 2.000 Nazigegnern, in unmittelbarer Nähe des Aufmarsches der Neofaschisten zu protestieren, unterbunden. Einzig einigen wenigen »bürgerlich-gemäßigten« Demonstranten wurde dies – wie bereits bei ähnlich gelagerten Aufmärschen in den Vorjahren – von den eingesetzten Beamten ermöglicht. Die bisher von der Polizei praktizierte Trennung in tolerierbare und vermeintlich gefährliche Gegendemonstranten wurde somit auch am Sonnabend erneut durchgesetzt. Antifaschisten, die sich zum Ziel gesetzt hatten, den Aufmarsch der Nazis effektiv zu blockieren, wurden an verschiedenen Orten im Dortmunder Innenstadtbereich eingekesselt. Mehrfach kam es dabei auch zum Einsatz von Schlagstöcken durch die Polizei.
Vor allem die Wahl des Aufmarschdatums hatte bei den Nazigegnern für Entsetzen gesorgt: Am Sonnabend jährte sich die Ermordung des Punks Thomas Schulz, genannt »Schmuddel«. Dieser war vor genau zehn Jahren vom mehrfach verurteilten Gewalt- und neofaschistischen Überzeugungstäter Sven Kahlin am Dortmunder U-Bahnhof Kampstraße erstochen worden (jW berichtete).
An einer Gedenkkundgebung für Schulz am damaligen Tatort hatten am Sonnabend über 300 Menschen teilgenommen. Aufgerufen dazu hatte unter anderem das Bündnis »Dortmund gegen Rechts«. Dessen Sprecherin Ula Richter erinnerte in ihrem Redebeitrag an den Umgang der Nazis mit dem Mord. Die hatten die Tat unter anderem mit den Worten kommentiert: »Die Machtfrage wurde gestellt und für uns befriedigend beantwortet. Dortmund ist unsere Stadt.« Erneut sprach sich Richter für ein Verbot der Partei Die Rechte aus, die den Aufmarsch organisiert hatte und zumindest in Nordrhein-Westfalen als Sammelbecken für Anhänger und Funktionäre der 2012 vom dortigen Innenminister Ralf Jäger (SPD) verbotenen militanten »Kameradschaften« gilt.
Während die Dortmunder Polizei am Ende ihres Einsatzes vor allem Straftaten »gewaltbereiter Linksautonomer« ausgemacht haben wollte und einige Nazigegner in Gewahrsam nahm, konnten die Nazis bei ihrer Abreise offenbar erneut ungestört Jagd auf Antifaschisten und Punks machen. So kam esjW-Informationen zufolge in mehreren Regionalzügen zu Angriffen von abreisenden Faschisten auf vermeintliche Gegner.
Kritik am Vorgehen der Beamten kam hingegen vom Antinazibündnis »BlockDO«: »Zunächst hielt die Polizei die Demoroute der Nazis geheim, um keine Gegenproteste zuzulassen, dann sperrte sie ein ganzes Stadtviertel ab, um die Nazis ungestört laufen zu lassen. Und dass die Polizei davon ausgeht, das Westfalenstadion sei eine erträgliche oder auch nur irgendwie geeignete Kulisse für ein Rechtsrockkonzert, ist einfach nur unglaublich«, kritisierte dessen Sprecher Lennart Zumholte.
Weitere Großaufmärsche von NPD und »Die Rechte« sind unterdessen für den Arbeiterkampftag am 1. Mai in Mönchengladbach und Essen geplant.
Die Stadt Dortmund mag vieles sein, eine »Stadt des Widerstands« gegen die extreme Rechte, wie es Vertreter aus etablierter Politik und sogenannter Zivilgesellschaft behaupten, ist sie sicherlich nicht. Bereits in den 1980er Jahren trieb Siegfried Borchardt, besser bekannt unter seinem vielsagenden Spitznamen »SS-Siggi«, als Anführer seiner militanten Hooligangruppe »Borussenfront« sein Unwesen in der Ruhrgebietsmetropole. Später war er dann in der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) aktiv, die 1995 von den Behörden verboten wurde.
Da Kommunalpolitiker, Polizei- und Justizbehörden das Naziproblem trotzdem weiterhin kontinuierlich verharmlosten, konnten die Rechten sich ungestört als »Kameradschaft Dortmund« organisieren. Später folgte die Umbenennung in »Nationaler Widerstand Dortmund«. Nachdem dieser 2012 von den Behörden verboten worden war, folgte eine weitere Reorganisierung der Faschisten – diesmal unter dem Schutz des Parteiengesetzes und als Partei Die Rechte. Bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr konnte sie erstmals einen Sitz im Dortmunder Stadtrat und weitere in mehreren Bezirksvertretungen ergattern.
Die Liste der von Neofaschisten aus und in Dortmund begangenen Morde und Gewalttaten ist für eine westdeutsche Großstadt durchaus bemerkenswert: Im Jahr 2000 erschoss der überzeugte Dortmunder Nazi Michael Berger erst drei Polizeibeamte und richtete sich anschließend selbst. 2005 folgte die Ermordung des Punks Thomas Schulz durch den Faschisten Sven Kahlin am Dortmunder U-Bahnhof Kampstraße. Im April 2006 wurde Mehmet Kubasik vor seinem Dortmunder Kiosk mutmaßlich von den Terroristen des »Nationalsozialistischen Untergrundes« (NSU) erschossen.
Doch selbst diese fünf von Faschisten begangenen Morde führten bei den Verantwortlichen keineswegs zu einem Umdenken. Erst vor wenigen Wochen wurde beispielsweise von der örtlichen Polizei zugelassen, dass unter ihren Augen Anhänger der Partei »Die Rechte« die Opfer der mörderischen Nazigewalt verhöhnten und verächtlich machten.
Dass es den Neonazis überhaupt gelingen konnte, derart gefestigte Strukturen aufzubauen und eine überdurchschnittlich große Anhängerschaft vor allem unter jungen Leuten zu rekrutieren, dürfte außerdem nicht wenig mit dem desolaten Zustand antifaschistischer Zusammenschlüsse und Organisationen in der Ruhrmetropole zu tun haben. (bern)
Quelle: www.jungewelt.de vom 30.03.15